Wie anders ein Film aussieht, wie anders Bilder wirken, wenn die Szenen in den frühen Morgen- oder Abendstunden aufgenommen wurden, wenn Menschen und Gegenstände lange Schatten werfen und die tief stehende Sonne die Konturen verfließen lässt! David Lowery liebt diese Lichtstimmung. Schon seine melancholische Gangsterballade »The Saints – Sie kannten kein Gesetz« (2013) erhielt dadurch einen ganz besonderen Look. Diesem ist Lowery treu geblieben. Und hat ihn nun auf einen Kinderfilm übertragen.
Auch in »Elliot, der Drache« wird die Kamera immer wieder von der Sonne geblendet. Eine beinahe mystische Stimmung liegt über der ländlichen Region im Nordwesten der USA. Und dem vierjährigen Pete stößt gleich zu Beginn nach einem traumatischen Erlebnis tatsächlich etwas Magisches zu. Als das Auto seiner Eltern verunglückt, überlebt nur der Junge. Zuflucht findet er bei einem großen grünen Drachen inmitten der Wälder, bei dem er sechs Jahre lang lebt. Der stumme Drache, den er nach einer Figur aus seinem Lieblingskinderbuch benennt, wird sein Vertrauter, sein Freund und Elternersatz. Bis Förster den etwas verwahrlosten, aber gesunden Jungen aufgreifen und in die Welt der Menschen zurückbringen.
»Elliot, der Drache« ist eine Neuverfilmung des Disney-Klassikers »Elliot – Das Schmunzelmonster« aus dem Jahr 1977
(fd 21 025), wobei schon der Titel der veränderten Ausrichtung Rechnung trägt. Ernsthafter ist das Ganze geworden, kein buntes Musical und nicht mehr ganz so kindlich. Den ersten Schock des Unfalls federt Lowery in einer poetischen Zeitlupenaufnahme ab, in der die Zeit anzuhalten scheint, wenig später dann in ausgelassenen Szenen, in denen der Junge und der Drache miteinander spielen oder Pete auf dem Rücken seines Freundes bis über die Wolken fliegt. Gefährlich wird die Situation für Elliot, nachdem sich das Gerücht von dessen Existenz verdichtet. Bislang war der Drache nur aus den Geschichten des etwas seltsamen Vaters der Försterin Grace bekannt, die Pete bei sich aufgenommen hat. Doch als eine Drachen-Zeichnung von Pete genauso aussieht wie ein Bild, das ihr Vater vor vielen Jahren für sie gemalt hat, beginnt sie zu zweifeln. Oder besser: zu glauben.
Um die Wiederentdeckung und die heilende Kraft der kindlichen Fantasie sowie um familiäre Bindungen und Zugehörigkeit geht es in dem Film, der damit die typische Disney-Magie beschwört. Dazu passt die Verortung in einer unbestimmten Zeit, in der die digitale Revolution noch nicht stattgefunden hat und soziale Netzwerke noch aus Menschen aus der realen Nachbarschaft bestanden. Lowerys Welt ist somit ein wenig märchenhaft – im Hinblick auf das soziale Miteinander als auch die mythischen Wesen, die in dieser leben. Dass dann auch immer wieder der Kampf zwischen Umweltbewahrung und Umweltzerstörung thematisiert wird, mit Grace als Beschützerin und ihrem Verlobten als Holzunternehmer, fügt sich stimmig in die Handlung ein, in der auch sonst die Unschuld eine große Rolle spielt. So wurde der computeranimierte Elliot als ziemlich flauschiges Exemplar seiner Gattung gestaltet, das mit weichem grünem Fell und menschlich wirkenden großen runden Augen eher an ein Kuscheltier denken lässt.
Eine schöne Stimmung und große Sensibilität prägt den Film, wenn er von Petes Suche nach seinem Platz in der Gesellschaft und dem Überwinden seiner Einsamkeit erzählt. Nur zum Ende hin folgt Lowery dann doch zu stark aktuell üblichen Erzählmustern. Eine große Verfolgungsjagd bestimmt das actionlastige Finale, das Kinder an ihre Sitze fesseln wird, aber doch vorhersehbar ist. Bis dahin aber hat es sich bewährt, mit Lowery einen unverbrauchten Filmemacher aus der Indie-Szene zu engagieren, der einen starken Stilwillen mitbringt und dem seine Figuren wichtig sind. Ganz gleich ob es sich dabei um Gangster, zehnjährige Jungen oder einen Drachen handelt.