Die Augen des Engels

Drama | Großbritannien/Italien/Spanien 2014 | 103 Minuten

Regie: Michael Winterbottom

Ein britischer Regisseur recherchiert in einem juristisch komplizierten Mordfall, der dem Medienspektakel um die Amerikanerin Amanda Knox nachempfunden ist, die 2007 in Perugia eine Mitbewohnerin getötet haben soll. Dafür taucht er in die Welt der Prozessberichterstatter ein und lernt die zynische Mechanik der Medienwelt kennen. Zugleich erliegt er dem Party-Leben und gerät in eine Affäre, die mit Verweisen auf Dantes Höllenfahrt fast überdeutlich akzentuiert wird. Formal spielt das Drama versiert mit der Inszenierung von Relativität und fragt, ob man mit den Mitteln des Spielfilms überhaupt Wirklichkeit erfassen kann. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
THE FACE OF AN ANGEL
Produktionsland
Großbritannien/Italien/Spanien
Produktionsjahr
2014
Produktionsfirma
Cattleya/Multitrade/Revolution Films/Vedette Films/Ypsilon Films/BBC Films
Regie
Michael Winterbottom
Buch
Paul Viragh
Kamera
Hubert Taczanowski
Musik
Harry Escott
Schnitt
Marc Richardson
Darsteller
Daniel Brühl (Thomas Lang) · Kate Beckinsale (Simone Ford) · Valerio Mastandrea (Edoardo) · Cara Delevingne (Melanie) · Ava Acres (Bea)
Länge
103 Minuten
Kinostart
21.05.2015
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
Externe Links
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Heimkino

Die Extras enthalten u.a. ein Feature mit im Film nicht verwendeten Szenen.

Verleih DVD
Concorde (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt., dts dt.)
Verleih Blu-ray
Concorde (16:9, 2.35:1, dts-HDMA engl./dt.)
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Der „Fall Amanda Knox“ aus der Sicht von Michael Winterbottom

Diskussion
Die Ermordung der britischen Studentin Meredith Kercher im November 2007 in Perugia und die Indizien-Prozesse gegen drei ihrer Kommilitonen, darunter die Amerikanerin Amanda Knox, sind noch immer ein Medienspektakel. Erst vor einigen Wochen wurde Knox endgültig freigesprochen. Da die junge Frau gut aussieht und als überdurchschnittlich intelligent gilt, erschien sie lange als kalt und berechnend – und wegen ihres sexuell libertären Verhaltens sowie mehrfachen Drogenkonsums auch noch als amoralisch. Überdies verweigerte sich Knox den Bedürfnissen der Boulevardmedien. Mit anderen Worten: Sie war ein gefundenes Fressen für diese Medien, ein Teufel mit „Engelsgesicht“, der für den überwiegenden Teil der Berichterstatter jahrelang als Täterin feststand. Bis Knox lernte, auf der Klaviatur der zur Schau gestellten Gefühle souveräner zu spielen und sich darüber die Herrschaft über ihr öffentliches Image zumindest teilweise zurückeroberte. Der britische Regisseur Michael Winterbottom greift in „Die Augen des Engels“ diesen Fall auf. Gedreht wurde in Siena, die Namen der Protagonisten sind aus Gründen des Persönlichkeitsrechtes verändert, doch der Bezug ist eindeutig. Zudem hat der Regisseur dem Film der toten Kercher gewidmet. Damit geht er über den Gemeinplatz hinaus, dass „die Opfer nicht vergessen werden sollten“, denn explizit interessiert er sich kaum für die Schicksale der Angeklagten, von denen zumindest ein bis zwei auch Opfer sind –Spielmaterial einer schlecht funktionierenden Justiz und einer Medienmaschine, denen es in erster Linie nicht um Fakten oder Aufklärung zu tun ist. Damit aber schwächt er selbst das Hauptargument seines Films: Die Frage, wie und wo Wahrheit und Aufklärung unter den Bedingungen einer modernen, von Hysterie und Paranoia geprägten Mediengesellschaft noch möglich sind, in der Fakten allzu schnell moralisiert werden und die öffentliche Performance allemal wichtiger erscheint als Individualität und Schuld. Der Film erzählt von dieser Medienwelt. Der Mordfall ist auch hier primär nur Kulisse für die Inszenierung von Relativität. Die Handlung kreist um einen jungen Filmregisseur, der für einen Spielfilm recherchiert und daher eine Weile in die Welt der Prozessberichterstatter eintaucht. Dort begegnet er verschiedenen Typen, abgebrühten Zynikern, sensibleren Geistern, einer investigativ arbeitenden Justizkritikerin und einem Blogger, der anscheinend mehr weiß als andere, sich aber in Verschwörungstheorien verstrickt. Unschwer zu erkennen ist, wie die Journalisten selbst zu Gefangenen des von ihnen geschaffenen Diskurses werden. All dies bietet eine nicht übermäßig originelle, aber doch plausible Charakteristik der modernen Medienwelt. Gleichzeitig aber geht es Winterbottom auch um etwas Autobiografisches: Um die Schwierigkeit, ja Unmöglichkeit für einen Regisseur, mit den Mitteln des Spielfilms die Wirklichkeit zu erfassen. Denn der Regisseur heißt nicht zufällig Thomas, genauso wie der ungläubige Apostel, der gegenüber dem Diskurs auf Empirie beharrt. Winterbottoms Filmemacher lässt sich verführen, erliegt dem Partyleben der Studentenstadt, konsumiert immer mehr Drogen, hat eine Affäre mit einer Kollegin und fühlt sich zugleich zu einer jungen Studentin hingezogen. Da er in den Werken Dantes liest, fließen Verweise zur „Höllenfahrt“, dem reinigenden Purgatorium und der unschuldig-reinen Frau als Führerin des wissensdurstigen, zwischen Neugier und Skepsis zerrissenen Mannes, beinahe überdeutlich ein. Auf diese Weise erscheint der Film selbst zwischen seinen Themen und Interessen zerrissen, andererseits aber gerade in dieser Vielfalt reizvoll. Formal ist „Die Augen des Engels“ ein typischer Winterbottom-Film: Die Perspektive schweift, flaniert, verweigert sich dem Wunsch nach Objektivität. Die Bilder flirren mitunter überbelichtet, illustrieren auch Rückblicke und Fantasien, der Schnitt ist gelegentlich abgehackt und betont bewusst den Eindruck des Brüchigen, Willkürlichen. Eine subjektive Handkamera verstärkt den Perspektivismus, Tagträume verwirren nicht nur die Hauptfigur. Unterm Strich eine anregende Betrachtung über den Medienzirkus, die Kunst und die Relativität der Wahrheit, die ihrerseits selbst im Relativismus gefangen bleibt. Aber wo steht geschrieben, dass der Blick in die Welt einen notwendig schlauer macht? Wie immer sind Winterbottoms Fragen und Anregungen ein Nachdenken wert.
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