Langzeitbeobachtung über die Entstehung des Romans "Houwelandt" von John von Düffel, die mit dem Autor und seiner Ideenwelt vertraut macht sowie erhellende Einblicke in die mitunter mühselige Arbeit des Schreibens gewährt. Auf einer übergeordneten Ebene thematisiert der Film zugleich, wie aus der Idee eines Menschen ein durch und durch kommerzialisiertes Produkt wird. Der ebenso spannende wie faszinierende Dokumentarfilm durchleuchtet alle Seiten des Literaturbetriebs, wobei er sich stets ein Gespür für die Magie von Literatur bewahrt.
- Ab 14.
Houwelandt - Ein Roman entsteht
Dokumentarfilm | Deutschland 2005 | 107 Minuten
Regie: Jörg Adolph
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Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2005
- Produktionsfirma
- Caligari-Film/ZDF/3sat
- Regie
- Jörg Adolph
- Buch
- Jörg Adolph
- Kamera
- Jörg Adolph · John von Düffel · Luigi Falorni
- Musik
- Console · Martin Gretschmann
- Schnitt
- Anja Pohl
- Länge
- 107 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14.
- Genre
- Dokumentarfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Diskussion
Die Autoren der Zukunft sind keine Bohemiens, sondern Wassertrinker und Jogger. So nüchtern versachlicht Erfolgsautor John von Düffel, der für seinen Debütroman „Vom Wasser“ 1998 mit dem Aspekte-Literaturpreis ausgezeichnet wurde, seinen Beruf und erteilt den Wildes, Fitzgeralds oder Hemingways eine klare Absage. Der Dokumentarfilm „Houwelandt“, benannt nach von Düffels gleichnamiger Familienchronik, belegt dies unzweifelhaft. Keine Partys scheinen den Produktionsprozess zu stören, vielmehr bestimmt harte Arbeit das Geschäft des Schreibens. Konzentration allenthalben, ob bei der ritualisierten Schreibarbeit vor dem Computer, dem Joggen oder Schwimmen, den ebenso lästigen wie unvermeidlichen Gesprächen mit Verlagsvertretern, die von Düffels neues Werk unter ihre Fittiche genommen haben und ihn den fürsorglichen Druck ihrer Schwingen spüren lassen.
Ein Film übers Schreiben. Wie geht das? 15 Monate hat Jörg Adolph die Entstehung des Romans „Houwelandt“ begleitet, dem Autor – ganz im Wortsinn – über die Schulter geschaut und den entstehenden Text vom Bildschirm des Computers abgefilmt. Er ist beim zähen Ringen um Worte und Sätze dabei, visualisiert den mitunter stupiden Ablauf des schriftstellerischen Tagesgeschäfts und zeigt, wie ganze Absätze geändert und verworfen werden. Damit wäre zwar einiges, aber nicht das Wesentliche gesagt. Ein zentraler Bestandteil des Films sind jene Passagen, in denen sich von Düffel den Frust oder die Lust der täglichen Arbeit vor dem Objektiv einer Minikamera von der Seele redet, die in seinem Arbeitszimmer installiert ist. Somit ist der schriftstellerische Arbeitsprozess weitgehend erfasst; in dichten Momenten erscheint es, als könne man dem Schöpfer beim Schaffen zuschauen, auf Augenhöhe seiner geistigen Anstrengungen sein. Doch für einen fesselnden Film reicht das noch nicht aus, und so bringt Adolph den Verlag und dessen Mitarbeiter ins Spiel und beschreibt die Entwicklung einer Idee zum verkaufsfertigen Produkt. Innerhalb dieser Kraftfelder, die sich gegenseitig bedingen, aber immer wieder auch für (Ver-)Störungen sorgen, entwickelt der Film seine Spannung. Weitgehend der Chronologie der Ereignisse verpflichtet, beschreibt er die Entstehung des Romans von den Vorgesprächen bis zur Drucklegung und zur Promotionstour. Er zeigt den Künstler, wie er in den Kulturbetrieb eingebunden wird und sich auch merkantilen Gesichtspunkten unterordnen muss. Mitunter scheint es, als gerate der Autor unter die Räder eines sich verselbständigenden Kulturgeschäfts: Der Verleger stellt den prosaischen Titel in Frage, die Cover-Gestalter drängen von Düffel in eine Ecke, aus der er sich eigentlich freischwimmen wollte (Wasser und Schwimmen bestimmen von Düffels literarisches Schaffen), Lektoren bekritteln Worte und Sätze, um die von Düffel zäh gerungen hat, die Korrektorin findet auch nach der dritten Korrektur noch Flüchtigkeitsfehler. Der Prozess des Schreibens wird zwar nicht in Frage gestellt, aber mit einem Verwertungszusammenhang konfrontiert, in dem das Produkt letztlich vor der Idee und deren künstlerischer Umsetzung zu rangieren scheint.
Ein faszinierender Film über das Schreiben in unseren Tagen, über künstlerische Erschöpfung und die Angst vor dem Scheitern, wenn eine halbe Millionen Zeichen eine Eigendynamik entwickeln und das Leben des jenigen, der sie zusammenfügte, zu überwuchern drohen. Am Ende gesteht von Düffel, dass ihm der Literaturbetrieb nach sechs Jahren eigentlich zum Hals heraus hängt; und doch wird er bei aller Skepsis nach dem Erfolg von „Houwelandt“ seinem Metier treu bleiben, schließlich weiß er um die Gefahren trüber Gewässer, in denen er sich angstfrei bewegen kann, auch wenn kein Grund zu sehen ist. Der bei aller Stille überraschend dynamische Film holt aus dem eher „bildfeindlichen“ Sujet das Äußerste heraus und erzählt dabei auch von der Magie des Schreibens: Als von Düffel das erste Exemplar seines Buchs in den Händen hält, strahlen seine Augen wie die eines glücklichen Vaters, der ein Neugeborenes wiegt. Auch ein moderner Autor ist scheinbar nicht nur der nüchternen Realität, sondern auch seinen Visionen verpflichtet.
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