Ein Kind stirbt, zwei Erwachsene bleiben zurück. Im Gegensatz zu den vielen „Krebs“-Filmen, die in den letzten Jahren ins Kino kamen, konzentriert sich Felix van Groeningen nicht auf den Abschied und den schweren Weg dorthin. Ihn interessiert vielmehr das „danach“, der Schmerz eines Paares, dem plötzlich nicht mehr das Inbild ihrer Liebe zwischen den Beinen herumhüpft. Ein Beziehungs-, kein Familiendrama entwickelt sich hier, das früh in eine Zeit zurückspringt, in der Maybelle noch nicht einmal ein Gedanke war.
Didier heißt der Mann, der Amerika vergöttert, die Freiheit, die Weite und die Musik – Country Musik und Blue Grass. Auf der Bühne seines belgischen Heimatortes singt und zupft er sein Banjo mit Inbrunst. Bei einem solchen Auftritt verliebt sich Elise in den bärtigen Mann, der tagsüber in ihrem Tattoo-Shop stand, wie ein Bär aussieht und sie zu dem Konzert einlud. Ist er hier noch still und zartbesaitet, kann Didier gar nicht mehr aufhören zu reden, als ihm Maybelle genommen wird, weil er sonst wahnsinnig würde. Elise hingegen ist eine optisch extrem ungewöhnliche Figur. Ihr Körper ist von Rockabilly-Outfits und Tattoos bedeckt, die sie an alle wichtigen Stationen ihres Lebens erinnern, ihr Kopf lässt sie machen, was sie will. Eine wilde, ungebundene Frau, deren Impulsivität Didier fasziniert, die ihm und der Beziehung später aber auch immens zusetzen wird.
Dieses alternative Paar mit den starken Abspaltungs-Impulsen wird Maybelle zeugen, ein abgeschiedenes Haus für die Kleinfamilie ausbauen und nach sechs Jahren von einem Schicksalsschlag getroffen werden, der sich nicht darum schert, wie stark die Betroffenen die Gesellschaft meiden. Als Maybelle weg ist, prallen Didiers Atheismus und sein Wille, einfach weiterzumachen, auf Elises hilflose Versuche, sich an irgendetwas festzuhalten, und letztlich auch auf Vorwürfe, die so unfair und doch genauso schwer von der Hand zu weisen sind wie Maybelles Erkrankung.
„The Broken Circle Breakdown“ heißt das gleichnamige Theaterstück, auf dem van Groeningens Film fußt. Er erzählt nicht nur von einem Kreis der Liebsten, der einen gefährlichen Bruch bis zum Zusammenbruch erfährt – auch der Handlungsverlauf wirkt empfindlich angeknackst. Hin und her, zwischen den Zuständen „vor“, „mit“ und „nach“ Maybelle springt die Geschichte von Didier und Elise, die die ständig über dem Film hängende Frage aushalten müssen, ob eine Liebe in schlechten Zeiten zusammenschweißt oder die Liebenden dazu bringt, sich gegenseitig in den Abgrund zu reißen. Während sich Glück und Unglück in Belgien entfalten, läuft im Hintergrund immer wieder der Fernseher mit aufgeladenen Bildern von der anderen Seite des Atlantiks: die einstürzenden Twin-Towers oder George W. Bushs Veto gegen die embryonale Stammzellenforschung, die Maybelle, wäre sie nur weiter fortgeschritten, vielleicht das Leben gerettet hätte.
Van Groeningen lässt den Film dabei nicht im melodramatischen Abgrund versinken. Immer wieder glimmt Hoffnung auf, wenn sich Elise zur treibenden Musik der gemeinsamen Bühnenauftritte mit Didier ihren Schmerz von der Seele singt, während die Sprünge in frühere Zeiten des Glücks dem Stoff die Schwere nehmen. Das sorgt bisweilen für Distanz zum Gesehenen, für ein Gefühlswirrwarr, bei dem man sich fragt, ob man sich über diese frische Liebe freuen soll oder ob es diese besser gar nicht gegeben hätte, weiß man doch um ihr tragisches Resultat. Das ist der interessante Moment, die paradoxe Wirkung eines Films, der sich trotz all seiner intensiven Momente zwar der Sentimentalität verweigert, dann aber auf manch inszenatorisches Klischee zurückgreift, um mitten ins Herz zu treffen. Mit den wechselnden Tonfällen versucht die Inszenierung erzählerisch die Quadratur des angeknacksten Kreises – scheitert daran aber letztendlich, wenn der Film durch eine finale tragische Wendung doch noch den Konventionen der Melodramatik erliegt.