Dokumentarfilm über die Arbeit der Schweizer Sterbehilfe-Organisation Exit, die schwerkranken Menschen in den Tod, auch in den Suizid begleitet. Neben den Kranken stehen die Sterbebegleiter im Zentrum eines aufrüttelnden Films, der eindringlich vermittelt, wie sehr sie um das Leben der Schutzbefohlenen ringen und welchen seelischen Belastungen sie dabei ausgesetzt sind. Ein nachdenklich stimmender Film, der zur Auseinandersetzung mit dem Thema zwingt.
Exit (2005)
Dokumentarfilm | Schweiz 2005 | 75 Minuten
Regie: Fernand Melgar
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Filmdaten
- Originaltitel
- EXIT
- Produktionsland
- Schweiz
- Produktionsjahr
- 2005
- Produktionsfirma
- Climage/Les Production JMH
- Regie
- Fernand Melgar
- Buch
- Fernand Melgar
- Kamera
- Camille Cottagnoud · Steff Bossert
- Schnitt
- Karine Sudan
- Länge
- 75 Minuten
- Kinostart
- -
- Genre
- Dokumentarfilm
Diskussion
Wie die Liebe gehört der Tod im Kino zum Tagesgeschäft. Kaum zu zählen sind die Toten auf der Leinwand, die man kaum noch wahrnimmt. Nur noch besonders grausige Tode, besonders realistisch oder brutal dargestellte, rütteln im Genrekino auf – oder wenn das Sterben selbst zentrales Thema ist. Auch dann hat man immer noch die Rückversicherung, „bloß“ in einem Film zu sitzen und eine fiktive Geschichte zu erleben. Nach Ende der Vorstellung stellt sich Normalität ein, und der soeben „verstorbene“ Schauspieler ist ja längst wieder bei neuen Dreharbeiten. So leicht macht es einem „Exit“, der Dokumentarfilm des in Tanger geborenen Schweizers Fernand Melgar, nicht: Er zwingt dazu, dem Tod bei der Arbeit zuzusehen.
„Exit“ handelt von der Arbeit der gleichnamigen Sterbehilfeorganisation, die sich – in Übereinstimmung mit dem Schweizer Gesetz, das Sterbehilfe erlaubt – seit über 20 Jahren bemüht, ihren Mitgliedern, Todkranken und Schmerzpatienten ohne die Hoffnung auf Heilung, ein würdevolles Sterben zu ermöglichen. Dabei betonen der Film und die Exit-Helfer immer wieder, dass der Entschluss, aus dem Leben zu scheiden, keine leichtfertige Entscheidung sein darf, sondern an eine Reihe von Bedingungen geknüpft ist. Eine lange Mitgliedschaft bei Exit ist Voraussetzung, monatliche Beträge sind zu entrichten; die Sterbebegleitung beginnt, wenn Krankheitsfall oder Siechtum eingetreten sind und der Kranke seinen Wunsch zu sterben bekundet. Bevor dann die tödliche Medizin, die der Kranke selbst einnehmen muss, verabreicht wird, sind viele Besuche der Helfer von Nöten, die in erster Linie den Sinn haben, den Kranken vom Wert des Lebens zu überzeugen. Hier mischt sich medizinische Betreuung mit einer diesseits bezogenen seelsorgerischen Arbeit.
Der Film stellt die rund 20 freiwilligen Helfer im Raum Lausanne in den Mittelpunkt, zeigt sie bei der Annahme von Telefonaten, in denen die Anrufer ihr Schicksal schildern, und bei der Ablehnung von Aufnahmeanträgen, wenn die Betroffenen „nur“ unter Depressionen leiden. „Exit“ zeigt auch Gespräche unter den Sterbebegleitern, in denen neue Helfer behutsam auf ihre Aufgabe vorbereitet werden, und eine Gruppensitzung, die für die Teilnehmer, die allesamt schwer an ihrer Aufgabe tragen, eine durchaus therapeutische Funktion hat. Dabei wird deutlich, dass mehr als zwei „Begleitungen“ im Jahr niemandem zugemutet werden können. In diesen Szenen vermittelt sich überdeutlich der seelische Druck, der auf den Mitgliedern des Vereins lastet. Obwohl alle von ihrer Aufgabe überzeugt sind, wird sie zugleich als Bürde empfunden, als ein letzter, endgültiger Akt der Nächstenliebe, der sich in gesetzlich streng geordneten Bahnen abspielt, wobei deutlich wird, dass alle Beteiligten das Schweizer Gesetz befürworten. Beispiele aus England, den Niederlanden und Afrika, wo Sterbewillige zu weit inhumaneren Mitteln als zu einem Trank greifen müssen, um ihrem Leben ein Ende zu setzen, mögen für Befürworter der Sterbehilfe den humanen Geist des Gesetzes belegen.
Der sehr ruhig entwickelte Film will objektiv dokumentieren, wobei er seine letztlich bejahende Haltung nicht verleugnen kann und will. Er schildert nicht nur Fakten, sondern zeigt die Menschen, Sterbende und ihre Begleiter, die ein letztes Stück des Weges gemeinsam zurücklegen und sich dabei sehr nahe kommen; wobei die Gespräche einem Ringen ums Leben gleichkommen, einer Beschwörung der Kranken, ihre Entscheidung immer und immer wieder zu überdenken. Als Klammer des Films, die ihm ein individuelles Gesicht verleiht und zeigt, worum es letztlich wirklich geht, dient der Suizid einer alten Krebspatientin, die Schmerzen und Siechtum nicht mehr ertragen kann. Ihr Weg wird über Monate von einem Exit-Begleiter betreut, und wenn die letzten quälenden Minuten des Films einen praktizierenden Arzt zeigen, der bis zur letzten Sekunde um das Leben seiner Patientin kämpft, wird die Last deutlich, die auf dem Sterbebegleiter liegt. Noch Sekunden bevor er ihr den Trank überreicht, redet er auf sie ein, sagt, dass er in wenigen Augenblicken nichts mehr für sie tun kann. Danach sind die anwesenden Angehörigen traurig und erschöpft, scheinen aber auch erleichtert. Damit macht „Exit“ keine Werbung für Euthanasie, regt aber zum Nachdenken an. Nachdenken über letzte Dinge, die im normalen, gesunden Leben immer wieder verdrängt werden. Der Film geht durch seine konsequente Auseinandersetzung mit dem Tod unter die Haut – er fordert heraus und lässt konsequenterweise keine Rückversicherungen zu.
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