Zwei Brüder, die in einer Lebenskrise stecken, reisen nach Japan, um in einem Zen-Kloster Ruhe und Frieden zu finden. In Tokio verlieren sie sich, ihr Geld und ihre Papiere und irren tagelang durch die Stadt. Aber auch das Leben im Kloster stellt sie vor harte Proben. Ein digital aufgenommener, nachträglich auf 35mm aufgeblasener Film, der stilistisch wenig überzeugend zwischen Home-Video, Einführung in den Zen-Buddhismus und fernöstlichem Road Movie oszilliert. Trotz dieser formalen Schwächen berührt nachhaltig die Ernsthaftigkeit, mit der die spirituelle Kraft meditativer Aufmerksamkeit thematisiert wird und existenzielle Töne anklingen.
- Ab 14 möglich.
Erleuchtung garantiert
Road Movie | Deutschland 1999 | 109 Minuten
Regie: Doris Dörrie
Kommentieren
Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 1999
- Produktionsfirma
- megaherz TV
- Regie
- Doris Dörrie
- Buch
- Doris Dörrie · Ruth Stadler
- Kamera
- Hans Karl Hu
- Schnitt
- Inez Regnier · Arne Sinnwell
- Darsteller
- Uwe Ochsenknecht (Uwe) · Gustav Peter Wöhler (Gustav) · Petra Zieser (Petra) · Ulrike Kriener (Ulrike) · Anica Dobra (Anica)
- Länge
- 109 Minuten
- Kinostart
- -
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 14 möglich.
- Genre
- Road Movie
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Heimkino
Diskussion
Ein buddhistisches „Koan“ ist eine Art Rätsel, auf das es keine Antwort im logischen, wohl aber im praktischen Sinne gibt. Seine „Lösung“ besteht darin, dass die Fragen im Lauf der Beschäftigung allmählich an Bedeutung verlieren. Mit Doris Dörries jüngster „Komödie“ verhält es sich ähnlich: Herkömmliche Kategorien greifen zu kurz bei diesem seltsamen Unikat, das zwischen privatem Home-Video, Einführung in die Zen-Meditation und fernöstlichem Road Movie heftig oszilliert und bei Wohlmeinenden entlastende Vergleiche mit der „Dogma ‘95“-Welle oder dem „cinéma vérité“ heraufbeschworen hat. Dörrie schickt darin Uwe Ochsenknecht und Gustav-Peter Wöhler als unterschiedliches Brüderpaar auf eine semi-fiktive Abenteuerreise nach Japan, die sie mit einer digitalen Videokamera dokumentiert und zu einem irritierend „unprofessionellen“ Film geschnitten hat, dem die Lust am Experiment deutlich anzumerken ist. Es geht wie immer bei ihr um Sinn- und Lebenskrisen deutscher Großstadtmenschen jenseits der Dreißig, die sie mit der ihr eigenen Mischung aus Ironie, Distanz und Anteilnahme beobachtend reflektiert. Der eine, Uwe, ein etwas großspuriger Möchtegern-Macho ohne Zugang zu seinen Gefühlen, verkauft Küchen und stürzt ins heulende Elend, als ihm Frau und Kinder plötzlich den Rücken kehren; der andere, Gustav, spürt als Feng-Sui-Berater blockierten Energieflüssen nach, weiß sich selbst aber in (lebens-)praktischen Dingen nur selten zu helfen. So kann er sich auch seines Bruders nicht erwehren, der in seiner Not partout mit ihm nach Japan zum Meditieren will, obwohl er für dessen Esoterik-Trip bislang nur Verachtung übrig hatte. Im nächtlichen Tokio gehen beide gänzlich verloren: Ohne Geld und Papiere irren sie durch einen unverständlichen Zeichendschungel und vollziehen noch unfreiwillig, was sie später im Kloster durch strenge Askese und rituelle Übungen freiwillig praktizieren: von allem loszulassen und sich ganz dem Augenblick anzuvertrauen.Ein Exerzitium ist auch der Film, der sich weniger geduldigen Betrachtern nur schwer erschließen wird, weil seine Qualitäten „erlitten“ werden müssen: Eine Ahnung von der (spirituellen) Kraft des nichtdenkenden Aufmerkens vermittelt sich durchaus, am eindringlichsten wohl durch die geschickte Montage, die im Lauf der Handlung immer ruhiger und klarer wird und vor allem bei den Meditationssitzungen eine erstaunliche Verdichtung schafft. Um dies zu „erleben“, wie in der monotonen Wiederholung exakt definierter Gesten und Körperrituale eine wache Zufriedenheit, Konzentration und innere Ruhe liegt, muss man sich allerdings durch viele unbedarfte Szenen quälen, die einem sehr eigenwilligen Konzept entspringen: einer Art Anti-Inszenierung, die nicht nur der Schwerfälligkeit üblicher Filmproduktionen entkommen, sondern sich darüber hinaus auch den Figuren mehr als üblich nähern will. Die Darsteller „spielen“ sich deshalb über weite Strecken selbst, ein paar markante Pointen stehen neben einer Menge improvisierter (Alltags-)Dialoge, „zufällige“ Aufnahmen, Schnappschüsse und strukturierende Bilder wechseln sich je nach Materiallage ab. Das alles hat sehr viel mit Authentizität zu tun, bis hin zu den Schauspielern, deren Charaktere und Erfahrungen das „Drehbuch“ nachhaltig beeinflussten: Weil Ochsenknecht mit den Zen-Übungen im Kloster besser zurecht kam als Wöhler, änderte sich auch das Skript und die Konstellation ihrer Bruderbeziehung.Doris Dörries Hoffnung, mit der handlichen Kamera und einem kleinen Team der „la verité“ auf der Spur zu sein oder sich in Japan wie ein „Tourist in die Realität zurück(zu)schleichen“, offenbart allerdings eine gewisse Naivität, die man angesichts ihrer Erfahrung als Schriftstellerin nur mit einem hohen persönlichen Interesse am Inhalt erklären kann. Im Zen-Buddhismus und seiner Lebensphilosophie hatte die Regisseurin nach dem Tod ihres Mannes selbst eine Haltung gefunden, die es ihr erlaubt, das „memento mori“ im Kopf zu haben und dennoch dem „carpe diem“ zu huldigen. Der Weg ihrer Protagonisten, die nach und nach tragende Sicherheiten einbüßen und ihr inneres Gleichgewicht verlieren, durch den Klosteraufenthalt aber ihre Nöte relativieren können und eingefahrene Lebenseinstellungen hinterfragen, ist mehr und anderes als eine simple Plot-Konstruktion, so wie sich schon auch in „Bin ich schön? (fd 33 329) existenzielle Untertöne nicht überhören ließen. Selbst wenn „Erleuchtung garantiert“ mit den konventionellen Vorstellungen von Kino nur seine (völlig irreführende) Marketing-Kampagne teilt und als filmische Kunst kaum überzeugt, berühren die Ernsthaftigkeit, mit der sich Dörrie dem Thema stellt, und das Anliegen, von dem man hofft, dass es in den künftigen Arbeiten der Regisseurin eine adäquatere Form findet.
Kommentar verfassen