Für immer jung: Von allen Künsten befeuert das Kino den Mythos der Unsterblichkeit am meisten, weil das Zelluloid die Gesichter der Schauspieler unverändert festhält und so für nachfolgende Generationen bewahrt. Das Licht der Leinwand erweckt die Stars stets aufs Neue zum Leben, ohne dass sie altern. Norma Desmond kann in Billy Wilders „Boulevard der Dämmerung“ (1950) ihre Erregung kaum verbergen, als sie ihr jugendliches Ebenbild auf der Leinwand, im heimischen Wohnzimmer aufgespannt, betrachtet: „Immer noch wundervoll, nicht wahr?“ So ist es nur konsequent, dass eine Szene von „Für immer Adaline“ in einem Indoor-Autokino spielt und auf die Illusionskraft des Films verweist: Im Kino ist alles möglich.
„Für immer Adaline“ nimmt das Thema Alterslosigkeit ernst: Es geht um Liebe und Tod, Vergänglichkeit und Sehnsucht, um Erfüllung und Erinnerung, verbunden mit einer übernatürlichen, märchenhaften Prämisse. Adaline Bowman, 29-jährige Witwe und Mutter der kleinen Flemming, kommt 1935 auf dem Weg zu ihren Eltern mit dem Auto von der schneeglatten Straße ab. Der Wagen überschlägt sich, ihr Herz setzt aus. Doch dann ein Blitz, der Adaline zu neuem Leben erweckt. Ein magischer Moment, ja sogar mehr als das: Adaline hört auf zu altern. Für immer 29, „Forever Young“. Doch sie ahnt, dass Unsterblichkeit nicht glücklich macht. Während ihre Uhr stehen blieb, rast die Zeit weiter und nimmt nahestehende Menschen mit sich. Die Welt verändert sich, doch Adaline bleibt dieselbe. Das bemerkt auch das FBI, das irgendeine Machenschaft oder medizinische Sensation wittert. Adaline flüchtet und wird fortan konsequent alle zehn Jahre Identität und Wohnort wechseln, um sich zu schützen. Nur ihre Tochter ist in das Geheimnis eingeweiht. Kurz vor ihrem 100. Geburtstag lernt Adaline den charmanten Ellis Jones kennen, der ihr trotz aller Zurückweisungen beharrlich den Hof macht. Er wäre es wert, alle Schutzmaßnahmen zu vergessen. Bis ein Wochenendbesuch bei seinen Eltern das Geheimnis zu gefährden droht.
Erzählt wird die Geschichte als Rückblende: Ein allwissender Erzähler versorgt den Zuschauer aus dem Off mit den nötigen Fakten und erklärt sogar (unnötig) mit Fachbegriffen das Einfrieren des Alterns. Adaline ist, wenn man so will, eine Frau ohne Eigenschaften. Die ewige Jugend ist ihr eher Last denn Geschenk, daran lässt Regisseur Lee Toland Krieger keinen Zweifel. Die Notwendigkeit, nicht aufzufallen, zwingt sie zur Zurückhaltung, vor allem privat. Zwei Weltkriege, Rock’n’Roll, Studentenrevolte, Frauenbewegung, Punk und Pille, Reagan und Bush – all das zieht an Adaline vorüber und lässt sie unberührt. Die wunderschöne Blake Lively gleitet darum in einer schweigsamen, rätselhaften Darstellung durch die Jahrzehnte wie eine Göttin, einzig die stets wechselnde, zeitgenössische Kleidung und das Epochen-typische Set-Design deuten Wandel und erlebte Erfahrung an. Doch spätestens mit dem Auftreten von Michiel Huisman als Ellis wird aus der Flucht durch die Zeiten eine anrührende Romanze, der man einen glücklichen Ausgang wünscht. Eine Romanze, die durch Harrison Ford als Mann aus Adalines Vergangenheit zusätzliche Wucht und tragische Erschütterung erhält. Das emotionale Zentrum des Films ist aber Adalines Beziehung zu Flemming, die irgendwann älter ist als ihre Mutter, aber – in einem wundervollen Paradox, für das es keine Auflösung gibt – trotzdem ihr Kind bleibt. Gelegentlich treffen sie sich heimlich in einem Diner, und die Fürsorge, mit der Adaline noch immer mütterlich über ihre Tochter wacht, hat etwas Ergreifendes.