Dieser Film ist ein Monstrum. Rund 170 Minuten Fäulnis und Verwesung, Schlamm und Schleim, Regen und Düsternis, ober- und unterirdische Folterhöllen, Menschen auf der Flucht, in Höhlen oder in Käfigen. Dazu keine auf den ersten Blick durchschaubare Fabel, stattdessen eine kaum beschreibbare dramaturgische Unordnung: die zerstörte Form als Ausdruck zerstörter menschlicher Regeln und Gesetze, als Signal des Fehlens jeglicher gesellschaftlicher, sozialer und familiärer Strukturen. Die Individuen sind auf sich selbst zurückgeworfen und jede Sekunde ihres Daseins mit dem nackten Überleben befasst. Aus dem Off ein Klangteppich von Satzfetzen und Schreien, von schlurfenden, schmatzenden Geräuschen, ruhelos, erbarmungslos: die Dystopie einer sich selbst zermalmenden Zivilisation.
Der polnische Regisseur Andrzej Zulawski hatte vor Jahrzehnten, ebenfalls im Gewand eines Science-Fiction-Films, eine ähnliche filmische Endzeitvision entworfen: „Der silberne Planet“, von den Warschauer Behörden zunächst gestattet, dann verstümmelt und in den Orkus des Vergessens verbannt, konfrontiert seine Zuschauer mit einem vergleichbaren orgiastischen Untergangstaumel. Es war eine Parabel fast ohne Hoffnungsschimmer, ein Sinnbild vom Ende aller Utopien. Nun verzichtet Aleksey German in „Es ist schwer, ein Gott zu sein“ sogar auf die Farbe. Sein vernebeltes Schwarz-Weiß sollte als Verfremdungs- wie Schutzeffekt gleichermaßen begriffen werden. Denn müsste man so viele verschiedene Körperflüssigkeiten, Blut und Urin und Erbrochenes und Kot, so viel durchschnittene Kehlen und aufgeschlitzte Därme wie hier auch noch auf „bunter“ Leinwand sehen, hätte das wohl nahezu jeden überfordert, der sich diesem Film auszusetzen bereit ist.
German hat mehr als 13 Jahre an „Es ist schwer, ein Gott zu sein“ gearbeitet, ihn mehrfach umgeschnitten und neu synchronisiert; doch dann starb der Filmemacher, durchaus noch nicht zufrieden mit dem Ergebnis, nach langer Krankheit im Februar 2013. Seine Witwe Swetlana und sein Sohn Aleksey German jr., inzwischen ebenfalls ein renommierter Regisseur, übernahmen die finalen Arbeiten und präsentierten das Ergebnis erstmals bei den Filmfestspielen in Rom. Von dort verbreitete sich sein Ruf: Der Schriftsteller und Philosoph Umberto Eco lobte den Film als ebenso grausam wie genial. Es blieb nicht aus, dass die internationale Kritik ihn sofort mit den Arbeiten von Andrej Tarkowski verglich. Allerdings leuchtet selbst in den dunkelsten Visionen Tarkowskis noch immer mehr Zuversicht auf als in diesem Bilderpuzzle. German gönnt innerhalb der quälenden Filmstunden kein Erlösungsversprechen, keine wie auch immer geartete Hilfs- und Heilsbotschaft. Bei ihm ist und bleibt Gott abwesend. Freilich drängt sich dem Betrachter der Gedanke auf, wie gut es wäre, es gäbe so etwas wie Erbarmen, Nächstenliebe, Vernunft. Der Film provoziert die Erkenntnis, dass es ohne dies eben nicht geht: nicht im Kleinen, nicht im Großen.
„Es ist schwer, ein Gott zu sein“ entstand nach dem gleichnamigen Roman von Arkadi und Boris Strugazki, der 1964 als Parabel auf die Verbrechen der Stalinzeit erschien und bereits 1989 von Peter Fleischmann, leider mehr illustrativ als in die Tiefe lotend, unter dem Titel „Es ist nicht leicht, ein Gott zu sein“
(fd 28 110) fürs Kino adaptiert worden war. Als Ort des Geschehens erfanden die Strugazkis einen Planeten mit erdähnlichen Bedingungen, 800 Jahre zurück, in einer Zeit vor der Renaissance. Zentrale Figur ist Don Rumata, der Leiter einer aus 30 Wissenschaftlern bestehenden Erddelegation, die den Entwicklungsstand des Planeten und seiner Bewohner erforschen soll, aber unter keinen Umständen in deren innere Prozesse eingreifen darf. Auch dann nicht, als die Universität in der Provinzhauptstadt Arkanar zerstört wird und deren Wissenschaftler – Gelehrte, Bücherfreunde, Kunsthandwerker – einer grausamen Hatz ausgesetzt sind, was in der Konsequenz nichts anderes als ein Ausbleiben der Renaissance bedeutet. Rumata, der einige dieser Verfolgten schützen will, sieht sich mit dem allmächtigen Geheimdienst konfrontiert. Er jagt und wird selbst zum Gejagten, von manchem als Gott gepriesen, von Mönchen besungen, die ihn einmal, als er rücklings auf einem Esel durch die Stadt reitet, aber auch mit Fischen bewerfen. German versagt ihm wie allen anderen Figuren die Möglichkeit zur erklärenden, andere überzeugenden Kommunikation. Sätze stehen oft beziehungslos im Raum; mit Worten dreht sich jeder nur um sich selbst oder wendet sich, manchmal, direkt in die Kamera: Verweis auf den Kunstcharakter des Vorgeführten, das absurde Spiel mit dem Schrecken, der Verzweiflung und dem Tod.
Der Film ist in langen Plansequenzen fotografiert, häufig in totalen Bildern. Nahaufnahmen wirken mit physischer Wucht auf die Zuschauer ein: Das Auge stößt sich gleichsam an aufgehängten Menschen oder aufgehängten Würsten. Totes Fleisch allerorten. Die Gesichter der Figuren, die kaum als Individuen auszumachen sind, starren häufig vor Schmutz und werden auf diese Weise anonymisiert. Letztlich bewegen sie sich alle wie unter dem Brennglas eines Insektenforschers. Und wenn es einmal heißt, „Es wird neue Mächte geben“, weiß Rumata nur zu antworten: „Dasselbe wie immer.“