Das Leben ist schön (1997)

Komödie | Italien 1997 | 124 Minuten

Regie: Roberto Benigni

Ende der 30er Jahre träumt ein assimilierter italienischer Jude in Arezzo vom kleinbürgerlichen Glück, das ihm in Gestalt einer hübschen Lehrerin auch gewogen scheint. Mit originellen Einfällen entführt er sie mitten aus ihrer Verlobungsfeier und gründet eine Familie. Als fünf Jahre später alle Juden ins Vernichtungslager deportiert werden, bringt es der Vater nicht übers Herz, seinen Sohn mit der grausamen Wahrheit zu konfrontieren und gaukelt ihm vor, daß alles ein großangelegtes Spiel sei. Der als Loblied auf die Kraft der Fantasie und den menschlichen (Über-)Lebenswillen angelegte Film beginnt als beschwingte Romanze mit märchenhaften Untertönen und endet in einer bitter-absurden Tragödie, in der das Lachen zum schmerzhaften Reflex gefriert. Zwar bleibt der Versuch, mit den Mitteln des Tragisch-Komischen an den Holocaust zu erinnern, eine höchst ambivalente Angelegenheit, dennoch verdient der mit hoher Sensibilität und großer Ernsthaftigkeit inszenierte Film Respekt als ein bewegender Versuch, auf besondere Weise (Kino-)Bilder für die unverbrüchliche Würde der Holocaust-Opfer zu finden. Die von tiefer Menschlichkeit geleitete Rigorosität, mit der hier ein in Tabuzonen und Chiffren verfangenes Thema angegangen wird, wird dabei zu einem ganz und gar singulären Ereignis. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
LA VITA E BELLA
Produktionsland
Italien
Produktionsjahr
1997
Produktionsfirma
Melampo Cinematografica
Regie
Roberto Benigni
Buch
Vincenzo Cerami · Roberto Benigni
Kamera
Tonino Delli Colli
Musik
Nicola Piovani
Schnitt
Simona Paggi
Darsteller
Roberto Benigni (Guido) · Nicoletta Braschi (Dora) · Giorgio Cantarini (Giosuè) · Giustino Durano (Onkel) · Sergio Bustric (Ferruccio)
Länge
124 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Komödie | Drama
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
StudioCanal
Verleih Blu-ray
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Tragikomödie von und mit Roberto Benigni um einen italienischen Juden, der sein Kind mittels eines "Spiels" vor dem Grauen der Vernichtungslager abschirmen will.

Diskussion
Roberto Benigni ist ein begnadeter Komiker und zudem ein Regisseur, der nicht nur in seinen physischen Slapstick-Karikaturen äußerst präzise zu Werke geht. Mit seinem sechsten Film wagt er sich allerdings an ein Thema, dem selbst Satire und Ironie schlecht anstehen: den Holocaust. Eine „KZ-Komödie“ klingt im ersten Augenblick so ungeheuerlich wie der programmatische Titel. Und doch läßt sich über diesen am ehesten eine Brücke schlagen. Er bezieht sich auf ein Trotzki-Zitat, der im Angesicht des sicheren Todes durch die Häscher Stalins daran festhielt, daß das Leben schön sei. Benigni greift dieses Credo auf und spinnt es zu einem kühnen Loblieb auf die Kraft der Fantasie und den menschlichen (Über-)Lebenswillen fort. Sein von ihm grandios gespielter „Held“ Guido ist ein assimilierter italienischer Jude, der Ende der 30er Jahre nach Arezzo kommt, um eine Buchhandlung zu eröffnen. Auf der Fahrt dorthin fällt ihm seine „Principessa“ buchstäblich in die Arme: Dora, eine Lehrerin, die sich vom liebenswerten Charme des unbeschwerten Traumtänzers durchaus berühren läßt. Die junge Frau aber ist schon einem anderen versprochen, der in Gestalt des Magistratsbeamten wenig später Guidos spaßige Art gar nicht lustig findet. Damit ist es mit den Geschäftsideen zunächst vorbei, ohne daß sich Guido die Laune verderben ließe. Was sein Einfallsreichtum und Improvisationsgeschick wert sind, erfahren zunächst sein Onkel, der ihn als Kellner in seinem vornehmen Hotel beschäftigt, und Doras Schülerschaft, der er als vermeintlicher Schulinspektor die italienische Rassismusvariante kunstvoll und mit viel Körpereinsatz zerpflückt. Ins Stolpern gerät der schmächtige Luftikus erst, als Doras Verlobung mit einem pompösen Empfang im Hotel des Onkels gefeiert werden soll.

Benigni gestaltet diese weitausholende Exposition als eine beschwingte romantische Komödie mit märchenhaften Untertönen, in der sein Talent, Dinge total zu verwirren und geistreich wieder auf den Punkt zu bringen, viel Platz findet. Die Mißklänge faschistischer Willkür und Ideologie färben zwar die Ränder, tragen in der originellen Verkehrung durch den aufgeweckten Schalk Guidos aber ebenso zum Reiz dieser poetischen Fabel bei wie die wunderbar zelebrierte Liebesgeschichte eines scheinbar vorherbestimmten Paares, das auf einem von den Faschisten grün angestrichenen „jüdischen Pferd“ mitten aus dem Festbankett ins Glück entschwindet. Knapp fünf Jahre später wuselt der kleine Giosuè zwischen ihren Beinen und sperrt Guido jeden Morgen seinen Buchladen auf. Doch auf dem Marktplatz der lebensfrohen Stadt ist das Treiben erloschen. Vereinzelt prangen gelbe Judensterne an den Fenstern und patroullieren deutsche Soldaten durch die Straßen. Als Dora am Geburtstag von Giosuè nach Hause kommt, ist die Tür eingeschlagen, Vater und Sohn sind verschwunden. Der Gestapo-Mann am Bahnhof verzieht keine Miene, als Dora verlangt, in die Viehwagons mit den Deportierten gelassen zu werden. Damit beginnt die lange Tragödie, in der das Lachen zum bitterbösen, galligen Reflex gefriert. Denn Guido, dem der Ernst der Lage keine Sekunde verborgen bleibt, will das Kind nicht aus seiner unschuldigen Welt reißen und erfindet ein makabres Spiel, indem er dem Jungen vorgaukelt, dies alles sei Teil seiner Geburtstagsüberraschung. Das KZ wird zum Ferienlager, die Inhaftierten zu Mit- und die Aufseher zu Gegenspielern. Wer als erstes 1000 Punkte gesammelt habe, dürfe einen echten Panzer mit nach Hause nehmen. Mit immer grausameren Einfällen gelingt es Guido, die Angst des Jungen zu beschwichtigen und ihn vor der Gaskammer zu retten. Das Gebrüll der KZ-Schergen „übersetzt“ er in seinen imaginativen Regelkanon, der mit wachsender Gefährung immer bizarrere Details annimmt, am Ende Giusoè aber vor der Vernichtung bewahrt. Auch Dora, die im Frauentrakt das Schicksal der Verdammten teilt, kann Guido ein Hoffnungszeichen zukommen lassen, indem er über die Lagerlautsprecher ihr Liebeslied erklingen läßt. Als die Alliierten anrücken und die SS die abgemagerten Gestalten auf LKWs treibt, um sie in Massengräbern zu erschießen, verkleidet er sich als Frau, um Dora zu suchen – und rettet noch einmal ein Leben.

Niemand wird Benigni die Ernsthaftigkeit und die große Sorgfalt absprechen können, mit der er die schwierige Aufgabe ins Werk setzt. Keinen Moment läuft die Inszenierung Gefahr, das Andenken der Opfer zu instrumentalisieren oder für das Unfaßbare Erklärungen liefern zu wollen. Selbst wo in Gestalt des KZ-Arztes Dr. Lessing eine realistische Ebene gestreift wird, der, süchtig nach Rätseln, Guidos Hilferuf im entscheidenden Augenblick negiert, wahrt die Inszenierung den grotesk-absurden Rahmen. Für Benignis Sensibilität im Umgang mit dem Thema spricht, daß er bei aller Überzeichnung und sarkastischen Zuspitzung nie vorgibt, das Grauen ernsthaft darstellen zu wollen. Noch im nebelverschwommenen Bild eines gespenstischen Leichenberges bleibt der Film eine – bittere – Mär, die mit den Mitteln einer abgründigen Komik an entmenschte Zeiten erinnert. Über die Ambivalenz dieser todtraurigen Geschichte täuschen allerdings auch die vielen Preise (u.a. „Goldene Palme“ in Cannes) und Auszeichnungen (beispielsweise in Israel) nicht hinweg, mit denen der tiefbewegende Film ausgezeichnet wurde. Denn das Plädoyer für die Kraft befreiender Imagination selbst in der ausweglosesten Situation hätte so wenig des „Holocaust“-Sujets bedurft wie das Eingedenken der Schoah die quälende „Komödien“-Form. Weder der Rekurs auf spezifische „Lager“-Formen jüdischen Humors noch Benignis persönliche Erfahrungen mit seinem Vater, der, zwei Jahre in einem deutschen Arbeitslager interniert, seines Lebens erst wieder froh wurde, als er darüber Scherze machen konnte, scheinen eine angemessene Rechtfertigung zu sein, als Nachgeborener die Strategien der Überlebenden zu adaptieren. (Vgl. Porträt zu Kameramann Tonio Delli Colli in dieser Ausgabe, S.9.)
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