Frühling im Herbst (2001)

Komödie | Tschechien 2001 | 95 Minuten

Regie: Vladimír Michálek

Ein rüstiger Rentner und ehemaliger Operettensänger versüßt sich sein Dasein mit kleinen Streichen und Schwindeleien. Als ihn seine Frau fester an die Kandarre nehmen und sein Sohn ihn sogar ins Heim stecken will, beginnt der alte Mann tatsächlich zu vergreisen. Sympathische Komödie, die auf komödiantische Weise Lebenshilfe bietet und sanft-ironisch Erscheinungen der Gegenwart kritisiert. Ästhetisch ohne große Ambitionen, gewinnt der Film vor allem dann an Kontur, wenn er seine Fabel ins Groteske steigert. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
BABI LETO
Produktionsland
Tschechien
Produktionsjahr
2001
Produktionsfirma
BKP/Buc-Film/Czech TV
Regie
Vladimír Michálek
Buch
Jirí Hubac
Kamera
Martin Strba
Musik
Michal Lorenc
Schnitt
Jirí Brozek
Darsteller
Vlastimil Brodský (Frantisek Hána) · Stella Zázvorková (Emilie Hánová) · Stanislav Zindulka (Eda) · Ondrej Vetchý (Jára Hána) · Petra Spalková (Králová)
Länge
95 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Komödie
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Diskussion
Frantisek Hána ist ein unwürdiger Greis, jedenfalls in den Augen vieler Mitbürger. Immer fällt dem 76-jährigen pensionierten Operettensänger etwas Neues ein, wenn es darum geht, sich geistig beweglich zu halten oder seine alten Tage zu versüßen. So gibt er sich in der U-Bahn als ziviler Kontrolleur aus, um von jungen Schwarzfahrerinnen ein Küsschen zu schnorren. Gefährlicher wird es, wenn er sich gemeinsam mit seinem Freund Eda bei Yuppie-Maklern als millionenschwerer Opernstar aus Amerika vorstellt, der endlich wieder in die tschechische Heimat zurückkehren und deshalb ein teures 24-Zimmer-Anwesen kaufen will. Die Makler lassen jeden Anflug von Freundlichkeit vermissen, als sie herausbekommen, dass sie der Alte an der Nase herumführt. Ihre nachdrückliche Forderung, dass Frantisek für ihre Bewirtungskosten und sonstigen Auslagen aufkommen soll, lässt diesen in eine existenzbedrohende Krise schliddern.

Vladimír Micháleks „Frühling im Herbst“ ist zuallererst ein Starvehikel für Vlastimíl Brodsky. Auch hierzulande hat der beliebte tschechische Schauspieler durch seine Titelrolle in Frank Beyers „Jakob der Lügner“ (fd 19 636) einen klangvollen Namen; unvergesslich auch seine Mitwirkung in einigen markanten Filmen des Prager Frühlings wie Jirí Menzels „Lerchen am Faden“ (fd 28 815). In „Frühling im Herbst“ schlurft Brodsky nun noch einmal mit melancholischem Lächeln und schelmischem Blick durchs Geschehen. Wie Jakob und viele andere Figuren charakterisiert er auch den Frantisek als Verweigerer: Indem er – unter anderem – „der neuen Geldbourgeoisie vors Schienenbein tritt“, hält er sich fit und lehnt sich gegen Lethargie und Tod auf.

Die „Gegenentwürfe“ zu Frantiseks munterem Dasein werden von Buch und Regie etwas vordergründig skizziert: Ein greiser Nachbar muss tagtäglich immer mit derselben Körperhaltung aus dem Fenster blicken, abwesend stumm, nicht mehr erreichbar. Frantiseks Ehefrau Emilie, die ihren Lebensabend sozusagen „in Würde“ verbringt, spart anders als ihr Mann schon seit langem das Geld fürs Begräbnis. Auch der Sohn wird als kleinbürgerlich skizziert: Weil er die Wohnung der Eltern selbst beziehen will, möchte er die Alten gerne ins Heim abschieben. Die dramaturgischen Schlichtheiten des Films, der auch in Bildgestaltung und Schnitt nicht über konventionelles Fernsehniveau hinaus gelangt, werden jedoch von den berührenden Darstellern aufgehoben. Wenn sich Brodsky und sein Partner Stanislav Zindulka gegenseitig die Bälle zuspielen, erinnern sie durchaus an die kauzigen Komödianten Jack Lemmon und Walther Matthau. Stella Zazvorková als Emilie vermeidet jede Verzerrung ihrer Figur ins Karikaturenhafte und macht auch in jenen Szenen, in denen sie Frantiseks Eskapaden ablehnt, ihre Liebe zu ihm deutlich. Nur so ist ihre bodenlose Enttäuschung zu verstehen, als er eines Tages – aus akuten Finanzschwierigkeiten – ihr gegenüber zur Notlüge seines eigenen Todes greift: Dieses makabre Spielchen will sie nicht mehr mitspielen. Der „vorgetäuschte“ Tod, aber auch jene Sequenz, in der die beiden Schwerenöter eine Blumenhändlerin um Geld für einen Steptanz-Kurs bitten (das sei die Voraussetzung für die Hauptrolle in einem Hollywood-Opus über den Retter von Kindern vor dem KZ!), führt den Film in Regionen des Grotesken und Aberwitzigen – zweifellos seine besten Momente. „Frühling im Herbst“ endet nicht mit Altersheim und langsamem Dahindämmern, sondern mit einem weiteren Frühling, in dem neben Frantisek nun auch Emilie kräftig mitmischt. Leider erreichte jene Art Lebenshilfe, die von diesem Kinomärchen ausging, den Hauptdarsteller selbst nicht mehr: Unmittelbar zu Beginn des Tschechischen Filmfestivals in Pilsen 2002, bei dem „Frühling im Herbst“ den Siegespokal „Goldener Eisvogel“ erhielt, schied Vlastimíl Brodsky 82-jährig aus dem Leben. Er erschoss sich in seinem Wochenendhaus; wie es hieß, aus Einsamkeit.

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