Kekexili - Mountain Patrol

- | VR China/Hongkong 2004 | 88 Minuten

Regie: Lu Chuan

In einem Naturreservat im Hochgebirge von Tibet versucht eine Schutztruppe, einer Bande von Wilderern das Handwerk zu legen, die einheimische Antilopen wegen ihrer wertvollen Felle fast ausgerottet haben. Die Obsessionen ihres Führers bringen die Männer in ausweglose Situationen und lassen die Verfolgung fast absurd erscheinen. Nicht zuletzt extreme Drehbedingungen verleihen dem auf historischen Ereignissen beruhenden Film einen stakkatohaften, dabei äußerst lakonischen Erzählfluss. Neben den großartigen Landschaftsbildern und bemerkenswert kühnen Sequenzen kommt die Stringenz der Geschichte und ihrer Charaktere etwas zu kurz. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
KEKEXILI
Produktionsland
VR China/Hongkong
Produktionsjahr
2004
Produktionsfirma
Huayi Brothers/Taihe Film/Columbia Pic. Asia
Regie
Lu Chuan
Buch
Lu Chuan
Kamera
Cao Yu
Musik
Lao Zai
Schnitt
Teng Yun
Darsteller
Duo Bujie (Ri Tai) · Zhang Lei (Ga Yu) · Qi Liang (Liu Dong) · Zhao Xuejing (Leng Xue) · Ma Zhanlin
Länge
88 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
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Diskussion
Kekexili ist der Name eines weitgehend unbekannten Gebiets in Chinas autonomer Region Tibet. Seit Mitte der 1990er-Jahre existiert dort in einem der lebensfeindlichsten Landstriche der Welt ein etwa 45.000 Quadratkilometer großes Naturschutzgebiet, das nahezu menschenleer ist. Unfreiwillige Berühmtheit – zumindest in Kreisen von Naturfreunden und Tierschützern – erlangte die Gegend, als dort zu Beginn der 1990er-Jahre Wilderer die Zahl der tibetischen Antilopen so reduzierten, dass von einer Million Exemplare kaum mehr 100.000 übrig waren. Bevor China aufgrund einer aufrüttelnden Reportage eines Pekinger Journalisten eine Behörde zum Schutz der Tiere gründete, versuchte eine privat organisierte Schutztruppe den Wilderern das Handwerk zu legen. Deren Arbeit in der Grauzone zwischen Recht und Selbstjustiz beschreibt der Film des 34-jährigen Lu Chuan, der an Originalschauplätzen unter abenteuerlichen, mitunter auch lebensgefährlichen Bedingungen zustande kam. Viele Elemente in „Kekexili“ erinnern an einen typischen (Spät-) Western, besonders an John Fords Klassiker „Der schwarze Falke“ (fd 5299): die Rolle der monumentalen und endlosen Landschaft mit ihren verschiedenen Gesichtern bei wechselnden Witterungen, die die Bedeutungslosigkeit der Menschen noch betonen; das Verschmelzen von Gut und Böse angesichts eines quasi rechtsfreien Raums, in dem persönliche Obsessionen schnell zur eigentlichen Triebfeder werden; Männerwelten mit ihren Riten, die bei allem Ernst schon wieder lächerlich wirken; und natürlich das Motiv der Jagd an sich, die lakonisch, schonungslos, fast schon dokumentarisch in Szene gesetzt wird. Allein der Moment des nächtlich-überstürzten Aufbruchs zu einer Verfolgung mit den obligatorischen Abschiedsbildern weckt Erinnerungen an Dutzende von Western. Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive eben jenes Journalisten, der die Schutztruppe unter Führung des charismatischen Ri Tai damals tatsächlich mehrere Wochen lang begleitete. Diese Wahl der Darstellung sowie der mit vielen „Fotografien“ bestückte Vorspann des Films werfen freilich die Frage auf, was nun als authentisch gelten darf und was den dramaturgischen Bedürfnissen geschuldet ist. Geschickt spielt Lu Chuan, eine der größten chinesischen Regiehoffnungen der Gegenwart, diese unklare Situation aus, verleiht die Nähe zur Realität dem Film doch seinen besonderen Reiz. Auch die harten Bedingungen, unter denen die Dreharbeiten in über viereinhalbtausend Metern Höhe stattfanden, trugen aus einem ganz pragmatischen Grund zu einem dokumentarisch anmutenden, von Auslassungen und Brüchen gekennzeichneten Erzählfluss bei, der weniger von einem stringenten Drehbuch als der gerade sich einstellenden Situation bestimmt zu sein scheint: Mehrere geplante Filmszenen mussten gestrichen werden, weil sie Darstellern, Team und Equipment nicht mehr zugemutet werden konnten. Was so einerseits die realistische Kraft des Films noch unterstützt, tut der Geschichte als solcher allerdings nicht immer gut. So bleiben – abgesehen von der eher behaupteten als nachvollziehbaren Obsession – die Motive der unbarmherzigen Jagd Ri Tais weitgehend im Dunkeln. Dabei ist die Figur des Anführers, dessen lakonischer Gestus Clint Eastwood weit hinter sich lässt, noch vor dem Journalisten die zentrale Gestalt des Films. Es ist überhaupt mehr ein stakkatohaftes Stationen-Drama als eine dramaturgisch lückenlose Story mit psychologischen Charakteren. Entsprechend lapidar fällt auch die Schlusskonfrontation zwischen Jägern und Gejagten aus, die in ihrer schonungslosen Konsequenz und Bitterkeit kaum überboten werden kann. Dass der Film trotz verschiedener Schwächen über weite Strecken zu fesseln vermag, liegt neben den spannenden Einblicken in eine gänzlich fremde (Film-)Welt, den beeindruckenden Landschaftsbildern und dem direkten Zugriff auf die Geschichte vor allem an der irritierenden, lange währenden Abwesenheit von Ri Tais Gegnern. Sie sind den ganzen Film über fast nur durch ihre Taten (die abgeschlachteten Antilopen) oder durch ihre Handlanger (Männer, die den Tieren das wertvolle Fell abziehen) präsent. Während dessen verliert die Schutztruppe einzelne Mitglieder durch Einflüsse wie das Wetter, aber kaum im heroischen Kampf gegen die Bösen, die in dieser unwirtlichen Gegend schließlich auch nur ums nackte Überleben kämpfen. Die Wege der Patrouille gewinnen dadurch etwas Ambivalentes, ja Absurdes: Ri Tai jagt, wie John Waynes Ethan in „Der schwarze Falke“, gewissermaßen ins Leere hinein, gleich einem Perpetuum Mobile, das einmal angestoßen, nicht mehr zum Stillstand kommt. Bemerkenswert ist, dass Lu Chuan mit diesem düsteren, unorthodoxen und unabhängig produzierten Film das Kunststück fertig bringt, gleichzeitig die chinesische Zensur zu befriedigen, an den Kinokassen seines Landes zu reüssieren – und auch noch den Weg nach Europa und auf internationale Festivals zu finden. Abgesehen von den Werken Chen Kaiges oder Zhang Yimous blieb Letzteres bisher eher dem chinesischen Undergroundfilm vorbehalten, deren Regisseuren der so genannten „6. Generation“ Lu Chuan übrigens vorwirft, ihre China kritische Haltung bewusst einzusetzen, um ein Publikum im Ausland zu erreichen. Eine provozierende Ansicht, aber ausgesprochen von einem auf seine Weise kompromisslosen Filmemacher, der sich offenbar wenig um Konventionen kümmert und den chinesischen Verhältnissen realistisch und mit Souveränität begegnet.
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