Ein besonders strenger Winter spaltet die Menschen in einer kleinen Gemeinde im hohen Norden Islands gegen Ende des 17. Jahrhunderts: Während die einen noch an böse Geister und Dämonen glauben, bauen die christlichen Gemeindemitglieder auf Gottes Fügung. Als ein elfjähriger Eskimojunge auftaucht und mit dem gleichaltrigen Sohn des Pfarrers Freundschaft schließt, kommt es zu Konflikten, die das Gemeinwesen auf die Probe stellen. Ein hervorragend ausgestatteter und inszenierter, ebenso spannender wie amüsanter Kinderfilm, der beherzt und pointiert für Toleranz und Freundschaft wirbt und ein vorurteilsfreies Miteinander aller Kulturen als Basis menschlicher Zivilisation beschreibt.
- Sehenswert ab 10.
Ikingut - Die Kraft der Freundschaft
Kinderfilm | Island/Norwegen/Dänemark 2002 | 87 Minuten
Regie: Gísli Snær Erlingsson
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Filmdaten
- Originaltitel
- IKINGUT
- Produktionsland
- Island/Norwegen/Dänemark
- Produktionsjahr
- 2002
- Produktionsfirma
- Filmhuset/The Icelandic Film Croporation/Zentropa
- Regie
- Gísli Snær Erlingsson
- Buch
- Jon Steinar Ragnarsson
- Kamera
- Sigurdur Sverrir Pálsson
- Musik
- Vilhjálmur Gudjónsson
- Schnitt
- Skule Eriksen · Sigvaldi J. Kárason
- Darsteller
- Hjalti Runar Jónsson (Boas) · Hans Tittus Nakinge (Ikingut) · Palmi Gestsson (Thorkell) · Jon Magnus Ragnarsson (Vater Jon) · Freydis Kristofersdottir (Asa)
- Länge
- 87 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 6
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 10.
- Genre
- Kinderfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Diskussion
Eine Siedlung im hohen Norden Islands gegen Ende des 17. Jahrhunderts: Hier lebt der elfjährige Junge Bóas in einer kleinen Gemeinde, die in diesem strengen Winter ganz besonders hart mit den eisigen Kräften der Natur zu kämpfen hat. Packeis treibt auf die Küste zu, das Fischen scheint unmöglich, die Vorräte schrumpfen zusehends. In solch extremer Situation zeigt sich um so deutlicher der Riss, der sich durchs Gemeinschaftsleben zieht: auf der einen Seite stehen die christlich „sozialisierten“ Bewohner, die regelmäßig die kleine Kirche besuchen und daran glauben, dass ihr Weg von Gott gelenkt ist; auf der anderen leben viele noch im Unglauben und in der heidnischen Angst vor dunklen Mächten, Dämonen und bösen Geistern. Für Bóas, den Sohn des Pfarrers, ist dieser Gegensatz kein sonderlicher Widerspruch; er wächst mit beiden „Anschauungen“ auf und denkt vor allem nur an die abenteuerliche Seite seiner Entdeckung, als er eines Tages lauthals verkündet, dass er ein kleines weißes „Ungeheuer“ gesehen habe. Die kleine Gemeinde aber gerät in starke Turbulenzen und eine schwere existenzielle Zerreißprobe: Das bedrohliche fremde Wesen entpuppt sich zwar als ein sympathischer Eskimojunge, gekleidet in ein weißes Robbenfell, doch seine unverständliche Sprache, sein ungewohntes Verhalten, ja seine Fremdheit ganz allgemein lassen viele eher an einen Dämon glauben. Bóas’ Familie nimmt den Jungen indes freundlich auf, und zwischen Bóas und Ikingut, wie man den Eskimojungen nennt, weil er selbst dieses Wort häufig gebraucht, entwickelt sich eine tiefe Zuneigung, die keiner gemeinsamen Sprache bedarf. Ikingut rettet Bóas das Leben, gemeinsam fangen sie Fische und tauschen ihr Wissen und ihre Erfahrungen aus. Doch das Glück ist durch die Zivilisation der Menschen ebenso wie deren Ängste bedroht: Ikingut wird bei der Obrigkeit angeschwärzt, der arrogante, machtgierige Gemeindevorsteher lässt den Jungen einsperren. Solcher Willkür wollen sich aber die Kinder nicht beugen: Bóas startet mit seiner Schwester Asa eine Rettungsaktion, die für Abenteuer und Gefahren sorgt, am Ende aber doch zum Guten führt. Ikingut wird auf einem Walfangschiff in seine Heimat zurückkehren – ein schwerer Abschied für die Freunde.
Ikingut, das erklärt am Ende der norwegische Kapitän des Walfangschiffes, heißt nichts anderes als Freund, und so haben alle den fremden Eskimojungen immer schon „Freund“ genannt, auch wenn es ein langer und steiniger Weg bis zu der Erkenntnis war, dass Freundschaft die unverbrüchliche Grundlage dafür ist, Ängste und Misstrauen gegenüber dem vermeintlich bedrohlichen Fremden zu überwinden. Im Grunde ist also dieser stimmungsvolle, teilweise recht spannende, stets aber amüsante und lustige Kinderfilm eine perfekte „Studie“ über die menschliche Zivilisation, über Fremdenhass und Vorurteile, Toleranz und christliche Nächstenliebe. All dies würde freilich nicht funktionieren, wenn „Ikingut“ nicht zuallererst ein stimmungsvoll erzähltes, hervorragend ausgestattetes und inszeniertes Kinoabenteuer für Große und Kleine zugleich wäre. Es ist beneidenswert zu erleben, wie viel Sorgfalt und Zuneigung in die Gestaltung gesteckt wurde: von der „satten“ Musik, die die Emotionen geschickt lenkt und vertieft, bis zu den stimmungsvollen Bildern, die die Eiseskälte der nordischen Einöde in Kontrast zu der Wärme der Innenräume und schließlich auch zur Herzenswärme der Menschen setzt. Wieder einmal sind es dabei die Kinder, die noch vorurteilsfrei aufeinander zu gehen können, während die Erwachsenen bereits vor 300 Jahren zunächst einmal ihren Panzer ablegen müssen, um einen Wert wie Toleranz anzuerkennen und zu begreifen, dass nur das vorurteilsfreie Miteinander der Kulturen eine Zukunft verspricht. Gegen Ende verliert der Film etwas von seinem erzählerischen Rhythmus, manches geht etwas zu schnell, und die Versöhnung aller Fronten während eines Fests ist eine etwas zu schön gefärbte Utopie. Doch wo, wenn nicht im Kino, hätte ein solches versöhnendes Schlussbild seinen berechtigten Platz?
Anmerkung: Leider ist „Ikingut“ nicht im Kino zu sehen, obwohl er die große Leinwand verdient hätte. Der Film wird aber immerhin von Matthias Film und dem Bundesverband Jugend und Film zum Kauf mit der Lizenz für nichtgewerbliche öffentliche Vorführungen präsentiert. Kinder- und Jugendfilm-Initiativen können sich dadurch einen eigenen Bestand mit herausragenden Filmen schaffen und diese in ihren Veranstaltungen einsetzen. „Inkingut“ wird zudem als „DVD educativ“ angeboten: Attraktives Zusatzmaterial dient der vertiefenden pädagogischen Auseinandersetzung mit dem Film, wobei sowohl der filmischen Dramaturgie als auch den ethischen Aussagen der Fabel angemessen Beachtung geschenkt wird.
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