Drei Siedler-Familien lassen sich auf der Suche nach einer neuen Heimat von einem Trapper westwärts führen, doch eine Abkürzung erweist sich als Irrweg, und in der dürren Steppe wird das Wasser knapp. Als die Siedler einen Indianer gefangen nehmen, stellt sich die Frage, ob sie mit ihm kooperieren oder ihn als gefährlichen "Wilden" behandeln. Eine meditative, poetisch-realistische Reflexion über die Konfrontation von Menschen mit einer lebensfeindlich-fremden Umwelt und die Gruppendynamik, die daraus entsteht. Jenseits seiner Western-Dramaturgie lebt der Film vom sinnlichen "Abtauchen" in den Alltag der Siedler und den Spannungen zwischen den Charakteren. (SIGNIS-Preis Venedig 2010)
- Sehenswert ab 16.
Meek's Cutoff
Western | USA 2010 | 104 Minuten
Regie: Kelly Reichardt
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Filmdaten
- Originaltitel
- MEEK'S CUTOFF
- Produktionsland
- USA
- Produktionsjahr
- 2010
- Produktionsfirma
- Evenstar Films/Film Science/Harmony Prod./Primitive Nerd
- Regie
- Kelly Reichardt
- Buch
- Jonathan Raymond
- Kamera
- Chris Blauvelt
- Musik
- Jeff Grace
- Schnitt
- Kelly Reichardt
- Darsteller
- Michelle Williams (Emily Tetherow) · Bruce Greenwood (Stephen Meek) · Will Patton (Soloman Tetherow) · Zoe Kazan (Millie Gately) · Paul Dano (Thomas Gately)
- Länge
- 104 Minuten
- Kinostart
- 10.11.2011
- Fsk
- ab 6; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 16.
- Genre
- Western
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Heimkino
Diskussion
Die Bilder, die Kelly Reichardt vom „Wilden Westen“ entwirft, irritieren. Seit seiner Etablierung hat sich das Scope-Format als Bildsprache für jenes Genre profiliert, in dem es um Bewegung im Raum, um die Landnahme und den Kampf um die „Frontier“ zwischen Wildnis und Zivilisation geht; Reichardt jedoch sperrt die Prärie und die Menschen, die sie durchmessen, in enge 4:3-Einstellungen. Außerdem bremst die Kamera Bewegungsimpulse konsequent aus: Sie bleibt meist statisch bzw. bewegt sich nur dann, wenn es gilt, eine Bewegung vor der Kamera durch die eigene zu neutralisieren, indem etwa vor oder neben einem Reiter zu Pferde oder einem rollenden Planwagen in gleichem Tempo mitgefahren wird. Während es im klassischen Western um die heroische Eroberung eines Landes der „unbegrenzten Möglichkeiten“ geht, deuten bei Reichardt schon die ersten Bilder an, dass diese Grenzenlosigkeit ihre eigenen Zwänge hat. Zwar ist der weite, bisher unbesiedelte Naturraum auch hier der Ort der Handlung – die Protagonisten befinden sich auf der Reise Richtung Westen durch eine unbesiedelte Steppenlandschaft –, doch viel Spielraum bleibt den Figuren nicht angesichts der existenziellen Notsituation, in der sie sich bald befinden: Der Trapper Meek, den der kleine, aus drei Familien bestehende Treck angeheuert hat, um die Siedler in eine neue Heimat zu geleiten, hat den Oregon Trail zugunsten einer Abkürzung verlassen, die sich als Irrweg herausstellt. In der dürren Landschaft geht der Gruppe allmählich das Wasser aus. Das Misstrauen gegenüber der Redlichkeit oder aber der Kompetenz Meeks schwindet mit jedem Tag. Als den Siedlern ein Indianer in die Hände fällt, der ihnen gefolgt ist, bleiben zwei Alternativen: Soll man mit dem „Wilden“ kooperieren und sich seiner Führung anvertrauen, auf das Risiko hin, dann irgendwo ohne Skalp zu enden? Oder folgt man weiterhin dem auch nicht sehr vertrauenserweckenden Meek?
Eng sind nicht nur die Bildausschnitte, eng ist auch das Weltbild der Figuren: Die Konfrontation mit dem Fremden, der eine unbekannte Sprache spricht und halbnackt herumläuft, überfordert die Siedler vollkommen. Nur die Hauptfigur, eine junge Frau, zeigt sich bereit, nach einer Form der Verständigung zu suchen – und dabei nicht nur die Vorurteile der Siedler gegenüber dem Indianer zu transzendieren, sondern auch ihre Rolle als Frau, die bei Entscheidungen eigentlich nicht mitzureden hat. Bereits in ihren Filmen „River of Grass“ und „Wendy und Lucy“ (fd 39 542) hat sich Regisseurin Kelly Reichardt mit Figuren „on the road“ beschäftigt, die in den USA unterwegs sind, um irgendwo ein besseres Leben zu finden, aber unterwegs in materielle Zwangslagen geraten: Der amerikanische Traum, des eigenen Glückes Schmied zu sein, verpufft in Reichardts Filmen angesichts der schieren Mühsal, sich überhaupt ernähren und durchschlagen zu können. Von Aufbruchsstimmung und Abenteuerlust ist in Reichardts Siedler-Geschichte nichts zu sehen; stattdessen wird gezeigt, wie sich die Familien abmühen, eine gebrochene Achse an einem Wagen zu reparieren, wie lange Tagesmärsche bei glühender Sonne absolviert werden, wie Holz geholt und Essen zubereitet wird.
Der Stil ist wie in Reichardts vorherigen Arbeiten meditativ, poetisch-realistisch: Er verweigert sich jedem Aktionismus und dramaturgischem Regelwerk und lässt einen stattdessen ganz in eine fremde Lebenswelt eintauchen. Außer dass „Meek’s Cutoff“ im US-amerikanischen Westen zu Zeiten der Landnahme spielt und den Konflikt mit den Indianern thematisiert, hat er nur wenig mit den Konventionen des Western-Genres gemein. Trotzdem lassen sich gewisse Parallelen zu den Klassikern John Fords ausmachen: Wie in „Ringo“ („Stagecoach“, fd 12 163) oder „Westlich St. Louis“ („Wagonmaster“, fd 14 146) lebt auch Reichardts Film wesentlich von der Spannung zwischen den Menschen sowie der zivilisationsfernen, gefährlichen Landschaft und der sich verschärfenden Spannung innerhalb der Reisegruppe, deren Mitglieder in diesem bedrohlichen Naturraum aufeinander angewiesen sind, aber wegen diverser Vorurteile und Unterschiede nicht am selben Strang ziehen. Die stilistische Herangehensweise an diesen Stoff ist ganz individuell und profiliert in ihrer Klarheit und Konsequenz die Regisseurin erneut als eine der interessantesten Figuren des gegenwärtigen US-Autorenkinos.
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