Vin Diesel ist so etwas wie ein direkter Nachfahre der Action-Helden der 1980er-Jahre: Ein vernarbtes Gesicht, ein durchtrainierter, muskelbepackter Körper, einige coole „one-liner“ auf den Lippen, dazu die stoische Haltung eines Arnold Schwarzenegger, aber auch die Wendigkeit eines Kurt Russell – und fertig ist der multiple Star für die Erfordernisse des modernen Actionkinos. Ein Attribut hebt Diesel allerdings noch besonders hervor: seine tiefe, sonore Stimme, die seltsam mit seinen weichen, fast etwas kindlichen Gesichtszügen kontrastiert, verleiht ihm eine eigene Note, die ihn von der Masse der formgleichen, meist schauspielerisch ebenso mittelmäßigen Kollegen unterscheidet.
Der neueste Versuch eines französischen Regisseurs, in seinem Heimatland großes Hollywood-Kino zu imitieren, ist für Diesel ein ähnlicher Glücksfall, wie es einst „Das fünfte Element“
(fd 32 718) von Luc Besson für Bruce Willis war. Auch Regisseur Mathieu Kassovitz’ Adaption des Romans „Babylon Babies“ von Maurice G. Dantec stellt, wie einst Bessons Film, ihren Helden gänzlich in den Mittelpunkt der Geschichte. Ist Bessons Science-Fiction-Blockbuster mit vielen technischen Spielereien und Ideen jedoch in entfernter Zukunft verankert, kommt „Babylon A.D.“ wesentlich zeitnaher und realistischer daher: Die Welt befindet sich im Chaos, verwüstet durch Kriege, Terror und Anarchie. Der Kriegsveteran und Söldner Thoorop fristet in einem von Warlords und Mafiabossen beherrschten russischen Anrainerstaat ein tristes Dasein zwischen Zerstörung und Desillusion. Von dem Mafiosi Gorsky, mit spürbarer Spielfreude schmierig dargestellt von Gérard Depardieu, erhält er das Angebot, die junge und hübsche Aurora in die USA zu schmuggeln. Als Belohnung für den gefährlichen Auftrag wird Toorop eine bessere Zukunft in den Staaten in Aussicht gestellt.
In seinen stärksten Momenten erinnert das Road Movie an Cuarons „Children of Men“
(fd 37 874). Schnörkellose Bilder zeichnen eine düstere, postapokalyptische Welt, die die Desillusion der Charaktere nachvollziehbar werden lässt. In dieser Welt wird auch der Held schwach. Kassovitz gibt seinen Figuren für einen Actionfilm dieser Art gerade in den ruhigen Szenen erstaunlich viel Platz zur Entwicklung und Charakterauslotung. Schwächen weist „Babylon A.D.“ allerdings in den Momenten der direkten Konfrontation mit der Gefahr auf: Hier werden die vorher so sorgsam aufgebauten Szenerien gänzlich den Formeln des Genrekinos preisgegeben. Eine ordentliche Portion Schießereien und spektakulärer Stunts gehören nun einmal zum Erfolgsrezept. Diese Formeln müssen nicht automatisch schlecht sein; sie verlieren aber gerade in dieser so gut aufgebauten Atmosphäre durch ihre Aufgesetztheit an Wirkung. Ungewöhnlich gut konturiert und stark sind hingegen die Frauenrollen. Auch wenn Mélanie Thierry als Aurora einige klischeehaft niedliche, nach Schutz suchende Momente vorbestimmt sind – was in einer seitlich im Profil aufgenommenen Einstellung gipfelt, in der sich die kleine, in dem Moment sehr kindlich wirkende Frau mit dem Kopf an die mächtige Brust ihres Beschützers lehnt –, ist ihre Rolle durch geheimnisvolle Fähigkeiten, die der jungen Frau gegeben sind, letztlich doch die einer starken Frau. Das gilt auch für ihre kampferprobte Begleiterin „Schwester Rebecca“, gespielt von Michelle Yeoh, und eine später auftauchende „Hohepriesterin“. Letztere wird von Charlotte Rampling dargestellt, und spätestens hier wird klar, dass eine weitere Attraktion des Films die hervorragend besetzten Nebenrollen sind. Trotz aller positiven Aspekte leidet „Babylon A.D.“ aber an der notorischen Schwäche vieler Actionfilme, denn im Grunde bleibt der Plot eindimensional. Ein Held geleitet eine Frau sicher durch alle Gefahren, ist allein und doch nicht allein, (ver-)zweifelt, steht aber immer seinen Mann. Es ist die gelungene Verpackung, die diesen Film zu einem der besseren seines Genres werden lässt.