Schauspielerin Emilia Clarke, bekannt dank ihrer Rolle als Drachenmutter in „Game of Thrones“, hat ihr Debüt als Comicautorin gegeben. „M.O.M. – Mother of Madness“ will eine feministische Lesweise des Superhelden-Genres sein, löst das aber nur teilweise ein.
Mit der 2011 gestarteten Serie „Game of Thrones“ wurde die 1986 geborene Schauspielerin Emilia Clarke schlagartig zum internationalen Star: Ihre Figur Daenerys Targaryen avancierte zu einem der absoluten Lieblinge der GOT-Fangemeinde. Die weißblonde Adlige, die die junge Britin da verkörperte, legte im Lauf der Staffeln einen schwindelerregenden Emanzipationsprozess hin, von der unschuldigen Prinzessin, die in Staffel 1 als hilfloser Spielball der Machtinteressen ihres älteren Bruders zwangsverheiratet wird, bis hin zur „Drachenmutter“, die zu den stärksten Mitspieler:innen im titelgebenden Gerangel um Herrschaft und Einfluss gehört. Nun hat sich die Britin erstmals als Comic-Autorin versucht, und in ihrem Debüt „M.O.M. - Mother of Madness“ geht es ebenfalls um weibliche Emanzipation und eine Frau mit besonderen Kräften. Allerdings löst der Band sein Versprechen, eine feministische Lesweise des Superheldengenres zu liefern, nicht konsequent ein.
Die Periode als Kräfte-Booster
Dabei ist die Konzeption der titelgebenden Heldin M.O.M. – im bürgerlichen Leben Maya – durchaus sympathisch: Ihre Superkräfte hängen mit der Menstruation zusammen, der mit schamhaften Euphemismen wie „Erdbeerwoche“ oder „rote Welle“ umschriebenen Monatsblutung, die früher mal als unrein galt und zu der auch heute viele noch ein einigermaßen verklemmtes Verhältnis haben. Dass Sätze wie „Die hat wohl ihre Tage!“ immer noch als herabsetzender Spruch kursieren, um weibliches Verhalten als irrational oder hysterisch zu diskreditieren, nehmen Emilia Clarke, ihre Co-Autorin Marguerite Bennet und ihr Team an Zeichnerinnen und Designerinnen als Steilvorlage, um aus angeblichen weiblichen Makeln Stärken zu machen: Ihre Emotionen verleihen Maya besondere Kräfte – ihre Wut gibt ihr Stärke und Schnelligkeit, die Angst verleiht ihr ein Überschallgehör, wenn sie sich eingeschüchtert fühlt, kann sie sich unsichtbar machen, Glück macht sie elastisch – und während ihrer Periode sind diese am stärksten ausgeprägt.
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Angesiedelt ist der Stoff in einer nicht allzu fernen Zukunft des Jahres 2049 (beziehungsweise in Rückblende auch den 2030er-Jahren), in der sich in Sachen Sexismus gegenüber der Gegenwart nicht allzu viel zum Besseren entwickelt hat: Im ersten Drittel, wenn Mayas Arbeitsumfeld (als Chemieingenieurin) und ihr Privatleben (als alleinerziehende Mutter eines kleinen Sohns) vorgestellt werden und in Rückblenden ihre Origin Story aufgerollt wird, verteilen die Autorinnen diverse satirische Seitenhiebe gegen die Alltagshürden, mit denen Frauen kämpfen, vom Balanceakt zwischen Job und Familienpflichten bis hin zu einem schmierigem Chef, der als Donald-Trump-Parodie angelegt ist.
Dieses Intro in Mayas Welt sowie die Story um die Entstehung ihrer Superkräfte und ihrer Entwicklung hin zur Superheldin M.O.M. mit Hilfe eines Teams von Freundinnen und Freunden, die ihr zur Seite stehen, gelingt den Macherinnen durchaus schwungvoll, umgesetzt in einer Bildsprache, die lustvoll und in knalligen Pop-Art-Farben mit der Ästhetik und Erzählweise klassischer Superheldencomics liebäugelt (und teils deren Tintenpunkt-Rasterlook imitiert, wie man es auch von den Bildern Roy Lichtensteins kennt).
Superhelden-Klischees unterlaufen den feministischen Impuls
Allzu klassisch entwickelt sich dann allerdings die Handlung, wenn M.O.M. einen richtigen Antagonisten bekommt – beziehungsweise eine Antagonistin, denn auch die Rolle des Evil Mastermind überlassen Clarke und Co. einer weiblichen Figur: M.O.M. gerät ins Visier einer mächtigen Geschäftsfrau, die sozusagen der verkörperte Selbstoptimierungswahn ist und sich vorgenommen hat, weibliche „Schwächen“ konsequent auszumerzen. Leider gerät die Konfrontation M.O.M.s mit dieser durchaus interessant angelegten Gegnerin denkbar banal: Die Schurkin entführt Mayas kleinen Sohn, um die Heldin in eine Falle zu locken, und mutiert zum Monster, womit die Story ganz in den altbekannten Superhelden-Showdown- und Action-Modus geht und M.O.M. zeigen lässt, was sie kämpferisch draufhat.
Was dann allerdings leider im Klartext heißt: Der angeblich feministische Comic mündet in ein Finale, in dem eine Mutterfigur, die supermenschlich den Spagat zwischen liebevollem Familienmenschen und cooler Kämpferin meistert, der egoistischen (kinderlosen) Karriere-Zicke zeigt, wo der Hammer hängt. Womit die alten Gender-Klischees, gegen die Clarke und Co. angehen wollen, dann doch wieder voll greifen. Da kann frau eigentlich nur mit den Augen rollen.