Eine der furchtbarsten Waffen des Krieges ist die
Erinnerung an erlebte Gräuel. Sie kann aber zugleich auch zum wichtigsten
Mittel werden, um künftige Kriege zu vermeiden. Doch wie schafft man es, dass
die Menschen nicht wegsehen? Der Blog „Komm und sieh – Der Krieg in uns“ stellt
wichtige Filme über den Krieg vor, die noch heute den Blick bannen. Welche
Motivation hatten die Menschen, die sie drehten? Was macht der Krieg im Film
heute mit uns und wie weit dürfen die Filmemacher dabei gehen? Der sechste Beitrag
zieht ein Fazit der Reihe und stellt abschließend den Film „Komm und sieh“
(Sowjetunion 1985) von Elem Klimow vor, der als der ultimative Film über den
Krieg gilt.
Krieg überschreitet auch in seiner filmischen Darstellung
und Produktion oftmals Grenzen. Es sind Filme über den Krieg und zugleich Filme
der Superlative, die in diesem Blog bereits kritisch gewürdigt wurden: Der
sicherlich einflussreichste Film des späten „New Hollywood“ („Apocalypse Now“von Francis Ford Coppola), der aus Sicht der Nouvelle Vague
vielleicht bedeutendste Film der Nachkriegsgeschichte („Hiroshima, mon amour“ von Alain Resnais), der größte finanzielle Erfolg von Charlie
Chaplin („Der große Diktator“), der zu seinem Erscheinen
international erfolgreichste westdeutsche Nachkriegsfilm („Das Boot“von Wolfgang Petersen) und einer der erfolgreichsten Schweizer
Dokumentarfilme aus den letzten Jahren („Chris the Swiss“ von
Anja Kofmel).
Diese Liga übertrifft nur noch ein Film: „Komm und sieh“ (Sowjetunion 1985) von Elem Klimow – ein Film, der das Grauen
des Vernichtungskriegs nationalsozialistischer Sonderkommandos in Weißrussland
in surrealer Manier zuspitzt und damit bis ins Mark erschüttert. Er gehört zu
den bekanntesten Filmen der Sowjetunion und wurde allein dort von rund 30
Millionen Menschen gesehen. Ein Film, dem es lange erstmal nichts hinzuzufügen
gibt. Zu ihm kommen wir daher erst am Schluss dieses Textes.
Komm und sieh als zentrale Botschaft
Komm und sieh – diese zentrale Botschaft gewinnt
angesichts der mitten in Europa und im Gaza-Streifen wütenden Kriege noch einmal
mehr an Bedeutung, vor allem für das Kino und die nötige Programmierung von
Filmen über kriegerische Konflikte, und funktioniert bei allen vorgestellten Filmwerken
bis heute. Warum können und müssen wir hier trotz der Grausamkeiten hinsehen? Der
Versuch eines Resümees.
Da ist zuerst einmal die inhaltliche Ebene,
die diese Werke klar eint. Denn so unterschiedlich die Blickwinkel auf die
verschiedenen Kriege und die persönliche Betroffenheit der jeweiligen
Filmkünstler:innen auch sind, so ähnlich fallen ihre niederschmetternden Einsichten
aus: Es braucht nur junge Männer, die in den nächsten
Krieg ziehen und alles bekämpfen, was anders als sie ist. Dazu kommen die
Alten, die väterlich in Sicherheit wiegen, obwohl eben genau sie zu den
Kriegstreibern gehören. Am Ende gibt es keine Sieger, nur Opfer auf beiden
Seiten und traumatisierte Generationen danach, die vor der Entscheidung stehen,
ob sie die Gewaltspirale weiter fortführen oder nicht.
Doch wie soll man
mit der Schuld und der Erinnerung daran umgehen? Die vorgestellten Filmkünstler:innen
transformieren dabei ihren eigenen Zwiespalt zwischen Rache und dem Wunsch des
Ruhenlassens, zwischen Erinnerung und Vergessen.
Denn soll man
überhaupt erinnern, wo doch das Vergessen für die Liebe essenziell sei, wie
Alain Resnais es in „Hiroshima, mon amour“ ausdrückt, dabei den
Horror der Atombombe mit den Höhepunkten der Liebe kontrastiert, und die Asche
der verbrannten Toten symbolhaft auf die Haut der Liebenden rieseln lässt? Solche
starken Gegensätze finden sich auch bei den anderen Filmen, in denen Charaktere und Schauplätze zum
Teil bis an den Rand der Karikatur überhöht werden: Ob Chaplins kleiner jüdischer
Friseur, der erfolgreich gegen die Übermacht der selbsternannten Herrenmenschen
antritt. Oder das expressionistische Setting von „Das Boot“, das
mit seinem klaustrophobischen Eigenleben die Aussichtslosigkeit eines
unübersichtlichen Krieges in den Weiten des Weltenmeers unterstreicht. Oder die
schwarz-weiß gezeichneten düsteren Gestalten und Gemäuer, die ein Krieg
hervorbringt und die Anja Kofmel in „Chris the Swiss“ den
realistischen Farb-Aufnahmen von Menschen im Frieden gegenüberstellt. Und
schließlich der „Culture Clash“ bei Coppola, bei dem der
archaische Urkult der Dschungelbewohner über die verweichlichte westliche High-Tech-Kultur
der feindlichen Kolonialisten siegt.
Hautnahes Sehen durch starke Kontraste
Durch diese Kontrastierung gelingt zweierlei:
Zum einen sind es gelungene Versuche einer personalisierten „Ver-Körperung“ von
Krieg, der mit seinen Tabubrüchen gegen die Menschlichkeit eigentlich eine „Ent-Körperung“
mit sich bringt, die sich jeder Vorstellungskraft entzieht. Der Mensch und sein
Körper versus einen Krieg, der den Menschen in seine Einzelteile zersprengt. In
allen Filmen bleibt eine chronologische Entwicklung der immer stärker vom
Horror gezeichneten Charaktere, denen am Ende das Grauen ins Gesicht
geschrieben steht. Eine solch eindringliche Personifizierung erlaubt es, selbst
über die Leinwand ein Stück weit in die Gewalt von Krieg einzudringen. Es ist
ein empathisches hautnahes Sehen, das dem Zuschauenden im wahrsten Sinne unter
die Haut geht, was besonders im Kinosaal über die Leinwand gelingt.
Zum anderen schaffen die künstlerischen
Überhöhungen und die unzuverlässigen Erzähler:innen in den Off-Kommentaren
keinerlei Illusionen darüber, wer hier gut und wer böse ist, sondern führen
zielsicher immer wieder in die Irre, ganz wie es den Wirren des Krieges zu
eigen ist. Es ist ein reicher Mix aus Filmstilen, der hier zum
Tragen kommt, um die feine ästhetische und dramaturgische Linie zu ziehen, die
die Brutalität des Tötens in Filmkunst transformiert: Mit dem experimentellen
philosophisch-dokumentarischen Blick eines Film-noir-Filmpoems („Hiroshima, mon amour“) oder eines investigativen Animations- und Kompilationsfilms
(„Chris the Swiss“). Mit dem humoristischen
Blick einer Satire („Der große Diktator“). Mit dem melodramatischen
Blick eines expressionistischen Kammerspiels („Das Boot“) oder
eines psychedelischen Autorenfilms („Apocalypse Now“). Es sind künstlerische
Interpretationen mit hoher Originalität, die zum Alleinstellungsmerkmal für
diese Werke geworden sind.
Und wie klingt
dieser Krieg? In allen diesen Filmen spielt neben der außergewöhnlichen
Fotografie das Sounddesign eine zentrale Rolle. Es steht oftmals in scharfen
Kontrasten zu den Bildern, setzt auf wiedererkennbare Leitmotive und kompiliert
diese kunstvoll zu einer spannungsvollen Einheit voller Dissonanzen: Ob das Schlagen
der Hubschrauber-Rotoren über brennenden Schlachtfeldern zur Musik von The Doors
und Richard Wagner wie bei Coppola, zeitgenössischer Jazz und Neue Musik zu
lyrischen Reflektionen über die Kriegsopfer wie bei Resnais, die tosenden
Heuschreckenschwärme und das klirrende Glas zu Zeichnungen von Zagrebs
verwaisten umkämpften Straßen bei Kofmel, die irrwitzige Fantasiesprache von
Chaplin gegenüber dem mörderischen Nazi-Kommando oder das enigmatische feindliche
Echolot, das in Suspense den nächsten Angriff feindlicher Zerstörer ankündigt
wie bei Petersen. Und natürlich: die quälende Stille danach. Diese Filme
erspüren den Krieg mit allen Sinnen und bringen ihre Protagonisten bis an den
Rand der Besinnungslosigkeit.
Hinzu kommt die
Authentizität, die die Regisseur:innen und die Autor:innen ihrer literarischen
Vorlagen eint. Der Blick auf den Krieg dieser Künstler:innen stammt nicht aus
der Retorte, sondern aus der direkten Konfrontation. Anja Kofmel (Jahrgang
1982) und ihre Familie haben ihren Cousin, Sohn und Bruder im Jugoslawienkrieg verloren.
Chaplins (Jahrgang 1889) Lebenswege waren eng an die beiden Weltkriege
gekoppelt. Beide schrieben ihre Skripte anhand von eigenen Beobachtungen, Recherchen
und Nachrichtenbildern. Resnais (Jahrgang 1922), Coppola (Jahrgang 1939) und
Petersen (Jahrgang 1941) wiederum gehörten zur (Zwischen-)Kriegsgeneration, die
persönliche Statements im Stil der Filme ihrer eigenen Generation abliefern
wollten. Die Grundlagen ihrer Filme wiederum bildeten authentische
Erfahrungsberichte wie literarische Bestseller gleichermaßen: Ob von Joseph Conrad, dem britischen Romancier und einstigen Kapitän der britischen
Kolonialmacht, vom deutschen Kriegsberichterstatter Lothar-Günther Buchheim,
der im Zweiten Weltkrieg U-Boote begleitete, oder von der französischen
Dramatikerin Marguerite Duras, die im französischen
Kolonialgebiet in Indochina aufwuchs und später Teil der Résistance in
Frankreich war.
Diese sieben Faktoren
vereint auch der letzte Film in diesem Blog: „Komm und sieh“, der
bis heute in vielen Bestenlisten als der ultimative Film über Krieg gilt und ebenso
der letzte Film des Regisseurs Elem Klimow wurde. Er erzählt aus
der Perspektive eines 12-jährigen Jungen in einem fiktiven Dorf exemplarisch von
realen Massakern, die SS-Sondereinheiten in weißrussischen Dörfern verübten.
1. Authentizität des (Autoren-)Filmers
Elem Klimow (Jahrgang
1933) verarbeitete mit „Komm und sieh“ nicht nur seine eigenen Erlebnisse in
der belagerten Stadt Stalingrad 1942/43, wo er mit seiner Familie als Partisan
aktiv war. Seinem Film liegt darüber hinaus das Buch „Ich bin aus einem
verbrannten Dorf“ von Ales Adamowitsch, Uladzimir Kalesnik und Janka
Bryl zugrunde – die dokumentarische und von der Sowjetführung stark zensierte
Sammlung von Aussagen von rund 300 Überlebenden des Vernichtungskriegs der
NS-Truppen und ihren Kollaborateuren in Weißrussland.
Der weißrussische Autor Adamowitsch,
der mit Klimow das Drehbuch zu „Komm und sieh“ schrieb, und dabei auch auf
Motive aus seinem Buch „Die Erzählung von Chatyn“ zurückgriff, kämpfte in
gleichem Alter wie der Protagonist im Film ebenfalls als Partisan und wurde
selbst Zeuge an den Massentötungen der Dorfbevölkerung. Zudem entstanden 1975
bis 1978 in Zusammenarbeit mit Adamowitsch Dokumentarfilme wie „Aus dem
Feuerdorf“ (Sowjetunion 1975) von Wiktor Daschuk, der mit seinen
detaillierten Porträts von Überlebenden zutiefst erschüttert.
2. Hautnahes Sehen und überzeugende Figurenentwicklung
„Komm und sieh“
handelt von dem 14-jährigen Fljora (Alexei Krawtschenko in seiner
ersten Rolle), der 1943 in einem weißrussischen Dorf lebt und sich kriegsbegeistert
Partisanen anschließen will, um gegen die Nazi-Deutschen zu kämpfen. Die
deutschen Truppen befinden sich bereits auf dem Rückzug und töten dabei systematisch
die Bevölkerung ganzer Landstriche. Auf seiner Oddysee mit der älteren Glascha
(Olga Mironowa) und ihrer entbehrungsreichen Flucht durch das
Moor erfährt Fljora, dass sein Dorf und mit ihm seine Familie bereits
vernichtet wurden. Schließlich muss der Junge mit eigenen Augen sehen, wie andere
Dorfbewohner von Nazitruppen gedemütigt und bei lebendigem Leib in einer Kirche
verbrannt werden. Es ist ein brutales „Coming of Age“, das den Jungen am Ende
zu einem ähnlichen Greis werden lässt wie der, mit dem der Film in Großaufnahme
beginnt. Diesem Gesicht des Jungen steht zuletzt der Horror so tief ins Gesicht
geschrieben, wie er sich ebenso dem Zuschauer tief ins Gedächtnis eingraben
wird.
3. Zuspitzung der Charaktere und Schauplätze
Belarus verlor im Zweiten
Weltkrieg etwa ein Viertel seiner Gesamtbevölkerung im wirtschaftlich und
rassistisch motivierten Vernichtungskrieg, den Hitlerdeutschland gegen die
slawischen Völker führte. Das Narrativ des siegreichen Kampfs der Partisanen im
Land prägt noch heute das Bewusstsein in Belarus. Die Zahl der Kriegstoten in
Weißrussland liegt zwischen 1,7 Millionen und – nach offiziellen Zahlen der
heutigen Regierung – 2,2 Millionen. Zwei Drittel davon stammen aus der
Zivilbevölkerung und etwa 500.000 von ihnen waren jüdischen Glaubens. Fast jede
Familie und jedes Gebiet waren betroffen. Erinnerungs- wie auch Vergessenskultur
prägen kollektive Identität. Sie sind selbst in totalitären Staaten jedoch
niemals monolithisch ausgeformt, so der Historiker Christian Ganzer mit Blick
auf das Erinnern an den Zweiten Weltkrieg in Belarus.
„Komm und sieh“ konnte
nach langen Produktions- und Blockadezeiten 1985 unter den Vorzeichen von
Glasnost und Perestroika erscheinen und brachte auch viele kritische Stimmen für
Klimow hervor, der zwar einen Film gegen den Krieg und den Faschismus machen
wollte, jedoch keinen antideutschen Film beabsichtigte.
4. Eindringliche Ton- und Bild-Kontraste
Dass Krieg im wahrsten
Sinne ohrenbetäubend ist, ist bei „Komm und sieh“ essenzieller Teil des
Sounddesigns, unterstrichen durch die enigmatische Musik von Oleg Jantschenko unter dem Einsatz einer dissonanten Geräuschkulisse. Klimow
lässt uns den Film durch die Ohren seines Protagonisten Fljora hören, der nach
einem traumatisierenden Bombenabwurf nahezu taub ist und Tinnitus hat.
Entsprechnend pfeift es im Film, bis der Ton hinuntergezogen wird und damit
einen Geräuschfilter über die sich bis zur Perversion steigernden
Massaker-Szenen legt. Gedreht wurde mit natürlichem Licht, das die düstere
Grundstimmung des Films unterstreicht und eine monochrome Bildsprache erzeugt (Produktionsdesign:
Viktor Petrow). Es ist eine Pionierarbeit, die hier im sowjetischen
Film geleistet wurde, bei der Kameramann Alexej Rodionow mit
einer erstmals beweglichen, damals noch mehrere Kilo schweren Steadycam
arbeitete, die verstörend zwischen dokumentarischer und mystischer Bildsprache durch
die verbrannten Dörfer, schützenden Wälder und bedrohlichen Sümpfe wandelt.
5. Originalität als Gesamtkunstwerk
Aus den Narben der
eigenen verlorenen Kindheit machen Klimow und sein Co-Autor Adamowitsch ein
hyperrealistisches „Über-Kino“, das bis ins kleinste Ausstattungsdetail wie
echtem menschlichen Blut, das aus Blutkonserven von Krankenhäusern stammte, die
unheilvolle Atmosphäre des Krieges filmisch transformiert. Und, wie könnte es
anders sein, waren auch hier die Dreharbeiten grenzüberschreitend: Auch wenn es
eine psychologische Betreuung für den damals 14-jährigen Hauptdarsteller Alexej Krawtschenkogab, war er während der neunmonatigen chronologischen
Drehzeit den unvollstellbaren psychischen Grausamkeiten im Drehbuch und starken
körperlichen Extremen bei der Produktion ausgesetzt. Er sollte zudem analog zu
seiner Filmfigur hungern und war gezwungen, seine Haare noch lange Zeit nach
Abschluss des Drehs wegen der aggressiv grauweißen Entfärbung in dieser Form zu
tragen.
Sogar die Augenfarbe wurde durch Kontaktlinsen von hellblau am Anfang
des Films zu dunkel am Ende geändert. Echte Munition, die über die Köpfe
geschossen wurde und die Kuh in einer Filmszene auch real tötete, sowie
deutsche Militärmärsche aus Lautsprechern erzeugten gewaltige Erruptionen am
Set, die die Crew verängstigten, wie Regieassistent Wladimir Koslow in einem
Interview offenbarte. Viele verließen schließlich sogar die strapaziösen Dreharbeiten
oder feierten währenddessen exzessiv, um das fehlende Catering, die am Ende
ausbleibenden Lohnzahlungen und die darzustellenden Grausamkeiten des
Filmskripts mental zu kompensieren.
6. Zwiespalt von Rache und Vergebung in künstlerischer Transformation
Am Ende des Films
steht Fljora Auge in Auge mit einem Teil der SS-Männer und ihren Schergen, welche
die Partisanen fangen konnten. Es ist eine Entscheidung über die Rache
gegenüber Tätern, die „nur Befehle“ ausführten und „alte kranke Männer und
Familienväter“ seien, wie ihr SS-Kommandant es im Matsch sitzend beteuert:
„Jetzt aber ist Krieg und keiner hat daran Schuld.“ Fassungslos zeigt Fljora
auf einen der Deutschen, der zugibt, vor allem die Kinder getötet zu haben:
„Denn alles fängt mit den Kindern an.“ Die finale aberwitzige Rückwärtsschau
von Archivbildern, die mit den KZs aus der NS-Zeit beginnt, und mit Hitlers
Kinderporträt in der Kaiserzeit endet, untermalt von einer infernalen Klangkulisse
und den Schüssen Fljoras auf das Hitlerfoto in der Pfütze, lässt keinen Zweifel
daran: Alles beginnt mit den Kindern, sogar das Schreckensregime von Hitler,
der auch einst von seiner Mutter geboren wurde. Könnte man diese Verirrung doch
rückgängig machen! Und gemeinsam mit Fljora zieht ein weiterer kleiner Junge
mit den Partisanen erneut in den Kampf, nachdem die Feinde durch die Partisanen
erschossen wurden.
7. Zentrale Botschaft
„Komm und sieh“ – das
Zitat aus dem Johannes-Evangelium ist eine Aufforderung, die
bei diesem Werk so quälend wirkt, dass man diesen Film im Grunde nur ein
einziges Mal in seinem Leben ertragen kann. Bei aller ideologischen
Aufgeladenheit ist es eine eindringliche filmkünstlerische Posititon, die wie
mit einem Brennglas auf unvorstellbare Kriegsverbrechen zeigt, die sowohl in
Belarus als auch in Deutschland bis heute noch immer nicht vollständig
aufgearbeitet wurden.
„Komm und sieh“ ist
Titel dieser Essay-Reihe über Kriegsfilme. Zugleich stellt er als Imperativ die
wichtigste Aufgabe dar, die sich für unsere Gesellschaft ebenso wie für Filmkünstler:innen,
das Kino und ihre Kurator:innen stellt: Wir müssen Erinnerungskultur über den
Krieg gemeinsam teilen und den künstlerischen Blick auf kriegerische Konflikte
gleichzeitig immer wieder neu und kritisch beleuchten. Die Speerspitze bilden
die vorgestellten sechs Werke aus der Filmgeschichte. Sie besitzen traurige
Aktualität und haben in ihrer Wirkkraft auf der Leinwand in nichts nachgelassen.
Doch aus ihrem oftmals schmerzhaften Entstehungsprozess für die Zukunft lässt
sich zugleich lernen, dass der Zweck nicht alle Mittel am Set heiligt, auch
wenn diese Gesamtkunstwerke zugegebenermaßen einen anderen Eindruck vermitteln.
Ihre beschwörenden
Szenarien schaffen etwas, was den täglichen Nachrichtenbildern oft nicht mehr
gelingt: Uns immer wieder über die unmenschliche, generationen- und
nationenübergreifende Gewaltspirale des Krieges hinweg neu hinsehen und
nachdenken zu lassen, um eines Tages hoffentlich endlich Frieden schließen zu
können.
Stiglegger, Marcus: Elem Klimows Vermächtnis.
Booklet zur Blu-ray „Komm und Sieh“, Bildstörung 2020.
Weiss, Richard
(2020): 9 must-know facts about “Come And See” – the best war movie of all
time. In: Russia
Beyond. 22. Juni 2020, ANO TV-Novosti, Moskau. https://www.rbth.com/arts/332350-come-and-see-soviet-movie (letzter Zugriff 11.12.2023)
Mit Dank an
Hermann Ungerer von der VHS
Edingen-Neckarhausen für die Initiation des Themas „Der
Krieg in uns“ und Alexander Pawlak für die konstruktive Unterstützung bei
diesem Blog.
Zum Siegfried-Kracauer-Stipendium
Der Blog „Komm
und sieh – Der Krieg in uns“ von Morticia Zschiesche entsteht
im Rahmen des Siegfried-Kracauer-Stipendiums, das der Verband der deutschen
Filmkritik zusammen mit MFG Filmförderung Baden-Württemberg, der Film- und
Medienstiftung NRW und der Mitteldeutschen Medienförderung (MDM) jährlich
vergibt.
Die einzelnen Beiträge des aktuellen Stipendiums, aber auch viele
andere Texte, die im Rahmen des Siegfried-Kracauer-Stipendiums
in früheren Jahren entstanden sind, finden sich hier.