Unterwegs als sicherer Ort

Dokumentarfilm | Deutschland 1997 | 92 Minuten

Regie: Dietrich Schubert

Die bewegende Lebensgeschichte des in Köln lebenden jüdischen Schriftstellers Peter Finkelgruen, der seine Kindheit und Jugend in Shanghai, Prag und Haifa verbrachte. Der Film ist zugleich eine bewegende dokumentarische Studie über das Unbeheimatetsein und die Suche nach den eigenen Wurzeln in einer Welt, die nur zögernd Zuflucht bietet. Finkelgruens Schicksal steht exemplarisch für eine Generation, die auch heute noch im Bewußtsein erlittenen Unrechts leben muß. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
1997
Produktionsfirma
Dietrich Schubert Filmprod./ WDR
Regie
Dietrich Schubert
Buch
Katharina Schubert · Dietrich Schubert
Kamera
Uwe Schäfer
Musik
Wolfgang Hamm
Schnitt
Ingrid Terheggen
Länge
92 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
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IMDb

Diskussion
Peter Finkelgruen, ein in Köln lebender Schriftsteller und Jude, sucht einen Mörder. Besser gesagt, er versucht, den SS-Mann Anton Malloth, Aufseher in der "Kleinen Festung" Theresienstadt, der Justiz zu überantworten, schließlich ist Malloth für den Tod von Finkelgruens Großvater verantwortlich. Doch Malloth lebt unbehelligt in Pullach bei München, kassiert Sozialhilfe und hat die Gewißheit, den perfekten Mord begangen zu haben. Einen Mord, der aktenkundig ist - Malloth wurde in der CSSR zum Tode verurteilt - , der jedoch in Deutschland nicht geahndet wird. Von Köln über Pullach nach Meran, wo Malloth bis 1988 wohnte, begleitet der Dokumentarfilmer Dietrich Schubert seinen Freund Peter Finkelgruen, um dann in ferne Orte wie Shanghai, Prag und Haifa abzuschweifen, die zwar nichts mehr mit Malloth zu tun haben, jedoch für des unstete Leben Finkelgruens stehen.

Im japanisch besetzten Shanghai wurde er 1942 geboren, den Gaskammern zwar entkommen, doch nicht dem Einflußbereich der Nazis. Diese konnten die verbündete Achsenmacht Japan von der "Endlösung der Judenfrage" überzeugen, woraufhin 1943 ein Ghetto für staatenlose Ausländer - überwiegend Juden - eingerichtet wurde. Finkelgruens Vater erlag den Strapazen. 1946 übersiedelte der kleine Peter mit seiner Mutter zur Großmutter, die das KZ Theresienstadt überlebt hatte, nach Prag, verlebte dort die glücklichsten Jahre seiner Kindheit, um 1951, nach dem Tod der Mutter, nach Haifa verschifft zu werden, wo er mit seiner Großmutter endlich Wurzeln schlagen sollte. Doch das "gelobte Land" war für die "arische" Frau, die treu zu ihrem jüdischen Mann gehalten hatte, alles andere als ein Paradies. Wegen ihrer deutschen Sprache wurde sie im Kibuzz als "Nazifrau" eingestuft; Peter Finkelgruen, ungefragter Weltbürger, fühlte sich als Kind zweiter Klasse und konnte in Israel kein zuhause finden. Irgendwann führte seine Spur dann doch nach Deutschland.

Schubert drehte keinen Film über den perfekten Mord, auch keinen Film über Anton Malloth. Entstanden ist eher ein Film über das Unbeheimatetsein und die Suche nach den eigenen Wurzeln. Heimat findet Finkelstein zwar auch in Schuberts Film nicht, immerhin aber Spuren seiner Vergangenheit. Den abgegriffenen Paß seines Vaters etwa, mit dem großen "J" verunstaltet, Dokument eines unfreiwillig unsteten Lebens, oder Spuren der Erinnerung, wie jene verschwundenen jüdischen Friedhöfe in Shanghai, die längst eingeebnet sind und nur noch im Geiste existieren; die Namen der Opfer in Theresienstadt, die Erinnerung an Prag, wo Hans Martin Schleyer während der Kriegsjahre als SS-Offizier stationiert war; Haifa endlich, wo zumindest ein Grabstein steht, der der Tante, auf seiner Rückseite sind die Namen der Eltern eingemeißelt. Erinnerungen schließlich auch an die Jahre in Israel, das Finkelgruen mitunter wie ein Tollhaus erlebte, da sich die Verhaltensweisen, die sich in den Jahren des Nazi-Terrors tief in die Psyche eingegraben haben, nur schwer mit der Normalität vereinbaren lassen. Es ist ein bewegender Dokumentarfilm, der ein erschütterndes Schicksal darstellen will, das auch dadurch kaum gemildert wird, daß Peter Finkelgruen den Terror am eigenen Leib kaum erfahren hat, sondern zeitlebens mit den Auswirkungen konfrontiert wurde. Eine engagierte Erinnerungsarbeit und zugleich das Porträt eines Schriftstellers, der sich an dem Begriff "Heimat" abarbeitet: Entweder ist alles, sind alle Lebensstationen ein wenig Heimat, oder das ungewollt Unstete ist der eigentliche Ort. Publizistisch hat sich Finkelgruen übrigens mit der eigenen Vergangenheit und dem des jüdischen Volkes in den Büchern "Haus Deutschland oder Die Geschichte eines ungesühnten Mordes" und "Erlkönigs Reich - Geschichte einer Täuschung" auseinandergesetzt.
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