Million Dollar Baby

Drama | USA 2004 | 133 Minuten

Regie: Clint Eastwood

Nach langem Zögern übernimmt ein verschlossener Boxtrainer die Ausbildung einer jungen Weißen, die sich durch den Sport eine gesellschaftliche Chance erarbeiten will. Ein nur auf den ersten Blick herkömmlicher Sportfilm in eher konventioneller Inszenierung, der zwar die Stereotypen des Genres bedient, sie aber zugleich reizvoll variiert und hinterfragt. Im letzten Drittel nimmt der Film dann eine unerwartete Wende, die die Trivialität des Stoffes unterläuft, wobei er sich zum ernsten Drama über Leben und Tod auswächst. Der mit abgeklärter Meisterschaft inszenierte und hervorragend fotografierte Film wird von brillanten Darstellern getragen, die ihre Charaktere mit beiläufigem Understatement zum Leben erwecken. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
MILLION DOLLAR BABY
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2004
Produktionsfirma
Malpaso/Lakeshore/Albert S. Ruddy Prod.
Regie
Clint Eastwood
Buch
Paul Haggis
Kamera
Tom Stern
Musik
Clint Eastwood
Schnitt
Joel Cox
Darsteller
Clint Eastwood (Frankie Dunn) · Hilary Swank (Maggie Fitzgerald) · Morgan Freeman (Eddie "Scrap-Iron" Dupris) · Jay Baruchel (Danger Barch) · Mike Colter (Big Willie Little)
Länge
133 Minuten
Kinostart
03.03.2005
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama | Boxerfilm
Externe Links
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Heimkino

Die Standardausgabe und die Special Edition (2 DVDs) haben keine erwähnenswerten Extras. Die "Limited Edition" enthält neben der zwei DVDs der Special Edition noch eine CD mit dem Soundtrack.

Verleih DVD
Kinowelt (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt., dts dt.)
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Diskussion
Es gibt einen wirklich gelungenen Film zum Thema Frauenboxen. In dokumentarisch anmutenden Impressionen unspektakulärer Amateurkämpfe vermittelt er die Faszination, die vom Boxen im Allgemeinen ausgeht, und umkreist zugleich mittels Milieuschilderung, Figurenzeichnung und Plot jene besondere Bedeutung, die der Sport für Frauen annehmen kann. Gemeint ist freilich nicht Clint Eastwoods preisgekröntes „Million Dollar Baby“, sondern „Girlfight“, eine kleine Independent Produktion, die vor vier Jahren kurz in deutschen Kinos lief und nunmehr in Videotheken Staub ansetzt. Im Gegensatz zu Karyn Kusamas Debütfilm fügt Eastwoods neuestes Werk den Klischees, die das Genre des Boxfilms seit den 1930er Jahren prägen, kaum neue Facetten hinzu. Wieder einmal bekommen wir es mit einem abgehalfterten Trainer zu tun, der eine muffige Boxschule betreibt, und schließlich, entgegen aller Wahrscheinlichkeit, einen Außenseiter zum Titelkampf führt. Die eigentliche Besonderheit des Stoffes, dass nämlich jener Underdog weiblichen Geschlechts ist, wird dabei kaum thematisiert. Um von Frankie trainiert zu werden, muss Maggie zwar erst den Widerwillen des alten Haudegens überwinden, der stur darauf beharrt, nicht mit Frauen zu arbeiten. Wenn sie erklärt, dass sie sich nur beim Boxen wirklich gut fühle, klingen ihre Beweggründe allerdings nicht wesentlich anders als die männlicher Fighter in früheren Filmen: Auch sie ist ein Habenichts ohne jede Aufstiegschance außerhalb des Boxrings. Dabei macht sich Eastwood offenkundig einen Spaß daraus, Maggies Mutter und ihre Geschwister als Karikaturen des sogenannten „Trailerpark Trash“ auftreten zu lassen, also jenes amerikanischen Stereotyps bigotter Hinterweltler, die in verlotterten Verhältnissen in Wohnwagen hausen. Die Weltmeisterin, der Maggie schließlich im Ring gegenüber steht, ist wiederum in einer Weise überzeichnet, dass dies selbst die Dämonisierung der Gegner in den „Rocky“ Sequels übertrifft. Aus deutscher Perspektive ist das übrigens besonders kurios, denn bei der ehemaligen Prostituierten, die sich im Ring um keine Regel schert, handelt es sich um eine Berlinerin, die vom heimischen Publikum gerade wegen ihrer Brutalität geliebt wird. In Gestalt solcher Nebenfiguren streicht Eastwood geradezu kokett die Trivialität seines Stoffes heraus; doch paradoxerweise ist gerade diese Trivialität in gewisser Weise Bedingung für das leise Vergnügen, dass dieser Film immer wieder bereitet. Denn gerade weil der Stoff über weite Strecken so dünn ist, dass er unsere Aufmerksamkeit kaum verdient, kommen die elegante Einfachheit des Erzählens und die reife Gelassenheit der Inszenierung umso klarer zur Geltung. Und solch formale Meisterschaft erlaubt es Eastwood wiederum, sich ganz unprätentiös einer gravierenden ethischen Frage anzunehmen. Der Film endet nämlich keineswegs mit besagtem Titelkampf, sondern verwandelt sich im letzten Akt völlig unerwartet in ein abstraktes, ernstes Drama über Leben und Tod – über dessen genaueren Inhalt Rezensenten aber unbedingt Stillschweigen bewahren müssen. Dieser ungewöhnliche Plotverlauf ist wohl nicht zuletzt damit begründet, dass Paul Haggis’ Drehbuch mehrere Kurzgeschichten von F.X. Toole kombiniert. Als Klammer für die locker angelegte Handlung wirken dabei regelmäßige Off-Kommentare von Frankies altem Freund, dem Ex-Boxer Eddie, der als genügsames Faktotum in einem Hinterzimmer der Boxschule haust und Frankie subtil dazu bewegt, Maggie zu trainieren. In Morgan Freemans Bariton vorgetragen, klingen Eddies Kommentare mitunter etwas salbungsvoll. Und wie sich herausstellt, ist ihre Wirkung schließlich den Off-Kommentaren ähnlich, mit denen „Unforgiven“ begann und endete: Letzten Endes ist nämlich auch „Million Dollar Baby“ im Kern die Geschichte eines verschlossenen Schweigers, in dessen Gefühlswelt uns der Film nur soweit sparsame Einblicke gewährt, dass die Figur die entscheidenden Geheimnisse für sich bewahrt. Dass der Regisseur den Protagonisten erneut selbst spielt (und dass man diese Figur ebenfalls als Fortsetzung der frühen Star Persona Eastwoods betrachten kann), entbehrt nicht eines gewissen Narzissmus. Allerdings reflektiert der nunmehr 74jährige Filmemacher im gleichen Zuge einmal mehr ganz unverstellt die Wirkung des Alterns auf seinen Körper – wobei sein Gang auffallend steif wirkt. Herzstücke des Films sind indes Eastwoods und Freemans schnippische Dialoge, in denen beide sich so entspannt die Bälle zuwerfen, dass es ein pures Vergnügen ist. Dabei sind der leise Ton und der ruhige Rhythmus dieser Szenen so schlicht gehalten, dass man beinahe übersehen könnte, welcher Meisterschaft solch vordergründige Einfachheit bedarf. Ähnliches gilt für die zurückhaltende Kameraarbeit Tom Sterns. Der legt zumeist jenen modischen graublauen Schleier, der alle andere Farben auslaugt, über seine Bilder; vor allem aber ist seine Sparsamkeit in der Lichtsetzung so konsequent, dass schließlich ein besonders dramatisches Chiaroscuro ganz selbstverständlich wirkt, als Frankie in der entscheidenden Szene über nichts Geringeres entscheidet als sein Seelenheil. Ähnlich selbstverständlich wirken auch die gelegentlichen Akzente einer ebenso zurückhaltenden wie gemächlichen Erzählweise. Wir erfahren kaum etwas über die Vorgeschichte der Figuren, doch die wenigen Informationen werden zumeist en passant in Szenen eingestreut, die vordergründig keinerlei Funktion erfüllen. So erschließt sich uns peu à peu, dass Frankie seit Jahren Briefe an seinen Tochter schreibt, die diese ungeöffnet zurückschickt. Wenn Maggie umgekehrt in einigen Dialogen anklingen lässt, dass sie eine besonders enge Beziehung mit ihrem verstorbenen Vater verband, mag das als etwas schematische Motivation für das warmherzige Verhältnis der beiden Hauptfiguren erscheinen. Nicht zuletzt darauf basiert freilich die unaufdringliche Qualität dieses Films. Eastwood versucht nicht, die abstrakte Konventionalität seines Materials zu kaschieren, sondern begnügt sich damit, in ein paar zentralen und ein paar nebensächlichen Momenten genau das zu tun, was seit jeher eine besondere Leistung meisterlicher Hollywoodregisseure darstellt: Klischees ganz nebenbei mit Leben zu füllen.
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