Der Bewohner eines Altenheims, der den Tod seiner lange verstorbenen Frau nie verwunden hat, und eine junge Pflegerin, die unter dem Verlust ihres Kindes leidet, verirren sich bei einem Ausflug im Wald, finden behutsam zueinander und lernen dabei, ihre inneren Blockaden zu überwinden. Ein meditativ-kunstsinniger Film, der sich in erster Linie für die Trauer und deren Überwindung interessiert. Der Blick ins Seeleninnere wird dabei mit teilweise betörend schönen, symbolträchtigen Landschaftsbildern nach außen gewendet, was dem Zuschauer einiges an Geduld und Empathie abverlangt.
- Sehenswert ab 16.
Mogari No Mori
- | Japan/Frankreich 2007 | 97 Minuten
Regie: Naomi Kawase
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Filmdaten
- Originaltitel
- MOGARI NO MORI | LA FORÊT DE MOGARI
- Produktionsland
- Japan/Frankreich
- Produktionsjahr
- 2007
- Produktionsfirma
- Kumie/Visual Arts College/Celluloid Dreams/CNC
- Regie
- Naomi Kawase
- Buch
- Naomi Kawase
- Kamera
- Hideyo Nakano
- Musik
- Masamichi Shigeno
- Schnitt
- Tina Baz · Yuji Oshige
- Darsteller
- Shigeki Uda (Shigeki) · Machiko Ono (Machiko) · Makiko Watanabe (Wakako) · Kanako Masuda (Shigekis Frau) · Yohichiro Saito (Machikos Mann)
- Länge
- 97 Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 16.
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Diskussion
Es gibt Filme, die sind so leicht, dass man sie fast immer anschauen kann, egal in welcher Stimmung. Andere fordern das Publikum stärker heraus. Für „Mogari no mori“ braucht es ein ausgeprägtes Faible fürs Arthouse-Kino. Denn der Film der japanischen Regisseurin Naomi Kawase malt zwar wunderschöne Bilder einer ebenso schönen Landschaft auf die Leinwand, gerät beim Balanceakt zwischen Kunst und Langeweile aber gelegentlich aus dem Gleichgewicht.
Reduktion lautet das formale und vor allem inhaltliche Konzept, dem sich Kawase in „Mogari no mori“ verschrieben hat. Der Handlungskern des Films lässt sich in einem Satz wiedergeben: Zwei Trauernde verirren sich im Wald. Um auch der psychologisch-symbolischen Deutungsebene gerecht zu werden, müsste man hinzufügen: Sie kommen sich dabei näher und überwinden ihre Trauer. Etymologisch, so erfährt man am Ende in einer Texteinblendung, bedeutet „Mogari“ ungefähr „Ende der Trauer“. Das beschreibt jene kathartische Kerndramaturgie, die Kawase nur mit der allernötigsten Handlung anreichert.
Die junge Japanerin Machiko arbeitet in einem idyllisch im Grünen gelegenen Altersheim. Dort kümmert sie sich besonders um Shigeki, der seit mehr als 30 Jahren um seine verstorbene Frau trauert. Machiko fühlt sich zu ihm hingezogen, weil auch sie unter dem Verlust eines geliebten Menschen leidet: ihr Kind ist bei einem Unfall ums Leben gekommen. An Shigekis Geburtstag unternehmen beide einen gemeinsamen Ausflug. Doch das Auto kommt von der Straße ab, Shigeki läuft in den Wald und Machiko ihm hinterher. Mit radikaler Konsequenz verkürzt Kawase die Vorgeschichte der beiden Trauernden auf wenige Sätze, in denen man erfährt, dass Shigeki unter dem Verlust seiner Frau leidet, und auf eine flüchtige Szene, in der Machikos Ehemann ihr Vorwürfe macht, die Hand ihres Kindes losgelassen zu haben. Damit ist alles gesagt und gezeigt, was man über die Vergangenheit zu wissen braucht. Sentimentale Rückblenden und Bilder aus glücklicheren Tagen bleiben erspart. Auch mit Charakterzeichnungen hält sich Kawase nicht auf. Als Individuen interessieren sie ihre Protagonisten nicht. Ihr Alltagsleben, ihre Persönlichkeiten sind gleichgültig. Wichtig scheinen nur zwei Dinge: das Gefühl der Trauer, das sie verkörpern, und der dynamische Bewältigungsprozess, der durch das Aufeinandertreffen dieser beiden entpersonalisierten Trauerkörper in Gang gebracht wird.
Ohne eine echte Vergangenheit und im Grunde auch ohne Gegenwart agieren die beiden ausdrucksstarken Hauptdarsteller Shigeki Uda und Machiko Ono im luftleeren Raum. Die Regisseurin versucht erst gar nicht, dieses gezielt erzeugte Vakuum nachträglich mit Dialogen aufzufüllen. Vielmehr reduziert sie das gesprochene Wort auf ein Minimum und überlässt es zart-melancholischer Musik, der Tonspur eine pittoresk-atmosphärische Note zu verleihen. Die Kamera nähert sich den Darstellern nicht an. Statt durch Gesichter hindurch ins Seeleninnere blicken zu wollen, wendet sie die Empfindungen der Trauernden nach außen, in Form symbolischer und teilweise überwältigend schöner Landschaftsbilder. In diesen grün leuchtenden Panoramaaufnahmen von Wiesen, Wäldern oder Hecken verschwinden die Protagonisten zu winzigen Punkten. Sie schrumpfen zu kleinen Wesen, die vom Leben und seiner Vergänglichkeit überwältigt wurden, um sich nun abermals vom Leben und diesmal seiner Schönheit überwältigen zu lassen. Je tiefer sie in den Wald hineingeraten, desto weiter dringen sie ins Zentrum ihrer Trauer vor, bis sie schließlich befreit dem Tod entgegenblicken können – oder einem neuen Leben. Doch das, was so lyrisch und zauberisch klingt, funktioniert in der Realität des Films nicht immer. Tatsächlich mengen sich unter wenige eindrucksvolle und poetische Aufnahmen viele hübsche, die sich in ihrer Vielfalt aber gegenseitig abnutzen. Und die Handkameraaufnahmen im Wald, wo es teilweise so dunkel wird, dass kaum noch jemand zu erkennen ist, wirken bisweilen wie eine glattpolierte Variante des „Blair Witch Projects“ (fd 33 983). So bleiben am Ende viele schöne Trauertableaus ohne empathische Sogkraft. Ein je nach eigener Befindlichkeit vielleicht zäher, vielleicht aber auch befreiend meditativer ästhetischer Genuss.
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