Friede, Freude, Eierkuchen: Allen sozialen Spannungen und Straßenkämpfen zum Trotz sind sie „ziemlich beste Freunde“, das französische Besitzbürgertum und das Prekariat mit Migrationshintergrund. Zumindest im Kino. 2010 demonstrierten dies die spanischen Putzfrauen aus der sechsten Etage, die in Philippe Le Guays „Nur für Personal“
(fd 40 712) den Bourgeois Fabrice Luchini mit ihrer „Lebensfreude“ ansteckten. 2011 feierte mit „Ziemlich beste Freunde“ in Frankreich ein Film phänomenale Kinoerfolge, der die Freundschaft zwischen einem gelähmten Großbürger und seinem vorbestraften Beur-Pfleger hochleben lässt. Dies so charmant, dass man wie bei Le Guay fast vergessen könnte, sich darüber zu ärgern, welche weltfremden ethnischen und sozialen Klischees dabei unreflektiert bedient werden. Aber auch nur fast.
Die Exposition tritt im wahren Wortsinn aufs Gas: Philippe, reich, kultiviert, seit einem Unfall an den Rollstuhl gefesselt, und Driss, sein farbiger Pfleger und Chauffeur, liefern sich in Philippes Wagen eine rasante Verfolgungsjagd mit der Polizei und haben dabei jede Menge Spaß. Wie es zu dieser übermütigen Buddy-Nummer kommt, wird mit dem Film erläutert, der die Geschichte dieser ungleichen Freundschaft nachvollzieht. Eigentlich bewirbt sich Driss nur deswegen darum, einen behinderten Reichen zu pflegen, weil das Arbeitsamt ihn zwingt, regelmäßig auf Jobsuche zu gehen. Dass er keinen Wert auf die Stelle legt und sich nicht bemüht, sich bei seinem potenziellen Arbeitgeber einzuschleimen, erweist sich als die entscheidende Qualifikation: Philippe, genervt von Leuten, die ihn wie ein rohes Ei behandeln, ist von Driss’ unverklemmter Dreistigkeit angezogen und lässt ihn als neuen Pfleger in sein elegantes Stadtpalais. An die Aufgaben, die mit der Versorgung eines vom Hals an abwärts Gelähmten einher gehen, muss sich der junge Mann zwar erst gewöhnen und dabei manche Hemmschwelle überwinden. Doch allmählich macht sich der gutgelaunte Helfer allen anfänglichen Tritten ins Fettnäpfchen zum Trotz nicht nur bei Philippes Sekretärin, seiner Hausdame und seiner Tochter beliebt, sondern auch bei seinem Dienstherrn, den er Stück für Stück aus seiner Verbitterung lockt.
Die sympathischen Hauptdarsteller François Cluzet und Omar Sy schlagen sich exzellent und füllen ihre Figuren mit Leben; das Drehbuch gibt ihnen mit pfiffigen Dialogen gute Vorlagen zu Szenen, die mal humor-, mal gefühlvoll die wachsende Zuneigung der beiden beleuchten. Den Regisseuren geht es dabei nicht um eine Freundschaft, die trotz, sondern gerade wegen der Gegensätze der beiden entsteht. Dass kulturelle und soziale Differenz nicht Angst und Hass provozieren muss, sondern neugierig machen sollte auf das gegenseitige Voneinander-Lernen, ist die schöne Botschaft des Films – ein cineastisches Pflaster sozusagen über den realen Wunden, die sich immer unübersehbarer in der französischen Gesellschaft auftun. Dies unbeschwert und heiter-gefühlig auf die Leinwand zu bringen, gelingt allerdings nur auf Kosten jeder Glaubwürdigkeit, auch wenn sich die Filmemacher auf ein reales Vorbild berufen können. Dass die Unterschiede, die sich zwischen dem Großbürger und seinem farbigen Unterschichts-Angestellten auftun, dramaturgisch auf Dinge wie den Kunst- und Musikgeschmack herunter gerechnet werden (hier gediegene Klassik, dort „Earth, Wind and Fire“), lässt sich filmisch flott umsetzen. Es ist aber ebenso naiv wie der Umgang mit den jeweiligen Handicaps der Protagonisten: Von dem behaupteten Leid und der daraus resultierenden Grantigkeit Philippes mutet einem der Film so wenig zu wie von der Verantwortungslosigkeit und Antriebslosigkeit, die Driss zu Beginn attestiert werden. Schattenseiten will der Film seinen Helden nicht zugestehen. Statt die Probleme, die hier gutmenschlich thematisiert werden, ernst zu nehmen, sentimentalisiert er sie im Dienst eines netten, aber oberflächlichen Feel-Good-Movie.