Drama | Großbritannien 2017 | Staffel 1: 457 (acht Folgen) Minuten

Regie: Kristoffer Nyholm

England im Jahr 1814. Ein Mann kehrt aus den Kolonien in seine Heimat zurück, um in London das väterliche Erbe anzutreten. Im Großstadtdschungel der Regency-Ära lauern indes kaum weniger Gefahren als in der Wildnis, aus der der Fremde gekommen ist: Durch sein Erbe gerät er in einen fatalen Konflikt unterschiedlicher Interessen, in dem nicht zuletzt die mächtige East India Company mitmischt. Die Serie entfaltet sich als spannender Historien-Abenteuerstoff um frühkapitalistische Machenschaften, differenziert in der Zeichnung des gesellschaftlichen Panoramas und getragen von ihrem charismatischen Hauptdarsteller. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
TABOO
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
2017
Produktionsfirma
Hardy, Son & Baker/Scott Free Prod.
Regie
Kristoffer Nyholm · Anders Engström
Buch
Steven Knight · Tom Hardy · Chips Hardy · Emily Ballou · Ben Hervey
Kamera
Mark Patten
Musik
Max Richter
Schnitt
Katie Weiland · Matt Platts-Mills · Beverley Mills · Guy Bensley · Mark Davis
Darsteller
Tom Hardy (James Keziah Delaney) · Leo Bill (Benjamin Wilton) · Jessie Buckley (Lorna Bow) · Oona Chaplin (Zilpha Geary) · David Hayman (Brace)
Länge
Staffel 1: 457 (acht Folgen) Minuten
Kinostart
-
Fsk
Staffel 1: ab 12 (1-3,5-7)
ab 16 (4,8)
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama | Historienfilm | Serie | Thriller

Heimkino

Verleih DVD
Concorde (16:9, 1.78:1, DD5.1 engl./dt.)
Verleih Blu-ray
Concorde (16:9, 1.78:1, dts-HDMA engl./dt.)
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Die erste Staffel der von Schauspieler Tom Hardy, dessen Vater Chips Hardy und Drehbuchautor Steven Knight kreierten BBC-Serie hat ihren ganz eigenen Geschmack. Obwohl viele der Zutaten wohlbekannt sind, ergibt ihr neuer Mix eine exotische Kreation, die sich langsam entfaltet und auf ein fulminantes Finale zuläuft.

Diskussion
Die erste Staffel der von Schauspieler Tom Hardy, dessen Vater Chips Hardy und Drehbuchautor Steven Knight kreierten BBC-Serie hat ihren ganz eigenen Geschmack. Obwohl viele der Zutaten wohlbekannt sind, ergibt ihr neuer Mix eine exotische Kreation, die sich langsam entfaltet und auf ein fulminantes Finale zuläuft. London, 1814, die Regency-Ära: eine durch den Kolonialhandel reiche, bunte, internationale Gesellschaft, oberflächlich konventionell, extravagant und dekadent wie die Person ihres Monarchen (schön spleenig: Mark Gatiss). Im Gleichgewicht der Kräfte belauern sich die Krone und die East India Company (eine Art Amazon jener Zeit), deren »CEO« alle Kultiviertheit, aber auch alle Skrupellosigkeit unkontrollierter Machtanhäufung vorführt (ein Schreibtischtäter: Jonathan Pryce). In starkem Kontrast: ein einsamer Streiter mit einem dunklen Geheimnis, Afrika-Heimkehrer, halber Wilder, dessen neu geschärfte Instinkte ihn im Dschungel der frühmodernen Großstadt retten müssen. In einer Art Charonsfahrt gelangt James Delaney (Tom Hardy) in seine alte Heimat, um das väterliche Erbe anzutreten, welches ihm bald das eigennützige Interesse aller Parteien, inklusive amerikanischer Agenten, zuzieht. Es entfalten sich eine zünftige Schatzsuche und ein kleiner Handelskrieg, und während Delaney treue Gefolgsleute versammelt, um dem Establishment die Stirn zu bieten, enthüllen sich Folge für Folge, teilweise in fantastisch halluzinierten Flashbacks, die Rätsel seiner Herkunft, Wesensart und zukünftigen Pläne. Vorherrschende Stimmung ist dabei die einer grau-schwarzen Düsternis über den schlammigen Untiefen des Themse-Ufers, selten erhellt durch mondäne Salonszenen. Die Lichtregie vermag es zusammen mit der Animation der imaginären Stadtsilhouette, Orte ins Magisch-Ungefähre zu verunklären und so den Eindruck einer Seelenlandschaft als »Waste Land« hervorzurufen. Dem entspricht die permanente Schlaflosigkeit Delaneys, dem seine gebändigte Energie aus anderen Quellen zuwachsen muss, möchte man ihn nicht gar für einen Zombie halten. Tom Hardy verfügt auch in dieser Rolle über enorme physische Präsenz, er füllt jede Szene unmittelbar, etliche Close-ups auf seine zumeist unbewegte Miene heben ihn zusätzlich heraus und präsentieren ihn als einen jener Schauspieler in der Nachfolge des großen Steve McQueen, die mit einem Minimum an Text und Aktion ein Maximum an dramatischer Wirkung erzielen. Nicht ganz auf dieser Höhe bewegen sich die Drehbücher. Sie verlassen sich zum actionreichen Staffelfinale hin sehr auf konventionelle Wendungen des Abenteuerfilms. Gut gelingen aber die Zeichnung des gesellschaftlichen Panoramas sowie die Entfaltung der sozialgeschichtlichen Implikationen der Handlung – diskrete Verweise auf heutige Verhältnisse inklusive. Die Figur des James Delaney ist dabei schillernd-synkretistisch in ihrer Herkunft aus einem Melting Pot der Rassen, aber auch Einstellungen und Handlungsweisen – und damit für die damalige Epoche hochmodern. Es beeindruckt seine Vorurteilslosigkeit gegenüber den Außenseitern der Gesellschaft, allerdings kann er sich solche Vorurteile am Beginn seines Feldzugs in die Neue Welt auch kaum leisten. Ein abschließendes Urteil zur Serie fällt schwer, da die erste Staffel ersichtlich als Teil mindestens eines Diptychons angelegt ist und ihre Raison d’Être im weiteren Verlauf enthüllen und erfüllen muss. Vorspeise und erster Gang sind in ihrem neuartigen Blick auf das englisch-amerikanische Verhältnis zu Zeiten des Hochkolonialismus und darüber hinaus bereits höchst anregend und machen Appetit auf mehr.
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