Wie kommt ein Film in ein bestimmtes Kino, auf eine bestimmte Leinwand? In Deutschland spielen bei dieser Frage nicht nur Filmverleihe und Kinobetreiber eine Rolle; eine wichtige Schaltstelle ist auch ein 2003 gegründetes Unternehmen: die Peter König Filmdisposition. Für rund jede zehnte Leinwand in Deutschland steuert die Agentur die Filmversorgung. Ein Einblick in einen Arbeitsbereich der Kinobranche, der selten im Rampenlicht steht.
Kaum jemand, der in Berlin oder Oldenburg, Hamburg oder Kleve, Bad Tölz in Oberbayern oder Hachenburg im Westerwald ins Kino geht, weiß, dass die Filmprogramme nicht vor Ort ausgewählt werden. Sie werden vielmehr zentral in Hamburg zusammengestellt. Peter König heißt der Kinoexperte und Branchenkenner, der seit mehr als drei Jahrzehnten in der Filmwirtschaft arbeitet, sich aber dezent im Hintergrund hält.
Im September 2003 hat Peter König seine Filmdisposition in Hamburg als Ein-Mann-Unternehmen gegründet. Über die Jahre ist es kontinuierlich gewachsen. 2010 steuerte das Team bereits die Filmversorgung für 345 Kinosäle an 108 Standorten. Aktuell hat König 520 Säle in 130 Standorten unter Vertrag. Nach Angaben der Filmförderanstalt gab es Ende des vergangenen Jahres hierzulande 4901 Leinwände. Das heißt, König und sein Team bestücken gut jede zehnte deutsche Kinoleinwand.
Damit ist die Peter König Filmdisposition
längst in die deutsche Top Ten der größten Kinoketten aufgerückt. „Bei den
Marktanteilen folgt meine Agentur direkt auf die drei großen Ketten Cineplex,
Cinestar und Cinemaxx und rangiert noch vor UCI und Kinopolis“, erläutert König.
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Durch die vielen betreuten Leinwände ist die Agentur für die Filmverleiher ein gewichtiger Player. „Bei einem kommerziell großen Film wie einem James-Bond-Film nehmen wir dem Verleih schon mal 120 Kopien auf einmal ab. Das ist für ihn eine große Arbeitserleichterung. Statt mit Dutzenden Kinobetreibern einzeln zu verhandeln, bekommt er von uns am Sonntag die komplette Bestellliste für 120 Kopien. Weil das so praktisch ist für die Verleiher, können wir bei ihnen schon mal den einen oder anderen günstigen Deal herausholen.“
Ein eingespieltes Team
520 Leinwände kann natürlich niemand allein bestücken: Inzwischen hat König fünf angestellte Mitarbeiter, die teils schon etliche Jahre an Bord sind. Sein heutiger Stellvertreter Robert Lubrich ist bereits seit 2004 im Unternehmen, Kai Tirschmann seit 2006, Oke Tadsen seit 2009, Frank Grunert seit 2011 und Philipp Leitzmann seit 2017.
Doch welche Berufsbezeichnung trifft auf Königs Job eigentlich zu? „Ich sehe mich als Dienstleister zwischen Verleih und Kino“, sagt König zu seiner beruflichen Tätigkeit, die es vorher in dieser Form hierzulande nicht gab. „In gewisser Weise arbeite ich wie ein Makler, der zwischen Hauseigentümer und Hauskäufer vermittelt. Nur dass ich Filme zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer makele. Der Verleih ist dabei der Verkäufer und das Kino ist der Käufer.“
„Wir machen Kino einfach. Peter König Filmdisposition unterstützt Kinobetreiberinnen und Kinobetreiber in ganz Deutschland mit dem Schwerpunkt Filmeinkauf und Programmplanung“, heißt es auf der Webseite des Unternehmens. Doch welche Dienstleistungen kann König den Filmtheaterbesitzern anbieten? Am Anfang steht dabei die sorgfältige Marktbeobachtung. König: „Wir beschäftigen uns sechs Tage die Woche mit Filmen und Verleihern. Wir beraten die Filmtheater und informieren über die aktuellen Angebote der Verleiher. Und wir bieten den Kinos an, das für sie richtige Produkt einzukaufen.“
Dauergast auf Messen und Festivals
Um sich frühzeitig einen Überblick über die anstehenden Filme zu verschaffen, besucht König übers Jahr etliche Filmmessen und -festivals. Seine Reiseroute beginnt im Januar mit der Filmwoche München, gefolgt von den Filmfestspielen in Berlin und der CinemaCon in Las Vegas. Im Mai geht es weiter mit der Kino Messe Baden-Baden, im Juni mit der CineEurope in Barcelona. Im Juli steht das Filmfest München an und im August die Kölner Filmmesse. „Ein Heimspiel habe ich im September/Oktober mit dem Filmfest Hamburg“, sagt König. Während ein Mitarbeiter im August/September traditionell zu den Filmfestspielen in Venedig fährt, fliegt er selbst im September zum Festival in Toronto.
Toronto ist für König ein besonders ertragreiches Festival. „Es hat eine tolle Filmauswahl, und man kann dort Filme teilweise sehr frühzeitig sehen. Außerdem kann man von morgens früh bis abends spät sichten. Da schaue ich jeden Tag zwischen vier und sechs Filmen. Nach jeder Vorführung halte ich meine Eindrücke in einem kleinen Notizbuch fest, sonst kann ich mir nicht alles Wichtige merken. Das ist für mich sehr wichtig, denn ich möchte meinen Kunden ja frühzeitig beraten können.“
Aufwändige Dispositionsabsprachen
Königs Agentur übernimmt auch die wöchentlichen Dispositionsabsprachen mit dem Verleih und handelt die bestmöglichen Vermietungskonditionen aus. „Das ist nicht immer ganz einfach, etwa die Gespräche über die verlangte Anzahl der Vorstellungen und die Größe der Säle“, sagt König. „Da gibt es unterschiedliche Modelle. Einige Kunden geben uns freie Hand und sagen: Macht Ihr mal, wir sehen die Ergebnisse ja später. Andere Kunden, insbesondere die Filmkunsthäuser, sagen uns genau, welche Filmtitel sie wollen, und lassen uns die dann buchen.“ Im Schnitt einmal im Monat rede man zudem mit diesen Kinobetreibern über ihre Wünsche zum Filmangebot des nächsten Monats.
Umgekehrt müsse man auch die Vorstellungen der Verleiher sowohl im Mainstream- als auch im Arthouse-Bereich berücksichtigen. „Einige Verleiher streben in klassischer Manier an, alle verfügbaren Vorführungen von morgens früh bis nachts um eins zu belegen. Anderen reichen die Vorstellungen um 17 und 20 Uhr, wieder andere hätten gerne nur 17 Uhr oder 15 und 17 Uhr. Das müssen wir dann mit den Kinobesitzern abstimmen.“
Ein weiterer wichtiger Bestandteil des Service-Angebots sind die arbeitsaufwändigen Filmabrechnungen. „Wenn die Spielwoche am Mittwoch abgelaufen ist, bereiten wir am Donnerstag die Daten auf und schicken am Freitag die fertigen Abrechnungen an Kinos und Verleiher“, erläutert König. „Die Kunden müssen dann die Beträge nur noch bezahlen.“
Wie ist Peter König auf die Idee für diese ungewöhnliche Tätigkeit gekommen? Geboren wurde sie im Zusammenhang mit einer Firmenpleite, wie König erzählt, der seit 1977 auf Verleiher- oder Kinoseite in der Branche tätig ist. Von 1996 bis 2003 zeichnete er als Verwaltungsdirektor bei der UFA Theater AG für den zentralen Filmeinkauf verantwortlich. 2003 ging sein damaliger Arbeitgeber in die zweite Insolvenz. Die Kinokette wurde von der Cinestar-Gruppe übernommen.
Daraufhin habe er sich gefragt: „Mensch, warum mache ich das nicht auf eigene Rechnung? Du kennst viele Menschen in der Branche, bist gut vernetzt. So habe ich mich entschlossen, meinen bisherigen Job eben für unabhängige Kinos zu machen.“ Drei Jahre später folgte Karl Krieg, der ehemalige Dispositionschef der UFA, übrigens dem Beispiel Königs. „Er hat gesehen, wie gut das bei mir funktioniert, hat Cinestar verlassen und eine eigene Firma, die Screenlite Booking Film- und Service GmbH, aufgemacht“, berichtet der Kinomakler.
Erster Kunde aus Trier
Als erster Kunde kam das Broadway Filmtheater in Trier, ein Arthouse-Kino mit fünf Sälen, an Bord. „Mein erster Kunde ist auch noch immer mein Kunde.“ Der Broadway-Geschäftsführer Dirk Ziesenhenne erklärt, warum er sich für den Service von König entschieden hat. „Ich kenne Peter schon seit Jahrzehnten und vertraue ihm. Er sieht nahezu alle relevanten Filme, sodass ich schon mal anrufen und fragen kann: Wie schätzt du diesen Film ein? Früher waren Montage wegen der Verhandlungen mit den Verleihern oft nervenaufreibend. Seit sein Team diese Aufgabe übernimmt, sind Montage viel entspannter.“ Ziesenhenne weiß auch zu schätzen, dass er die Abrechnungen nicht mehr selbst erstellen muss. „Man merkt, dass bei der Filmdispo König Profis mit viel Routine am Werk sind, die sehr verlässlich arbeiten. Das hat schon manche Fehlerquellen eliminiert. Es tauchen auch wesentlich weniger Reklamationen auf. Wir bekommen einmal die Woche die Abrechnung aus Hamburg, und damit ist die Sache in der Regel erledigt.“
„Der neu gegründete Service hat sich damals schnell herumgesprochen“, berichtet König im Rückblick. „So stieß kurz danach die Kinostar-Gruppe mit vielen kleinen Kinos in Baden-Württemberg dazu, damals noch unter der Leitung von Alfred Speiser. Nach und nach haben sich etliche Kinobetreiber bei uns gemeldet – frei nach dem Motto: ‚Warum muss ich mich denn jeden Montag mit den Verleihern rumärgern? Mach du das doch für mich!‘“
Dass die Fluktuation bei den Kunden sehr gering ist, betrachtet der Kinomakler als wichtige Bestätigung für die eigene Arbeit. „Natürlich kündigt mal jemand, weil er sein Kino verkauft hat oder keine Lust auf die Tätigkeit in der Branche hat. Aber dafür rücken neue Kunden nach. Wir sind stolz auf einen sehr großen Kundenstamm, den wir schon über sehr viele Jahre haben. Sie alle wissen, dass sie sich auf uns verlassen können und dass wir versuchen, bei den Verleihern das Bestmögliche für sie herauszuholen.“
Leihmieten nachverhandeln
An Sonntagen werden die Ergebnisse der vorhergehenden drei Tage analysiert. Konkret läuft das so ab, dass die Mitarbeiter der Agentur jeden Sonntag die Besucher- und Umsatzzahlen aus den digitalen Kassensystemen der angeschlossenen Kinos abrufen und aufbereiten. „Wir betrachten den Ticketverkauf für jede Vorstellung und sehen dann schnell, ob es sich zum Beispiel lohnt, dass ein Film in der zweiten Woche wirklich noch um 15 Uhr laufen muss“, erläutert König.
Aufgrund der Wochenendzahlen werden die Leihmieten nachverhandelt. „Dann können wir auf den Verleiher zugehen“, erklärt König. „Aus langjähriger Erfahrung weiß ich, dass unsere Agentur mit den Verleihern leichter verhandeln kann als ein Kinobesitzer, der nur einen Kinosaal irgendwo auf dem Land betreibt. Durch die Menge der Kunden und die Masse der gebuchten Kopien können wir für unsere Kunden schon mal den einen oder anderen Vorteil herausholen.“
Zeitgleich prüft das Team, ob der Film im optimalen Saal eingesetzt wird. „Wir schätzen ja ebenso wie die Verleiher vor dem Einsatz das geschäftliche Potenzial der Filme ein. Wie groß können die werden?“, erklärt der Kinomakler. „Manchmal sagt der Verleih, wir brauchen den größten Saal. Das wird dann im gegenseitigen Einvernehmen für die Startwoche festgelegt. Aber nach dem ersten Wochenende entscheiden die Besucherzahlen, wie es in der zweiten Woche weitergeht. Wenn zum Beispiel der größte Saal nicht annähernd ausgelastet ist, dann wird der Film eben in einen kleineren Saal verlegt.“ Und im großen Saal darf dann eben ein anderer Film sein Glück versuchen.
Die Erfahrung habe gezeigt, dass es sehr viel Arbeit erfordere, die Filme richtig einzuschätzen und die optimalen Filme zu ordern, erklärt König. Für die Kinobetreiber lohne sich die Kooperation letztlich auch finanziell, denn durch das große Geschäftsvolumen könne man für die Kunden finanzielle Vorteile aushandeln. „Wenn jemand bei mir länger Kunde ist, sinken im Schnitt seine jährlichen Leihmieten um drei bis vier Prozent.“ Auch der Umsatz lege oft zu.
Größter Vorteil
Roland Wolf, auch er ein langjähriger Kunde, schätzt vor allem den verlässlichen Rundum-Service im Vordergrund. Der Chef der Kinobetriebe Roland Wolf, die acht Kinos in Städten wie Gummersbach, Garmisch-Partenkirchen, Bad Tölz, Weilheim und Hausham betreiben, sagt: „Das Komplettpaket von der Filminfo bis zur Filmabrechnung kann ich nur in den höchsten Tönen loben. Ich kenne Peter seit fast 50 Jahren, noch von seinen beruflichen Anfängen beim Verleih Tobis. Was ich an ihm schätze, ist seine ruhige, sachliche und freundliche Art. Und er hat ein ebenso sachkundiges Team um sich geschart, das eine Kompetenz ausstrahlt, die Hand und Fuß hat.“ Den größten Vorteil der Kooperation sieht Wolf darin, dass Königs Team ihn von den oft stressigen Auseinandersetzungen mit den Verleihern am Montag befreit habe. „Seitdem kann ich von Sonntag auf Montag ruhiger schlafen.“
Für die erbrachten Dienstleistungen berechnet König eine Monatspauschale, deren Höhen von der Anzahl der Kinosäle abhängt. Ein Geschäftsmodell mit Umsatzbeteiligung lehnt er ab. „Ich weiß lieber, mit was ich rechnen kann, als mit der Ungewissheit dazustehen. Im Kinogeschäft wechseln sich ständig Hochs und Tiefs ab, ich kann aber über das Jahr hinweg mit einer festen Summe rechnen. Schließlich muss ich jeden Monat für fünf Mitarbeiter Gehälter zahlen, Büromiete, Steuern und andere Kosten. Da kommt schon einiges zusammen."
Große Bandbreite an Kinotypen
Königs Service nehmen inzwischen vielerlei Kinotypen in Anspruch, auch ein Schwerpunkt ist nicht zu erkennen. „Wir sind ja in ganz Deutschland vertreten, von den Inseln bis Garmisch“, konstatiert König. Die Bandbreite reicht vom Landkino in Bayern mit einer Leinwand über anspruchsvolle Arthouse-Kinos wie das „Abaton“ in Hamburg, die „Schauburg“ in Bremen, das „Casino“ in Aschaffenburg oder das „Casablanca“ in Bochum bis zu mittelgroßen Häusern mit sechs bis acht Leinwänden, etwa in Gummersbach, Dülmen, Herne, Kleve sowie einigen Multiplexen wie in Gelsenkirchen. „Das ist eine bunte Mischung. Diese große Bandbreite macht den Job besonders spannend“, sagt König.
Insgesamt blickt der Kinomakler zuversichtlich in die Zukunft, auch wenn ein Wermutstropfen die geschäftlichen Aussichten beeinträchtigt. „Wir hinken wie die Kinos schon noch hinter dem Jahr 2019, dem letzten Jahr vor der Corona-Pandemie, her. Aber nicht nur bedingt durch die Pandemie-Folgen, sondern auch durch die langen Streiks in der Filmbranche in den USA. Dadurch sind viele Filme nicht fertig geworden oder verschoben worden auf 2025 oder 2026.“ Die Filmversorgung sei daher aktuell nicht befriedigend. „Die Kinowirtschaft freut sich, wenn ein Film wie ‚Alles steht Kopf 2‘ derzeit so hervorragend läuft, aber das ist eben nur einer. Filme, die drei Millionen Besucher erreichen, will selbstverständlich jeder Kinobetreiber auswerten. Aber es fehlt die solide mittlere Ware. Gerade bei der Gruppe von Filmen, die 800.000 bis eine Million Besucher anlocken, spüren wir die Lücken.“