Mit Filmen wie „Die Nibelungen“, „Metropolis“ und „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ avancierte Fritz Lang in den 1920er-Jahren zu einem der wichtigsten Regisseure des deutschen Stummfilmkinos; nach der Machtergreifung der Nazis setzte er seine Karriere erfolgreich in Hollywood fort. Eine neue Comic-Biografie von Arnaud Delalande und Éric Liberge beleuchtet sein Leben und Werk und legt dabei erfreulich viel visuellen Gestaltungswillen an den Tag.
Die
Weimarer Republik währte 15 Jahre lang, in denen der Aufstieg zweier Männer in
Deutschland parallel verlief. Adolf Hitler, 1889 im österreichischen Braunau
geboren, gab nach dem Ersten Weltkrieg seine Maler-Ambitionen auf und startete
als Propagandaredner eine politische Karriere. Fritz Lang, 1890 in Wien geboren,
wollte gegen den Willen seines Vaters zunächst ebenfalls Maler werden, wechselte
dann aber zum Film und avancierte zu einem der wichtigsten Regisseure der
deutschen Filmgeschichte.
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Seinem Leben und seinem Werk widmet sich der Comic „Fritz Lang – DieComic-Biografie“ von Arnaud Delalande und Éric Liberge. Er beginnt mit Langs künstlerischen Anfängen. 1913 in Paris, während einer Ausbildung bei einem Maler, ist Lang von Louis Feuillades „Fantômas“ fasziniert: „… Warum nicht … Malerei in bewegten Bildern? Der Film!“, sinniert er in seiner Pariser Dachwohnung nach dem Kinobesuch. Der gescheiterte Maler wechselt das Metier und beginnt als Drehbuchautor zu arbeiten, unter anderem für den Regisseur Joe May.
Ein hässlicher Todesfall
Zeitgleich findet die Schauspielerin und Autorin Thea von Harbou ebenfalls zum Drehbuchschreiben. Beide lernen sich 1919 bei einer Party von Joe May kennen. Beide sind verheiratet, beginnen aber dennoch eine Affäre. Langs Ehefrau Elisabeth Rosenthal ertappt die beiden und erschießt sich daraufhin mit Langs Revolver. 1922 heiraten Lang und Harbou und sind bis zu ihrer Scheidung 1933 auch beruflich ein Paar; gemeinsam arbeiten sie unter anderem bei Filmen wie „Die Nibelungen“, „Metropolis“, „Spione“ und „Frau im Mond“ zusammen, mit denen Lang zum Regie-Star avanciert. 1933 flieht Lang über Frankreich in die USA. Es ist das Jahr der Machtübernahme der NSDAP, deren Führer Hitler seit 1921 Vorsitzender ist.
Der
schlichte Untertitel „Die Comic-Biografie“ lässt vielleicht befürchten, dass der
Band eher Fließbandarbeit denn ein „work of passion“ sein könnte. Doch Vorsicht:
Den Untertitel hat allein der deutsche Verlag Knesebeck zu verantworten. Der
Originaltitel, der einen ersten Hinweis auf die Erzählperspektive gibt, lautet
„Fritz Lang, le maudit“, also der Verdammte. Die Autoren Arnaud Delalande und Èric Liberge gehen durchaus
ambitioniert an den Stoff heran. Irritieren könnte vielleicht auch, dass die
erste biografische Comic-Beschäftigung mit dem deutschen Meisterregisseur aus Frankreich
kommt, nicht aus Deutschland. Aber Deutschland ist eben keine Comic-Nation.
Im Kontext der Zeit
Bereits im Jahr 2008 entstand in den USA eine visuell äußerst ambitionierte Comic-Adaption von Fritz Langs „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“. In Bildern, die wie Gemälde von Gerhard Richter zwischen Zeichnung und Fotografie changieren, erzählt Jon J. Muth die Geschichte des Berliner Kindermörders.
Auch die französische Comic-Biografie ist visuell sehr beeindruckend. Zeichner Éric Liberge ist hierzulande vor allem durch seinen Totenreich-Zyklus „Monsieur Mardi-Gras – Unter Knochen“ bekannt, dessen detailreiche Zeichnungen an alte Stiche erinnern. Seine Arbeit für „Fritz Lang“ ist nicht minder faszinierend. Mit ihrer dezenten Einfärbung erinnern die Panels an die Bilder der Stummfilme, sind aber anders als die Zeichnungen in Muths „M“-Adaption, die sich an der neuen Sachlichkeit der Vorlage orientieren, ähnlich überladen angelegt wie Langs frühere „Actionfilme“ „Nibelungen“ und „Metropolis“.
Das
führt immer wieder zu ganzseitigen Tableaus, die beispielsweise collagenartig
Filmdrehs einfangen. In konsequentester Form werden Langs filmische
Entwicklungen mit den politischen Entwicklungen in Deutschland verschmolzen
oder die Albträume des Regisseurs, seine Filmprojekte, Hitlers Machtfantasien
und Langs Schuldgefühle wegen des Tods seiner ersten Frau zu einem surrealen
Ganzen überblendet, die an Langs legendäre Doppelbelichtungen mit dem
psychotischen Strippenzieher Mabuse erinnern. Hier bahnen sich die zunehmenden
Zerrüttungen der Zeit und der Beginn eines kollektiven Wahns an.
Auf drei Ebenen
Die Comic-Biografie fußt vor allem auf diesen drei Ebenen: Fritz Langs und Thea von Harbous Entwicklung als Filmemacher:innen, Hitlers Aufstieg und Langs von Schuld getriebene Psyche. Die erste Ebene ist sehr detailreich erzählt, liefert kenntnisreiche Einblicke in die Filmbranche der Weimarer Republik, die Studioarbeit und brancheninterne Themen wie etwa zur Finanzierung der Filme. Da taucht der junge Hitchcock beim Dreh von „Die Nibelungen“ im Studio auf, Eisenstein kommentiert das Mammut-Projekt „Metropolis“, das zur unerbittlichen Material- und Menschenschlacht wird und zur Beinahe-Pleite der finanziell angeschlagenen Ufa sowie zur Gründung von Langs eigener Produktionsfirma führt.
Die Analyse der Filme bleibt im Vergleich zum Aufstieg der Nazis etwas stecken. Aber natürlich sind die Zusammenhänge nicht von der Hand zu weisen und von Siegfried Kracauer in „Von Caligari zu Hitler“ eindringlich beleuchtet – vom Ornament der Masse bei „Die Nibelungen“ und „Metropolis“ bis hin zur Verschmelzung von Macht und Verbrechertum in „M“ und „Mabuse“.
Die Ebene des mit Schuld beladenen „Verdammten“ entspringt hingegen Spekulationen über die von Lang zeitlebens verschwiegene erste Ehefrau. Sie reichen von dem Szenario, dass Elisabeth Rosenthal die Lover Lang und von Harbou in flagranti erwischte, bis hin zu der Frage, wie der Schuss aus Langs Revolver losging. Etliche Filmhistoriker sehen in dem Vorfall die Basis für Langs filmische Beschäftigung mit Schuld, Tod, Mord und Selbstmord. Der Comic gibt dieser These viel Raum. Die Geschehnisse finden hier nicht nur in Langs Filmen, sondern auch in seinen Albträumen einen Widerhall. Auch ein (fiktiver) Kommissar ermittelt noch jahrelang und lauert dem Regisseur auf Partys, in Filmstudios oder auf der Straße auf. Der Comic greift aber auch die von Fritz Lang immer wieder kolportierte Geschichte um seine Flucht aus Deutschland in einer Nacht- und Nebel-Aktion auf, mit der er sich den Begehrlichkeiten der Nazis entzog.
Mit dem Mythos der übereilten Flucht wird ein Blick auf einen Fritz Lang bedient, der sich plötzlich entschieden gegen die Nazis stellte. Tatsächlich aber hatte der Regisseur noch am 27. März 1933, zwei Tage vor dem Verbot seines „Mabuse“-Films, zusammen mit Luis Trenker und anderen Filmemachern die „Nationalsozialistischen Betriebsorganisation“ (NSBO) gegründet. Bei der Entscheidung für das Exil könnten auch private, berufliche und finanzielle Gründe eine Rolle mitgespielt haben. In den USA hat Lang mit der Gründung der Anti-Nazi League dann tatsächlich mit Hilfe von Filmen wie „Menschenjagd“ (1941) oder „Auch Henker sterben“ (1943) vehement gegen die Nazis agitiert, was ihm später Ärger mit McCarthy einbrachte. Der Comic endet jedoch mit Langs Reise in die USA; ein zweiter Teil scheint nicht geplant.
Literaturhinweis
"Fritz Lang - Die Comic-Biografie". Von Arnaud Delalande, Éric Liberge. Knesebeck Verlag 2023. 25,00 EUR. Bezug: In jeder Buchhandlung oder hier.