Porträt des Weltstars und der "Sexgöttin" Hedy Lamarr, die durch die ersten Nacktszenen in einem Unterhaltungsfilm ("Ekstase") Filmgeschichte schrieb und nach einem kometenhaften Aufstieg in Hollywood in den 1930er- und 1940er-Jahren fast unmerklich in Vergessenheit geriet. Der unterhaltsame Dokumentarfilm schützt kein abgesichertes Wissen vor, sondern nähert sich behutsam seinem Thema, wobei durch Selbstaussagen der Lamarr und die Auskunft von (Zeit-)Zeugen das Bild einer Frau Gestalt annimmt, die ihre Vermarktung bewusst steuerte. Dabei hinterfragt er die Wirklichkeit hinter dem medialen Image und erzählt zugleich die Geschichte einer gespaltenen Persönlichkeit. (O.m.d.U.)
- Ab 14.
Hedy Lamarr - Secrets of a Hollywood Star
Dokumentarfilm | Schweiz/Deutschland/Kanada 2005 | 85 (DVD 105) Minuten
Regie: Donatello Dubini
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Filmdaten
- Originaltitel
- HEDY LAMARR - SECRETS OF A HOLLYWOOD STAR
- Produktionsland
- Schweiz/Deutschland/Kanada
- Produktionsjahr
- 2005
- Produktionsfirma
- Tre Valli Zürich/Dubini Filmprod./Obermaier Filmprod./MI Films
- Regie
- Donatello Dubini · Fosco Dubini · Barbara Obermaier
- Buch
- Donatello Dubini · Fosco Dubini · Barbara Obermaier
- Kamera
- Donatello Dubini
- Schnitt
- Fosco Dubini · Donatello Dubini
- Länge
- 85 (DVD 105) Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 0 (DVD)
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Heimkino
Diskussion
Wie nähert man sich einem Weltstar, einer „Sexgöttin“? Zumal wenn diese seit geraumer Zeit nicht mehr unter den Lebenden weilt? Vielleicht mit Kamerafahrten an den vielen Häusern, Villen und Hotels vorbei, die sie im Lauf ihres unsteten Lebens in Döbling (Österreich), Fegenbach, Beverly Hills, Hollywood Hills, New York, Altamonte bei Orlando (Florida), Casselbery bewohnte. Keine schlechte Idee, kann man doch Nähe zum Unnahbaren suggerieren. Fosco und Donatello Dubini sowie Barbara Obermaier geben in ihrem Dokumentarfilm nicht vor, wirklich „dran zu sein“ an der dunkelhaarigen Schönheit Hedy Lamarr, die nicht nur durch ihre Filme von sich reden machte, sondern auch durch ihre zahlreichen, finanziell stets lukrativen Ehen, durch Ladendiebstähle und den Absturz ins Vergessen; vielmehr versuchen sie in 16 Kapiteln eine vorsichtige Annäherung an die Ikone, die eine Vermarktungsstrategin sondergleichen war und wusste, dass ihr Sex Appeal am besten auf schwarz-weißen Fotos zur Geltung kam, und die als Erfinderin eines Torpedo-Warnsystems eine der Grundlagen der heutigen Telekommunikation schuf.
Ähnlich wie schon in ihrem Film „Thomas Pynchon – A Journey into the Mind of P.“ (fd 35 172) schützen die Dubinis in ihrer ersten Regie-Zusammenarbeit mit Barbara Obermaier kein abgesichertes Wissen vor, sondern mäandern sich förmlich an das Thema heran. Im Mittelpunkt steht dabei ein langes Interview, das ein ORF-Reporter 1970 mit Hedy Lamarr alias Hedwig (Eva Maria) Kiesler führte, der Tochter eines jüdischen Wiener Bankiers, die durch ihre Nacktszenen in Gustav Machatys „Ekstase“ (1932/33) Filmgeschichte schrieb. Im Verlauf dieses Gesprächs kommen Zeitzeugen zu Wort, etwa der Filmwissenschaftler Jan-Christopher Horak, der einiges über die vermeintliche Wirkungsweise des Stars aussagt, oder Alt-Star Mickey Rooney, der als einer der wenigen auskunftsfreudigen Überlebenden immer wieder zu Hollywood-Recherchen herangezogen wird; auch „Nestbeschmutzer“ Kenneth Anger, der aus seiner ambivalenten Haltung gegenüber dem Hollywood-System nie einen Hehl machte, meldet sich zu Wort und geht hart mit Andy Warhol ins Gericht, der nach Hedy Lamarrs Ladendiebstählen in den 1960er-Jahren in seinem Film „Hedy“ (1966) das Image und den Ruf der verblassenden Ikone für eigene Zwecke nutzte. Ob nun Genie oder Berechnung – die verflossenen sechs Ehemänner von Hedy Lamarr bildeten in Warhols Film die Jury des Gerichts. Dem ebenso unterhaltsamen wie detailfreudigen Dokumentarfilm geht es immer wieder darum, die Wirklichkeit hinter dem medialen Image zu hinterfragen, Selbstinszenierung von Fremdbestimmung zu trennen und die Geschichte einer letztlich gespaltenen Persönlichkeit zu erzählen, die ihren Rollen (vor der Kamera und im inszenierten Leben) immer gerecht wurde – dafür aber auch einen hohen Preis zahlte. Auf den ersten Blick befremdlich sind die knallbunt eingefärbten Schwarz-Weiß-Aufnahmen von Hedy Lamarr/Hedwig Kiesler, die zunächst deplatziert wirken, im Nachhinein aber durchaus einen Sinn machen: Sie verleihen dem Star die Aura einer Pop-Ikone im Sinne Warhols, bekunden aber zugleich, dass dies nicht funktionieren kann, weil jede Sinnlichkeit verloren geht und die Einzigartigkeit der „schönsten Frau der Welt“ im Zeitalter unendlicher Reproduzierbarkeit und Manipulierbarkeit verblassen muss. Ikone für einen Tag kann (fast) jeder sein, prägend für ihre Generation sind indes nur wenige. Vielleicht würde es ja Hedy Lamarr am meisten freuen, wenn sie wüsste, dass an ihrem Geburtstag am 9.11.2005 der „Tag des Erfinders“ ein dauerhaftes Datum gefunden hat.
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