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Serie: The Umbrella Academy - Staffel 4

Das Finale der Serie um eine dysfunktionale Superhelden-Familie: Die Hargreeves-Geschwister müssen sich ein letztes Mal zusammenraufen, als sie sich mit dem Umtrieben einer seltsamen Untergrund-Gruppe konfrontiert sehen, die den Zeitrahl "reinigen" will.

Veröffentlicht am
15. August 2024
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In der Realität, in der die Hargreeves-Geschwister am Ende von Staffel 3 gelandet sind, gibt es Menschen, die vom „Umbrella-Effekt“ sprechen. Damit meinen sie keinesfalls das, was Wirtschaftswissenschaftler unter diesem Terminus verstehen. Es geht vielmehr um die beunruhigende Erfahrung, von Déja-vus und Erinnerungen heimgesucht zu werden, die man eigentlich gar nicht haben dürfte, da sie aus einer alternativen Wirklichkeit stammen. Die Abenteuer, die die ehemaligen Mitglieder der „Umbrella Academy“ in Staffel 1 bis 3 erlebt haben, ihre Versuche, ein ums andere Mal dem drohenden Weltuntergang ein Schnippchen zu schlagen, und die Umtriebe ihres egozentrischen Übervaters Reginald Hargreeves sind nicht ohne Folgen geblieben: Der einst konsistente Zeitstrahl ist wild ausgewuchert.

Multiversums-Unbehagen

Das Ergebnis davon ist, dass sich viele Menschen wie im falschen Film fühlen, geworfen in eine Realität, die sie von einer rücksichtslosen Elite manipuliert glauben. Aufgehetzt von den dubiosen Pseudowissenschaftlern Gene und Jean Thibodeau (Nick Offerman und Megan Mullally), die mit breitem Kaugummi-Akzent und Country-Western-Look wie die Inkarnation liberaler Albträume vom ländlichen Hillbilly-Amerika wirken, hat sich eine Widerstandsbewegung gebildet, die sich „die Hüter“ nennt. Diese will einer „Reinigung“ des verzweigten Zeitstrahls den Weg ebnen. Und dieser Weg führt im Zweifelsfall über die Leichen der Hargreeves-Sippschaft samt Reginald (Colm Feore). Letzterer ist in der aktuellen Dimension, in der die vierte Staffel spielt, wieder quicklebendig und an der Seite seiner auf dem wahren Zeitstrahl eigentlich längst verstorbenen Frau Abigail reicher denn je an Geld und Einfluss.

Um die Pläne der „Hüter“ zu vereiteln, die unter anderem ihren in Staffel 3 neu gefundenen Bruder Ben (aus der Swallow-Academy-Zeitlinie, gespielt von Justin H. Min) betreffen, müssen sich Luther (Tom Hopper), Diego (David Castaneda), Viktor (Elliot Page) & Co. notgedrungen ein letztes Mal zusammenraufen und zudem erneut mit ihrer ambivalenten Vaterfigur auseinandersetzen.

Aktuelle Resonanzen

Es ist ein durchaus interessantes Szenario, dass sich die Serienmacher um Steve Blackman und Jeremy Slater für die finale Staffel ihrer Superhelden-Serie nach der Comic-Vorlage von Gabriel Bá und Gerard Way vorgenommen haben. Die Held:innen finden sich zwischen den Fronten einer innerlich gespaltenen Gesellschaft wieder, die bei aller Multiversums-Fantastik deutliche Berührungspunkte zum aktuellen politischen Klima in den USA aufweist. Spätestens wenn in einer eindrucksvollen Sequenz gegen Ende die „Hüter“ tatsächlich mobil machen und zu den Waffen greifen, kann man gar nicht anders, als sich ans rechtsrevolutionäre Gewaltpotenzial der Trump-Anhängerschaft erinnert zu fühlen.

Diese aktuellen Resonanzen bringt die vierte Staffel allerdings nicht konsequent zum Klingen, sondern zwirbelt sie in eine Story hinein, die - ganz wie der Zeitstrahl - zu verzweigt ist, um eine stringente Stoßrichtung zu entwickeln. Die Macher lassen es sich nicht nehmen, einmal mehr viele Steilvorlagen für heftige, von einem markanten Soundtrack unterstützte Actionsequenzen zu liefern; zudem frönen sie einmal mehr der Lust am Absurden und bedienen vor allem reichlich auch das Familienmelodram, das in die Konflikte, Marotten und Neurosen des dysfunktionalen Hargreeves-Clans eintaucht.

Schlenker auf dem Weg zum Showdown

Wobei die Geschichten um die einzelnen Figuren, die hier zunächst ohne ihre übermenschlichen Kräfte auskommen müssen, durchaus Witz und skurrilen Charme besitzen. Sie drehen sich beispielseise um das labile „enfant terrible“ Klaus (Robert Sheehan), der seinem selbstzerstörerischen Lebensstil nun den Rücken gekehrt hat, aber dafür ins andere Extrem verfallen und geradezu manisch auf Sicherheit bedacht ist. Oder um Allison (Emmy Raver-Lampman), die Klaus Unterschlupf gewährt, mit mäßigem Erfolg an ihre Schauspiel-Karriere anknüpft und ihrer Tochter Claire eine gute Mutter zu sein versucht. Oder um Diego (David Castaneda) und seine Frau Lila (Ritu Arya), die gegen die Tristesse einer kleinbürgerlichen Routine ankämpfen, als Paar aber auseinanderdriften, als es Lila zusammen mit Nummer 5 (Aidan Gallagher) auf ein episches Abenteuer im Gewirr der Zeitstrahlen verschlägt, die kurioserweise durch ein U-Bahn-Netz verbunden sind - einer der schönsten Abwege, die die Staffel beschreitet.

So vergnüglich das mitunter ist, bremst es aber doch die übergreifende Handlung aus, die sich um die Hüter und ihre Pläne mit Ben und einer mysteriösen jungen Frau namens Jennifer (Victoria Sawal) entfalten. Und wenn schließlich alles in einem gewaltigen Showdown kulminiert, der ein bisschen an die legendäre Schlacht um die Starcourt Mall in der dritten Staffel von „Stranger Things“ erinnert, und sich für die Hargreeves’ ein letztes, qualvolles Dilemma zwischen Selbstaufopferung und Weiterkämpfen auftut, hat man das Gefühl, dass alles zu langsam und zugleich aber auch viel zu schnell gegangen ist. Erst zu viele Schlenker, dann kein Raum, um den liebgewonnenen Figuren einen wirklich überzeugenden Abschluss zu gewähren.

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