Dokumentarfilm über Magdalena Kopp (geb. 1948), die in den 1970er-Jahren Mitglieder der Revolutionären Zellen und Ehefrau des Top-Terroristen Carlos war. Der wenig kritische Film lässt mit vagen Erklärungen mehr Fragen offen als dass er sie beantwortet. Wirklich interessant wird der Film erst, als Rosa, Kopps gemeinsame Tochter mit Carlos, in die Geschichte tritt: Das komplizierte Geflecht von offizieller und persönlicher Historie, von Erinnerung, Wunsch und Fiktion wird nun erstmals in seiner Unauflösbarkeit sichtbar; auch treten die Widersprüche zwischen persönlicher und politischer Historie, Erinnerungs- und Wunschbericht zu Tage.
- Ab 16.
In the Darkroom
Dokumentarfilm | Deutschland/Finnland/Israel 2012 | 91 Minuten
Regie: Nadav Schirman
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Filmdaten
- Originaltitel
- IN THE DARKROOM
- Produktionsland
- Deutschland/Finnland/Israel
- Produktionsjahr
- 2012
- Produktionsfirma
- Pandora Filmprod./July August Prod./First Floor Prod./HiFilm/Palomar/FSL Filmprod./YLE TV 2 Dokumenttiprojekti/ZDF-ARTE/yes Docu
- Regie
- Nadav Schirman
- Buch
- Nadav Schirman
- Kamera
- Tuomo Hutri
- Musik
- Lasse Enersen
- Schnitt
- Joel Alexis
- Länge
- 91 Minuten
- Kinostart
- 26.09.2013
- Fsk
- ab 12; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Diskussion
Die Vergangenheit haftet an Magdalena Kopp. Sie hat sich eingeschrieben in ihre erschöpften Gesichtszüge, in die Augen und die etwas tonlose Stimme. Wie eingepanzert sitzt sie in dem dramatisch inszenierten Setting einer Dunkelkammer, das ihr Regisseur Nadav Schirman eingerichtet hat. Beleuchtet von Rotlicht und umgeben von den Phantomen der eigenen Geschichte, die im Entwicklerbad zum Leben erweckt werden, ringt sich Kopp mühsam jedes Wort ab.
Die Dunkelkammer, die hier auch als Symbol eines Psychogramms fungiert, ist für Kopp ein vertrauter Ort: als Fotografin war sie innerhalb der linksradikalen Revolutionären Zellen (RZ) für das Fälschen von Pässen zuständig. Als sie in London eine Fälscherwerkstatt einrichtete, begegnete sie erstmals Ilich Ramírez Sánchez. Plump und aufdringlich sei er gewesen, erinnert sich Kopp. Als sie ihn das nächste Mal traf, war er Carlos, der Schakal: der meistgesuchte Terrorist der Welt und ein internationaler Medienstar. Wenig später wurde sie seine Geliebte.
Magdalena Kopp lebte 13 Jahre an der Seite von Carlos. In seinem Auftrag transportierte sie Sprengstoff in einem Auto durch Paris (für einen Anschlag auf ein anti-syrisches Magazin), wofür sie zu vier Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Carlos antwortete mit sinnlosem Terror. Trotzdem folgte sie ihm nach Damaskus und gründete mit ihm eine Familie. Kopp wurde Zeugin seiner zunehmenden Isolation und politischen Bedeutungslosigkeit – und seiner wachsenden Paranoia. Erst nachdem Carlos 1994 im Sudan verhaftet wurde, gelang ihr der Bruch.
Kopp erzählt: von der Enge des erzkonservativen, kulturfremden Elternhauses in Neu-Ulm, von der Studentenbewegung in Frankfurt, von der ersten großen Liebe, dem „Michl“ und dessen Engagement für den linken Verlag Roter Stern. Mitte der 1970er-Jahre verließ sie ihre erste Tochter und ging mit Johannes Weinrich in den Untergrund. Ihre Involvierung in die illegalen Aktivitäten erklärt sie mit Solidarität. Sie sagt auch: „Man muss nicht immer alles wissen“.
Kopps Erklärungen für ihren radikalen Lebensweg sind so verkürzt wie unbefriedigend: Sie habe sich treiben und verführen lassen, ihre Entscheidungen seien die Entscheidungen der anderen gewesen. Schon einmal ist Kopp mit dieser Version an die Öffentlichkeit gegangen, in dem autobiografischen Buch „Die Terrorjahre“. Umso mehr erstaunt es, dass der Film Kopp diese Geschichte noch einmal unwidersprochen erzählen lässt. Nadav Schirman hakt nicht nach, seine Fragen sind weder herausfordernd noch kritisch; viel zu schnell gibt er sich mit Kopps Antworten zufrieden. Sie leidet, das ist offensichtlich, aber richtig unbequem macht es ihr der Film nie.
Gerade im ersten Teil bleibt „In the Darkroom“ unspezifisch; ein präziser Blick auf eine „politische“ Biografie sieht anders aus. Immerhin werden Kopps Aussagen mit denen ihrer ehemaligen Weggefährten konfrontiert: Gerd Schnepel bezeichnet sie als eine „brave Arbeiterin der Revolution“, Hans-Joachim Klein hat für sie nur den Namen „Madame Grimm“ übrig.
Die Beziehung zu Carlos bleibt ein blinder Fleck. Es sei keine Liebesgeschichte gewesen, sagt Kopp und gibt der Verbindung den Anschein eines reinen Unterwerfungsszenarios. Der französische Regisseur Olivier Assayas hat ihr in „ Carlos – Der Schakal“ (fd 40 131) eine weitaus emanzipiertere Rolle zugeschrieben – als eine Frau, die ihr eigenes Begehren durchaus zu formulieren wusste.
Wirklich interessant wird der Film erst, als Rosa, Kopps gemeinsame Tochter mit Carlos, in die Geschichte tritt. Seit ihrem fünften Lebensjahr hat Rosa ihren Vater nicht mehr gesehen; er ist für sie eine mediale Figur, abstrakt und ungreifbar. Das komplizierte Geflecht von offizieller und persönlicher Historie, von Erinnerung, Wunsch und Fiktion wird hier erstmals in seiner Unauflösbarkeit sichtbar. Rosa besucht Klein in Frankreich; in Israel trifft sie auf den ehemals militanten palästinensischen Aktivisten Bassam Abu Sharif, der Carlos als Freiheitskämpfer stilisiert und Rosa in einem schwer erträglichen Akt der Vereinnahmung ein Palästinensertuch um den Hals hängt. Während des Berufungsverfahrens gegen den bereits zu lebenslanger Haft verurteilten Vaters kommt es im Frühjahr 2013 schließlich zu einer Begegnung im Pariser Gefängnis.
„In the Darkroom“ kippt hier ins Format des „Reality TV“, wenn Rosas Bericht über den Besuch in Form eines Telefonats mit Kopp übermittelt wird. Die Szene offenbart dennoch das ganze Drama der Tochter. Sie erzählt, dass Carlos ihr am Ende des Besuchs einen Waschlappen schenkte, den Kopp ihm bei ihrem Abschied in Syrien in die Hand gedrückt habe. Kopp kann sich nicht erinnern, aus ihrer Stimme klingt Ungläubigkeit. Nach dem Telefonat hält Rosa den Lappen ratlos in den Händen, bevor sie in Tränen ausbricht. „Ich will, dass diese Geschichte jetzt wahr ist.“
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