Drama | USA 2010 | 87 Minuten

Regie: Matt Porterfield

Ein junger Junkie stirbt an einer Überdosis Heroin. Der mit Laiendarstellern inszenierte Film beobachtet Freunde und Bekannte am Tag der Beerdigung sowie am Tag zuvor, befragt sie über ihr Verhältnis zu dem Toten und über ihre eigene Biografie. Oszillierend zwischen Dokumentation und Fiktion spürt er dabei dem Lebensgefühl der Teens und Twens am Rand von Baltimore nach. Die Orte spiegeln die Befindlichkeiten der Figuren, deren Leben wie ausgebremst erscheint und denen sich kaum eine Perspektive eröffnet. (O.m.d.U.) - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
PUTTY HILL
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2010
Produktionsfirma
Hamilton Film Group/Vox3/Putty Hill
Regie
Matt Porterfield
Buch
Matt Porterfield
Kamera
Jeremy Saulnier
Schnitt
Marc Vives
Darsteller
Sky Ferrreira (Jenny) · Zoe Vance (Zoe) · James Biebor jr. · Dustin Ray · Cody Ray (Cody)
Länge
87 Minuten
Kinostart
29.09.2011
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
Externe Links
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Heimkino

Die DVD enthält neben "Putty Hill" noch Matt Potterfields Film "Hamilton".

Verleih DVD
Filmgalerie451 (16:9, 1.78:1, DD2.0 engl.)
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Eine Matratze, ein Stück Stoff vor dem Fenster, leere Flaschen, ein Aschenbecher: ein verlassenes Zimmer, das von einem erzählt, der nicht mehr da ist. Der aber auch schon lange vor seinem Tod mehr abwesend war, als dass er am Leben teilnahm. Es sind die Spuren von Cory, einem 24-jähriger Junkie, der an einer Überdosis Heroin starb. „Putty Hill“ erzählt vom Tag der Beerdigung und dem Tag davor. Freunde und Familienmitglieder versammeln sich und driften auseinander, hängen zusammen ab, reden, schweigen oder schreien sich an. „Putty Hill“ bewegt sich im permanenten Schwebezustand – zwischen Fiktion und Dokumentation, ortspezifischer Genauigkeit und Leerstelle. Auch die Figuren sind von diesem „Dazwischen“ infiziert, schwanken zwischen Betroffenheit und Taubheit. Der Film spielt irgendwo am Rande von Baltimore; Regisseur Matt Porterfield ist dort aufgewachsen und nimmt als allgegenwärtiger, aber unsichtbarer Beobachter eine aktive Rolle in dem Film ein. So wendet sich die Inszenierung eines Paintballspiels, bei dem eine Gruppe von Jugendlichen mit mächtigen Helmen den Wald zum Kriegsschauplatz macht, z.B. plötzlich ins Dokumentarische und eine Stimme aus dem Off schaltet sich ein. Sie befragt die Teenager nach ihrem Verhältnis zu Cory und über ihre eigene Biografie. Doch was allmählich Kontur annimmt, ist weniger ein Bild des Toten, der bis zuletzt eine Art Schatten bleibt. Vielmehr entsteht ein Porträt des Ortes und seiner Bewohner: perspektivlose Jugendliche, deren Teenagerzeit sich bis in die Zwanziger Jahre ausdehnt, Angehörige einer verarmten Arbeiterklasse und randständige Existenzen: Ein Ex-Knacki erzählt unter dem Lärm seines Tätowiergeräts minutenlang von seiner Vergangenheit und was ihn ins Gefängnis geführt hat. Ein junger Mann, der mit Kleidern in einem trüben Swimmingpool steht, äußert sich nur ausweichend über seinen Beruf („selbständig“). Eine Gruppe von Mädchen trifft bei einem Streifzug durch den Wald auf zwei bewaffnete Männer in Cargo-Shorts und Weste, die einem Bankräuber hinterher jagen. Jugendliche beim Baden im Fluss, scheinbar gelöst und doch wie ausgebremst. Porterfield betreibt mit seinem in nur 12 Wochen mit Laiendarstellern gedrehten Film, der den Begriff „Independentkino“ wieder mit Bedeutung füllt, keine Milieustudie im sozialdokumentarischen Sinn. Stattdessen verfolgt er einen beeindruckend eigenwilligen Realismusbegriff, der permanent und ohne sich festzulegen zwischen dem authentischen Abbild von Wirklichkeit und ihrer Übersetzung in eine filmische Realität changiert. Die Schauspieler verkörpern fiktive Figuren, aber gleichzeitig porträtiert der Film die jugendlichen Darsteller selbst, studiert ausgiebig ihre Gesichter und Gesten. Außen- und Innenräume werden zum Spiegel ihrer Stimmungen und Befindlichkeiten: die nur wenig besuchten Skateboard-Anlagen (ein Gegenstück zu den melancholisch aufgeladenen Orten bei Gus Van Sant), die zwischen Suburbia und Natur befindlichen Zonen, aber auch die trostlosen Vororthäuser mit ihrer Mischung aus Schäbigkeit und Verspießtheit. Bei der Trauerfeier in einer Karaoke-Bar wird Bier aus Plastikbechern getrunken, die Reden sind einsilbig und schmucklos, das Mikrofon ist übersteuert. Jemand singt „Wild Horses“, und später stimmt ein Mädchen emphatisch zu „I Will Always Love You“ an. Für kurze Augenblicke entstehen emotionale Intensitäten, die sich aber bald wieder verflüchtigen und in eine eher dumpfe Form der Traurigkeit übergehen.
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