- | Deutschland 2002 | 92 Minuten

Regie: Michael Gutmann

Ein Jugendlicher kehrt nach einjähriger Abwesenheit in sein hessisches Heimatdorf zurück und muss sich seinem Alltag stellen, im dem nichts rund zu laufen scheint. Es entwickelt sich eine Liebesbeziehung zu einem polnischen Aupair-Mädchen, doch auch diese ist mit Hindernissen und Missverständnissen belastet. Ein hervorragender Jugendfilm, geprägt von kleinen Gesten und liebevoll skizzierten Personen, getragen von überzeugenden Darstellern. Die unspektakuläre Geschichte wird fern von modischen Referenzen erzählt und schafft gerade durch ihre Zurückgenommenheit einen zeitübergreifenden Raum von "Jugend". - Sehenswert ab 12.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2002
Produktionsfirma
Claussen + Wöbke Filmprod.
Regie
Michael Gutmann
Buch
Michael Gutmann · Hans-Christian Schmid
Kamera
Klaus Eichhammer
Musik
Rainer Michel
Schnitt
Monika Abspacher
Darsteller
Tom Schilling (Jakob) · Alicja Bachleda-Curus (Wanda) · Leonard Lansink (Wolfgang Gebhard) · Katharina Müller-Elmau (Ute Gebhard) · Anna von Berg (Petra)
Länge
92 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 12.
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Verleih DVD
BMG
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Jakob ist wieder da. Ein Jahr nach dem Tod seiner Mutter, ein Jahr, nachdem er die Schule geschmissen hat und einfach abgehauen ist, taucht er wieder in Kronberg/Taunus vor den Toren Frankfurts auf. Wo ist er gewesen? „Berlin.“ Was will er jetzt wieder hier? Keine Ahnung, sagt er, er sei auf der Durchreise. Jakob ist ziemlich durch den Wind. Zunächst begegnet er Wanda, die ihm souverän aus einer dummen Situation hilft. Vorerst kommt Jakob bei seiner hochschwangeren Schwester Petra unter, was aber keine Lösung ist. Petra, alleinerziehende Mutter mit häufig abwesendem Freund, hat selbst genügend Probleme. Und die alten Freunde? Sie reagieren freundlich, aber auffallend distanziert – ihr Leben ist weitergegangen. Jakob sucht sich einen Job an der Tankstelle; durch ein dummes, selbstverschuldetes Missgeschick kriegt er dort richtig Ärger und hat jetzt auch noch jede Menge Schulden. In seinem Leben läuft nichts rund, wo er auch hinkommt, scheinen alte Rechnungen offen; bevor er abhaute, war er wohl ein „Troublemaker“, oft wider Willen, und das ist er auch jetzt. Bei einem Pfadfindernachmittag trifft er wieder Wanda, die junge Polin, die ausgerechnet bei seiner verhassten Ex-Deutschlehrerin Ute Gebhard als Aupair-Mädchen angestellt ist. Zwischen den Beiden entwickelt sich eine ganz normale Liebesgeschichte mit allerlei Hindernissen und Missverständnissen. „Herz im Kopf“ ist der jüngste Jugendfilm aus der Drehbuchwerkstatt von Michael Gutmann und Hans-Christian Schmid („Nach fünf im Urwald“, „23“, „Crazy“). Diesmal hat Gutmann inszeniert, und sein Film ist ein echter Glücksfall. Er erzählt eine kleine, unspektakuläre Geschichte über das deutsche Leben jenseits der Großstädte sowie der angesagten Dress-Codes und Hip-Rituale, von dort, wo die Geschichte, insbesondere auch die Pop-Geschichte, stillzustehen scheint. Nichts von dem, was gemäß Werbung „Jugend“ definiert und signifiziert, spielt hier eine Rolle: keine Computer, keine Mode-Drogen, kein MTV, keine HipHop-Beats und -Posen, keine Clipästhetik, keine bedeutungsschwanger ins Bild gerückten Plattencover, keine Kinobesuche. Vielleicht gelingt dem Film gerade durch diese Zurückgenommenheit gegenüber der aktuellen Warenwelt die Schaffung eines imaginären, zeitübergreifenden Raums von „Jugend“, an den problemlos auch weiter zurück liegende Erinnerungen angekoppelt werden können. So ist „Herz im Kopf“ auch mit kleinen Reminiszenzen an „klassische“ bundesdeutsche Jugendfilme der 70er-Jahre angereichert, und dies bewirkt einen leicht surrealen Anstrich, der direkt aus dem Alltag erwächst: Wenn etwa Jakob vor der abweisend urbanen Kulisse der Frankfurter Skyline auf einem Pferd reitet, denkt man unwillkürlich an Hark Bohms „Im Herzen des Hurrican“ (fd 22 375). Freilich sind solche Referenzen ein unaufdringlicher erzählerischer Überschuss, ihre Verdichtung zu explizit sozialkritischen oder ökologischen Statements erspart Gutmann sich (und dem Zuschauer). „Herz über Kopf“ ist ein ganz alltäglicher Film über das Sich-Verlieben, die kleinen Gesten, die Angst, sich zu öffnen, missverstanden zu werden und ein Risiko einzugehen; ein Film, der sich ganz auf die wenigen Tage konzentriert, in denen er spielt. Bewundernswert ist der Mut, das Handeln der Figuren nicht zu über-psychologisieren und auch die für Jakobs mitunter unberechenbares Ausrasten so wichtige Vorgeschichte mehr anzudeuten als sie in hölzerne Dialoge oder Rückblenden aufzulösen. Der Film leistet sich einige Leerstellen in seiner Erzählung, selbst die Armut und Verzweiflung von Jakobs Schwester sind so präzise umgesetzt, dass sie nicht eigens thematisiert werden muss. Stattdessen nutzt der Film seine Zeit, um eine Reihe von Nebengeschichten liebevoll zu skizzieren, die ihrerseits der zentralen Liebesgeschichte produktiv zuarbeiten und sie bereichern. Damit all dies gelingt, bedarf es eines Ensembles perfekt gecasteter Darsteller, allen voran der wunderbar präsente Tom Schilling und die famose Entdeckung Alicia Bachleda-Curus (hierzulande, in Polen ist sie seit Andrej Wajdas „Pan Tadeusz“ein Star!). Doch letztlich sind es wohl das mit ausgedehnten Recherchen gepaarte Gespür für Zwischentöne, der fast semi-dokumentarische Ansatz und der erzählerische Reichtum, der „Herz über Kopf“ über alle modisch-präpotent dröhnenden Jugendfilme heraushebt. Lieber leistet sich der Film Andeutungen einer weiteren kleinen Liebesgeschichte, die ihrerseits bereits durch die Besetzung (David Scheller) als eine kleine, feine Hommage an Vincent Gallo und dessen „Buffalo ’66“ (fd 33 436) funktioniert, was wiederum programmatisch für „Herz im Kopf“ scheint, vor allem für den Ton, der hier angeschlagen wird. Auch der Soundtrack ist sensibel auf den Film abgestimmt: Hier stammen die zentralen Songs von den Kings of Convenience aus Norwegen, die so klingen wie früher Simon & Garfunkel; ihre Songs sind fast schon als (figurenperspektivischer, nicht auktorialer) Kommentar eingesetzt: „There are very many things, I would like to say to you / But I lost my way and I lost my words / There are very many places / I would like to go / But I can’t find the key to my door“, heißt es in „Weight of My Words“.
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