Drama | USA 2014 | 135 Minuten

Regie: Bennett Miller

Der US-Ringer Mark Schultz lässt sich Mitte der 1980er-Jahre von einem der reichsten Männer der USA einladen, auf dessen Anwesen für die Olympischen Spiele 1988 in Seoul zu trainieren. Die räumliche, mitunter auch körperliche Nähe zum Mentor und dessen Psychospiele und Intrigen treiben den jungen Mann immer mehr in die Isolation, die in eine Katastrophe mündet. In den Hauptrollen außergewöhnlich gespieltes Psychodrama, das dem Sport des Ringens eine metaphorische Bedeutung – das Ringen um Liebe und Respekt – zuerkennt. Mindestens ebenso wichtig ist die Beziehung von Mark Schultz zu seinem Bruder Dave, die von Neid und Konkurrenz, aber auch Loyalität geprägt ist. - Sehenswert ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
FOXCATCHER
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2014
Produktionsfirma
Annapurna Pic./Likely Stry/Media Rights Capital
Regie
Bennett Miller
Buch
E. Max Frye · Dan Futterman
Kamera
Greig Fraser
Musik
Mychael Danna · Rob Simonsen
Schnitt
Jay Cassidy · Stuart Levy · Conor O'Neill
Darsteller
Channing Tatum (Mark Schultz) · Mark Ruffalo (David Schultz) · Steve Carell (John du Pont) · Vanessa Redgrave (Jean du Pont) · Sienna Miller (Nancy Schultz)
Länge
135 Minuten
Kinostart
05.02.2015
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Drama
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Die Extras enthalten u.a. ein Feature mit im Film nicht verwendeten Szenen (5 Min.).

Verleih DVD
Koch (16:9, 1.85:1, DD5.1 engl./dt., dts dt.)
Verleih Blu-ray
Koch (16:9, 1.85:1, dts-HDMA engl./dt.)
DVD kaufen

Exzellentes Drama um US-Ringer

Diskussion
Wer im westfälischen Hamm geboren und aufgewachsen ist, kennt das große, weiße Werksgelände von DuPont im Stadtteil Uentrop. Hier werden technische Kunststoffe, Verbundglas-Folien und Polyesterfasern hergestellt. Von der Vergangenheit der Industriellenfamilie, die ihr Vermögen mit Waffen und Schießpulver während des amerikanischen Bürgerkrieges machte, weiß kaum jemand. Auch von der Tragödie, die sich im Januar 1996 auf dem luxuriösen Anwesen der DuPonts in Pennsylvania abspielte, hörte man in Deutschland kaum etwas. Mit Bennett Millers beklemmendem Drama kommt nun aber ein Film in die Kinos, der eine wahre, wenngleich unglaubliche Geschichte erzählt, also Authentizität mit Absurdität verbindet. Es ist zudem eine gute Geschichte, die mit gegensätzlichen Charakteren und griffigen Konflikten für einen filmischen Erzählstoff wie geschaffen ist. Zunächst lernt man Mark Schultz kennen, einen US-amerikanischen Ringer, der 1984 bei den Olympischen Spielen in Los Angeles eine Goldmedaille gewann. Drei Jahre später hält er vor einer Schulklasse seine Medaille hoch und erzählt den Kindern von der Ehre, als Ringer für sein Land zu kämpfen. Mark ist kein Mann des Wortes; seine Rede geht nur stockend voran. Später sitzt er allein in seinem Auto und verschlingt einen Burger; am Abend schlürft er in seinem spärlich eingerichteten Appartement einsam eine Nudelsuppe. Die Inszenierung isoliert den Ringer von Beginn an, sowohl visuell als auch erzählerisch. Channing Tatum, in Filmen wie „G.I. Joe“ (fd 39 430) noch der ungebrochene Actionheld, spielt diese zutiefst verletzte Figur mit vorgeschobenem Kinn, unbewegten Augen und dümmlich wirkenden Gesichtszügen; sein muskelbepackter Körper zwingt ihn zu einem schweren, unbeholfenen Gang. Die existentielle Krise ist dieser Figur schon von weitem anzusehen. Eines Tages wird Mark von John E. DuPont, einem der reichsten Männer der USA, eingeladen, auf seinem luxuriösen Anwesen in Newton Square, Pennsylvania, für die Olympischen Spiele 1988 in Seoul zu trainieren. DuPont hat hier ein Trainingszentrum namens Foxcatcher für das US-Ringer-Team eingerichtet, mit allem, was dazu gehört. Unter seiner Schirmherrschaft, so die Hoffnung, soll Amerika wieder olympischen Ruhm ernten – sehr zum Unwillen seiner Mutter, die Ringen als niedere Sportart abtut. DuPont ist ein Eigenbrötler, der seine mangelnden sozialen Fähigkeiten durch ungewöhnliche Interessen kompensiert: ein Ornithologe und Philanthrop, ein Waffennarr und Sportfan, ein Muschel- und Briefmarkensammler. Und weil er es sich leisten kann, sammelt er auch Menschen. Steve Carells körperliche Verwandlung in den Multimilliardär hat etwas zutiefst Verstörendes: das Gesicht zur Maske erstarrt, die Nase ein entstellender Zinken, die Sprechweise abgehackt und monoton – keine lächerliche, sondern eine groteske Figur, von der eine beständige Bedrohung ausgeht. Dafür wurde Carell gerade für den „Oscar“ nominiert, ebenso wie das Makeup. Mark sagt zu und zieht auf die Farm, im Gegensatz zu seinem Bruder Dave (Mark Ruffalo), der ebenfalls ein hervorragender Ringer ist, aber mit festem Beruf, einer liebevollen Frau, zwei kleinen Kindern ein anderes, geselligeres Leben führt. Mark erliegt zunächst den Verlockungen des unermesslichen Reichtums und dem fast religiösen Mix aus Patriotismus, Väterlichkeit und Sportsgeist. Doch die örtliche, mitunter auch körperliche Nähe zu seinem Mentor, die Psychospiele und Intrigen, die Strafen und das Kokain treiben den jungen Mann immer mehr in die Isolation. Auch Dave, der ihm inzwischen nachgereist ist, um das „Team Foxcatcher“ zu leiten, kann ihn daraus nicht mehr befreien. Regisseur Bennett Miller hatte bereits mit „Moneyball“ (fd 40 895) die Genrekonventionen des Sportlerfilms erweitert. In beiden Filmen geht es nicht um die spannungsbetonte Darstellung von Sieg und Niederlage, Rückschlägen und Comeback. Miller stellt vielmehr die metaphorische Bedeutung des Ringens heraus, das immer auch ein Ringen um Liebe und Respekt ist; es geht um eine pervertierte Mentor-Schüler-Beziehung, um Neid, Konkurrenz und Loyalität zwischen Brüdern. Die Szenen mit Mark und Dave gehören deshalb zu den besten des Films. Gleich zu Beginn trainieren beide miteinander, in einer Mischung aus zärtlicher Verbundenheit und unverhohlener Aggressivität. Ein Moment selten gezeigter intimer Nähe zwischen Männern, deren Körper und Begierden sich ineinander verschlingen. Und mit einem Mal wird auch klar, was John DuPont am Ringen gereizt hat. Ein Reiz, den er sich nie einzugestehen wagte.
Kommentar verfassen

Kommentieren