Das Paradies der Damen

Drama | Frankreich 1930 | 89 Minuten

Regie: Julien Duvivier

Auf Émile Zolas Roman beruhendes Drama um die Veränderungen der Pariser Geschäftswelt am Ende des 19. Jahrhunderts und die Entwicklung der urbanen Konsumgesellschaft: Die Nichte eines Einzelhändlers erlebt, wie das Geschäft des Onkels auf den Ruin zusteuert, als in der Nachbarschaft ein Luxus-Kaufhaus eröffnet. In der Montage suggestiv die gesellschaftlichen Veränderungen visualisierend, überzeugt der restaurierte Stummfilm auch durch die mit der Originalmusik kombinierte Neueinspielung des Orchesters Octuor de France, die kongenial den Rhythmus der "modernen Zeiten" einfängt. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
AU BONHEUR DES DAMES
Produktionsland
Frankreich
Produktionsjahr
1930
Produktionsfirma
Le Film d’Art
Regie
Julien Duvivier
Buch
Noël Renard
Kamera
André Dantan · René Guichard · Émile Pierre · Armand Thirard
Musik
Gabriel Thibaudeau
Darsteller
Dita Parlo (Denise Baudu) · Pierre de Guingand (Octave Mouret) · Germaine Rouer (Madame Desforges) · Madame Barsac (Madame Aurélie) · Armand Bour (Baudu)
Länge
89 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Drama | Literaturverfilmung | Stummfilm
Externe Links
IMDb | TMDB

Heimkino

Die Extras umfassen u.a. den Kurzfilm "Der Bauch eines Kaufhauses" (1930. 11 Min.).

Verleih DVD
absolut (FF, Mono frz.)
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Diskussion
Dem letzten Stummfilm von Julien Duvivier (1896-1967) liegt der gleichnamige Roman von Émile Zola aus dem Jahr 1884 zugrunde, ein naturalistisches, in der zeitgenössischen Geschäftswelt akribisch recherchiertes Werk des großen Romanciers. Duvivier, ein Vertreter des poetischen Filmrealismus, macht Anleihen beim expressionistischen Kino und fängt bezaubernd die Atmosphäre, das Alltagsleben der kleinen und großen Leute ein. „Das Paradies der Damen“ erinnert stilistisch an „Berlin. Die Sinfonie der Großstadt“ (1927) oder an „Menschen am Sonntag“ (1929). Es ist das Porträt einer Veränderung – der Stadt und ihrer Einwohner – und ein Blick auf den Strukturwandel der Wirtschaft, der Gesellschaft. Die Waise Denise kommt aus der Provinz mit dem Zug nach Paris, um im Laden ihres Onkels Baudu zu arbeiten. Doch das benachbarte Warenhaus „Das Paradies der Damen“ beraubt viele kleine Geschäfte ihrer Kunden. Weil Kaufhaus-Chef Mouret ein Auge auf Denise geworfen hat, erhält sie eine Anstellung als Mannequin. Während eines Betriebsfests weist die junge Frau den charmanten Arbeitgeber zurück. Der Abriss alter Gebäude zugunsten des „Paradies der Damen“ strapaziert die Nerven des Onkels bis zur Verzweiflung. Dank einer raffinierten Schnäppchenstrategie lockt man große Käuferschichten ins Luxushaus, das Baron Hartmann als Investor mit Skepsis, aber mit dem Mut zum Risiko auf Betreiben von Madame Desforges, einer einflussreichen Dame der feinen Gesellschaft und Mourets Geliebte, unterstützt. Am Ende läuft Baudu Amok. Er erschießt zwei Menschen und versetzt die Kunden mit seiner Pistole in Angst und Schrecken. Verstört aus dem Kaufhaus flüchtend, wird er Opfer eines Verkehrsunfalls. Der von wahrer Liebe zu Denise getriebene Mouret gibt seinen Posten auf, um ihr beizustehen. Die eifersüchtige Maitresse und der Baron sind nach seiner Kündigung am Ziel ihrer Wünsche, doch ihr Glück vor Augen träumen die beiden Liebenden von einem eigenen, neuen Kaufhaus. Der Film beschreibt Funktion und Struktur des Kaufhauses und verweist gleichzeitig auf den Niedergang des Einzelhandels in einem Pariser Stadtviertel. Die Figuren sind aktiv oder passiv mit dem mondänen Konsumtempel verbunden: als Mitarbeiter, Käufer oder benachbarter Einzelhändler. Neben Denises Schicksal stehen der Leiter des Kaufhauses und dessen Leben in der feinen Pariser Gesellschaft sowie seine Geschäftspraktiken im Zentrum des Geschehens. Den Rhythmus der neuen Zeit intensiviert und reflektiert die mit der Originalmusik kombinierte Neueinspielung des Orchesters Octuor de France unter Leitung von Gabriel Thibaudeau vorzüglich. Dank der jazzigen, mit Perkussionen fein dosierten Begleitung lebt und atmet „Das Paradies der Damen“ wie ein moderner Film. Klar strukturierte Bilder, Überblendungen und Kamerafahrten wechseln sich harmonisch ab. Famos die Parallelmontage beim Kaufhaus-Neubau: Denise und der verängstigte Onkel werden zu den Bauarbeiten dramaturgisch effektvoll gegengeschnitten. Wenn die junge Frau zu Beginn in der Metropole ankommt, mit hektischen Schritten über die Trottoirs hastet, wirkt das wie mit zu großer Geschwindigkeit aufgenommen; doch es geht um die Wahrnehmung der neuen Umgebung, in der man alles mit anderen Augen und Tempi erlebt. Das Tempo des Fortschritts wird auch von Denise Besitz ergreifen und dem Zuschauer die Vorboten der Monopolisierung und Kommerzialisierung bewusst machen. Der exzellente Schnitt dokumentiert die Umorganisation der beschaulichen Warenwelt um 1880, die zweite Welle der industriellen Revolution, die Anfänge der urbanen Konsumgesellschaft. In der Welt des Glamour, des schönen Scheins hat das düstere, von Spinnweben gezeichnete Warenlager Baudus keine Chance mehr, es ist dem Gesetz der Masse unterlegen. Serge Bromberg bezeichnet im pointierten Vorwort den verführerischen Luxustempel als Kathedrale der neuen Religion und den Kaufhaus-Chef als deren Hohenpriester.
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