© Cobra/Franco London Films (Annie Girardot, Bruno Pradal in „Aus Liebe sterben“)

Aus Liebe sterben (arte)

Justizdrama um eine Lehrerin, die für die Liebesbeziehung zu einem Schüler angeklagt wird - am 9.12., 22.25-00.15 Uhr, auf arte

Veröffentlicht am
27. November 2024
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Der französische Regisseur André Cayatte (1909-1989) gehört zu den großen Vergessenen der Kinogeschichte. Die Werke des ausgebildeten Rechtsanwalts griffen häufig kontroverse Themen auf, um von liberaler Warte aus und mittels seiner Kenntnisse des Justizmilieus konservative Positionen in Staat und Rechtssystem anzugreifen. Ein zweckgebundener und nicht primär künstlerischer Ansatz also, was ihn für Auteur-Vertreter wie Truffaut und die daraus entstehende Schule zu einem natürlichen Feindbild machte. So konnte Cayatte zwar zeitrelevant sein und sich als handwerklich begabter Dialogschreiber und Regisseur zeigen, was ihn auch zum Stammgast auf den großen Festivals machte (u.a. mit zwei „Goldenen Löwen“ in Venedig). Doch danach verschwanden seine Filme gleichsam von der Bildfläche und sind heute kaum noch greifbar.

So erlebt auch „Aus Liebe sterben“ erst nach über 50 Jahren seine deutsche Fernsehpremiere, obwohl der Film bei der Premiere 1971 in Frankreich ein Kassenhit mit 5 Millionen Zuschauern war. Vor dem Hintergrund der Generationenkonflikte und daraus entstehenden Unruhen um 1968 hat Cayatte einmal mehr eine wahre Justizgeschichte bearbeitet: Die über 30-jährige geschiedene Gymnasiallehrerin Danièle Guénot (Annie Girardot) und einer ihrer Schüler, der 16-jährige Gérard Leguen (Bruno Pradal) gehen eine Beziehung eine, die beide als aufrichtige Liebe empfinden. Die Eltern des Jugendlichen bringen die Lehrerin jedoch vor Gericht und lassen ihren Sohn gegen dessen Willen in die Psychiatrie verfrachten. Die ideologischen Gegensätze in der Fortsetzung der Pariser Mai-Unruhen, die menschenfeindliche Eigengesetzlichkeit der Justiz-Maschine und gewissenlose Praktiken in Nerven-Kliniken bilden eine übermächtige Verschwörung gegen das Liebespaar.

Cayatte arbeitet nicht allein mit Dialogen, um die unmenschliche Note der Justiz hervorzuheben. Ereignete sich der echte Fall, auf den „Aus Liebe sterben“ zurückgeht, in Marseille, spielt der Film in Rouen – eine Schauplatz-Verlegung, deren Absicht die Gerichtsszenen offenlegen. Annie Girardot erscheint wie eine moderne Jeanne d’Arc und trifft an dem Ort, an dem die mittelalterliche Widerstandskämpferin verbrannt wurde, auf vergleichbar unnachgiebige Widersacher. – Ab 16.

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