© arte/Malavida (Julianne Moore in "Vanya - 42. Straße")

Vanya - 42. Straße (arte)

Ein filmisches Theaterexperiment mit Tschechows "Onkel Wanja" - am 16.9., 23.00-00.55 Uhr, in arte

Veröffentlicht am
09. September 2024
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An einer Hotdog-Bude in der 42. Straße in New York treffen sich an einem Frühlingstag des Jahres 1994 die Schauspieler des „Wanja“-Ensembles zur Probe im New Amsterdam Theatre. Das ehemalige Theater hat seine Blütezeit längst hinter sich; die Farbe blättert von den Wänden, der Putz löst sich von der Decke. In dieser Kulisse des Verfalls erarbeitet das Ensemble Tschechows Stück „Onkel Wanja“.

Die Straßenkleidung der Schauspieler und spärliche Requisiten genügen als Ausstattung für eine Aufführung, die eher den Charakter einer Sprechprobe hat. Aus Tschechows Text entsteht die Geschichte eines russischen Gutsverwalters und seiner Gäste, Menschen, die sich um ihr Leben betrogen fühlen, deren Pläne unerfüllt und deren Leidenschaften unerwidert bleiben.

Dank der zurückhaltenden Inszenierung von Louis Malle glaubt man, einem einzigartigen Ereignis beizuwohnen. Die Grenzen zwischen Realität, Improvisation und Theaterspiel verschwimmen und transportieren den Theaterklassiker „Onkel Wanja“ aus dem Jahr 1899 in die Gegenwart der frühen 1990er-Jahre in New York. Durch die intensive Zusammenarbeit von Louis Malle und dem Theateravantgardisten André Gregory erfährt das russische Bühnenstück eine ungewöhnliche Neuinterpretation. Louis Malle kommt in seinem letzten Film quasi wie zufällig mit der Kamera vorbei und lässt den Zuschauer an der Improvisation teilhaben.

Ein Stück über ein verschwendetes Leben, voller Weltschmerz, angesiedelt in der Tiefe der russischen Seele. Überragende Darsteller, ein kluges filmisches Konzept und eine exzellente Kameraarbeit machen den Film zu einem Erlebnis, auf das die Zuschauer sich allerdings einlassen müssen. – Sehenswert ab 16.

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