Als „Hellblazer“ bewegt sich John Constantine im gleichnamigen britischen Kult-Comic zwischen Himmel und Hölle auf der Jagd nach Dämonen, die im Auftrag des Satans das prekäre irdischen Gleichgewicht zwischen Gut und Böse stören wollen. Einst war er, dies wird erst peu à peu enthüllt, selbst schon der ewigen Verdammnis anheim gefallen, durfte dann aber die Hölle auf Bewährung verlassen – eine originelle Umkehrung des „Heaven can wait“-Motivs vieler, vor allem früherer Hollywood-Filme. Jetzt arbeitet Constantine als eine Art „Ausputzer“ im Auftrag des Erzengels Gabriel, ein „Ghostbuster“ in einem Film, der freilich keine Komödie, sondern eine Mischung aus Action und Horror ist, aus tieferer Bedeutung und popkulturell informierter Spielerei. Die Fersehserie „Buffy the Vampire Slayer“ scheint als Vorlage ebenso wie „Dogma“
(fd 34 203), „Der Exorzist“
(fd 18 987) oder „Die Prophezeiung“ (22 185) Pate gestanden zu haben, weshalb von den Originalgeschichten aus den Comics nicht viel übrig bleibt, zumal auch sonst allerhand abgewandelt und amerikanischen Gepflogenheiten angepasst wurde, beispielsweise der Handlungsort, der einfach nach Los Angeles verlegt wurde.
„Constantine“ ist ein weiterer Big-Budget-Film, der, mit vielen Special Effects gespickt, aus einem etablierten Comic-Helden eine Trademark machen will. Gedreht wurde er von einem Regisseur, der bislang erfolgreich Musikvideos inszenierte, jedoch keinerlei Kinoerfahrung sammeln konnte – ein riskantes Unterfangen, zumal im Vorfeld weitaus namhaftere Filmemacher im Gespräch waren und Warner Bors. mit seinen Comic-Verfilmungen zuletzt nicht gerade erfolgreich war. Doch gemessen an solch eingeschränkten Erwartungen ist der Mystery-Thriller einigermaßen geglückt. Der Film hält, was der furiose Trailer verspricht: schnelles Tempo und noch schnellere Schnittfolgen, glibbrig-schreckliche Monster und Boten der Unterwelt – Effekte, die sehr schön und sauber aussehen, in die im Verhältnis zum Rest aber zu viel Aufmerksamkeit und Geld investiert wurde. Das hätte man besser ins Drehbuch gesteckt. Inhaltlich bewegt sich der Film nämlich innerhalb jener Bahnen, die durch die erwähnten Filme vorgezeichnet wurden. Man sieht nichts Neues, aber das Bekannte ist immerhin solide inszeniert.
Es beginnt in einem südlichen Land mit nicht ganz hellhäutigen Bewohnern, Mexiko, wo „The Spear of Destiny“ gefunden wird, jene Speerspitze, die Christus am Kreuz getötet haben soll. Wer sie besitzt, verkündet ein Insert, „in dessen Hand liegt das Schicksal der Welt“. Warum die Spitze ausgerechnet in Mexiko und auch noch eingewickelt in eine HakenkreuzFlagge verbuddelt wurde, wissen wohl nur die Skript-Doktoren – es ist nicht die einzige Schnapsidee des kruden Drehbuchs. Ein Arbeiter findet das teuflische Ding so zufällig wie Gollum einst seinen Schatz und macht sich schnurstracks auf nach Los Angeles, wo er allerdings erst eine Filmstunde später wieder auftaucht. Derweil wird Constantine eingeführt: bei einem Routine-Exorzismus, dessen rituelle Handgriffe, Gesten und Geräuschehorror man zwar aus „Der Exorzist“ kennt, die hier aber augenzwinkernd eingesetzt sind. Vor allem darf der Held sein Talent zeigen, Keanu Reeves als cool-abgebrühter Detektiv mit Film-Noir-Anklägen, der etwas müde und passiv wirkt. Mit der Zeit enthüllt sich das Drama eines todessehnsüchtigen Anti-Helden, der nicht sterben und seinen Frieden finden kann, weil ihn seine himmlischen Auftraggeber immer wieder zur Arbeit drängen.
Das wäre nicht uninteressant, doch erhält dieser Aspekt so wenig Raum wie die an sich interessante Figur des Erzengels Gabriel, die von Tilda Swinton mit androgynem Charme als liberale Ironikerin gespielt wird. Statt dessen setzt „Constantine“ lieber auf Action und eher grobe Scherze wie einen Schlagring aus Kreuzen, mit dem man auf das Böse eindreschen kann. Ausnahme: die Figur der Polizistin Angela, von Rachel Weisz mit anrührender Intensität verkörpert. Weil sie nicht an den Selbstmord ihrer Zwillingsschwester glaubt, bittet sie Constantine um Hilfe, die wahren Ursachen aufzudecken – und befindet sich bald inmitten des (vor-)letzten Gefechts zwischen Gut und Böse. „Constantine“ ist durchschnittliche Mystery-Action, leidlich unterhaltsam, aber ohne stilistische Stringenz und Tiefe, vor allem aber ohne jenen poetischen Überschuss, den solch ein Fantasiestück braucht, um emotional in Bann zu schlagen. Theologisch informierte Zeitgenossen dürften mit der Filmfassung auch nicht glücklich werden: zu krude der Mix, zu uneinheitlich die Verwendung katholischer Motivik, die mal als bloße Oberfläche und Material dient, dann aber hochkomplexe Sinnebenen aufscheinen lassen soll. Gott ist hier zur Gänze abwesend und offenbar am irdischen Geschehen nicht weiter interessiert. Angesichts des Schicksals, das der Erzengel Gabriel erleidet, kann freilich auch die Verheißung, dass es im Hause des Herrn viele Wohnungen gibt, nur bedingt trösten.