Kitchen Stories

Komödie | Norwegen/Schweden 2003 | 95 Minuten

Regie: Bent Hamer

Ein schwedisches Forschungsinstitut schickt in den 1950er-Jahren Beobachter in ein norwegisches Dorf, um das Küchenverhalten von Junggesellen zu studieren. Zwischen einem der Forscher und seinem "Objekt" entwickelt sich nach anfänglicher Abneigung eine tiefe Freundschaft. In einer urkomischen, von politischem Hintersinn getragenen Inszenierung werden die skurrilen Figuren und die zeitgenössischen Fortschrittsabsurditäten liebevoll-ironisch porträtiert und verdichten sich zu einer universellen Geschichte um Annäherung und Freundschaft, an der nicht zuletzt auch die auszeichneten Darsteller ihren Anteil haben. - Sehenswert ab 12.
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Filmdaten

Originaltitel
SALMER FRA KJOKKENET | PSALMER FRAN KÖKKET
Produktionsland
Norwegen/Schweden
Produktionsjahr
2003
Produktionsfirma
Bulbul Films/BOB Film/SFI/United King
Regie
Bent Hamer
Buch
Bent Hamer · Jörgen Bergmark
Kamera
Philip Øgaard
Musik
Hans Mathisen
Schnitt
Pal Gengenbach
Darsteller
Joachim Calmeyer (Isak) · Tomas Norström (Folke) · Bjørn Floberg (Grant) · Reine Brynolfsson (Malmberg) · Lennart Jähkel (Green)
Länge
95 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 12.
Genre
Komödie | Drama
Externe Links
IMDb | TMDB

Heimkino

Verleih DVD
Sunfilm (16:9, 1.85:1, DD5.1 norwegisch/dt., DTS dt.)
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Diskussion
Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts übertrug man das tayloristische Arbeitsmodell auf den privaten Haushalt und analysierte dessen betriebswirtschaftliche Leistungsfähigkeit durch Bewegungsund Zeitdiagramme. Den Höhepunkt dieser Entwicklung stellte die 1927 entworfene, Platz und Arbeitsschritte sparende „Frankfurter Küche“ dar, die weltweit zum Vorreiter für modernes Küchendesign wurde. Als der norwegische Regisseur Bent Hamer in einem „Wie Sie Ihr Leben leben sollten“- Ratgeber aus den 1950er-Jahren Diagramme über „Küchenwege“ entdeckte, mittels derer schwedische Wissenschaftler nachwiesen, dass eine Hausfrau jährlich die Strecke Schweden-Kongo zurücklegt, reifte in ihm die Idee zu „Kitchen Stories“. Doch während die Wissenschaftler lediglich daran dachten, durch optimale Küchenkonstruktionen die Laufstrecke der Frauen zu reduzieren, spinnt Hamer die Gedanken weiter und lässt 18 schwedische Feldforscher mit Buckel-Volvo und eiförmigem Wohnwagen in ein abgelegenes norwegisches Dorf einfallen, um das Küchenverhalten von Junggesellen zu protokollieren. Den mit einem Holzpferd entlohnten Teilnehmern der Studie wird ein Hochsitz in die Küche gestellt, auf dem der Beobachter Platz nimmt. Gespräche untereinander sind verboten; auch muss der „Forscher“ im Wohnwagen schlafen, damit die Untersuchungen nicht beeinflusst werden.

So landet Folke bei dem kauzigen Isak, der ihm anfangs den Zutritt verwehrt, weil er ein echtes Pferd als Prämie erwartet hatte. Doch nach einigen Tagen und dank guten Zuredens durch Isaks Nachbar Grant kann Folke seinen Beobachtungsposten schließlich doch einnehmen. Zu sehen bekommt er allerdings wenig, weil Isak das Kochen in sein Schlafzimmer verlegt oder Folkes Sicht durch das Aufhängen seiner Wäsche verdeckt. Seinerseits aber beobachtet Isak durch ein Loch im Fußboden Folkes vergebliche Bemühungen, seinen Auftrag zu erfüllen. Erst als Isak der Tabak ausgeht, Folke ihm sein eigenes Päckchen zuwirft und dafür eine Tasse Kaffee bekommt, bricht das Eis, auch wenn das Regelwerk dadurch in Mitleidenschaft gezogen wird. Während Nachbar Grant eifersüchtig auf die sich anbahnende Freundschaft reagiert und den „Eindringling“ loszuwerden versucht, sieht Folkes Chef Malmberg das Experiment gefährdet und setzt seinen Mitarbeiter kurzerhand vor die Tür. Den Wohnwagen soll er allerdings wieder zurück nach Schweden bringen. An der Grenze macht Folke kehrt, um mit Isak Weihnachten zu feiern. In Landstad aber erwartet ihn ein trauriger Empfang: Grant hat den Nachbarn tot in seiner Küche gefunden, just an jenem Platz, an dem Folkes Hochsitz stand.

Die letzte Szene verdeutlicht exemplarisch Bert Hamers Regiestil: Während man aus dem Off Traktorengeräusche hört, stellt Folke eine zweite Kaffeetasse auf den Tisch, dann folgen die Schlusstitel. Die ausgesparten Bilder setzen sich im Kopf des Zuschauers zusammen, der dadurch weiß, dass Folke auch Isaks Freundschaft mit Grant übernommen hat. Dieses Inszenierungsprinzip des Aussparens hatte Hamer schon in seinem Spielfilmdebüt „Eggs“ (fd 32 839) kunstvoll eingesetzt, in dem es ebenfalls um die Darstellung eines ritualisierten Alltags ging. Erneut benutzt er die absurde Ausgangssituation zu vielen kleinen Bild- und Wort-Gags am Rande, etwa wenn er den Dorfarzt bei seinen Untersuchungen ständig rauchen lässt oder Folke sich darüber beklagt, dass ihm in Norwegen vom Rechtsfahren ganz übel wird. Das liebevoll zusammengetragene Interieur und die Kleidung der 1950er-Jahre unterstreichen die Skurrilität der Figuren, die nicht psychologisiert, sondern zärtlich porträtiert werden. Die Schauspieler greifen diese Vorgabe auf und erwecken ihre Charaktere zu glaubhaftem Leben. Immer wieder kontrastiert Hamer den stillen Humor seines Films mit surrealen Einfällen, etwa, wenn Isak dank seiner Silber-Zahnfüllungen Radiosender in seinem Mund empfängt, manchmal sogar ausländische, wenn er sich an einem Kupferrohr festhält. Trotz des stupenden Einfallsreichtums sitzt der Regisseur selbst auch auf einem „Hochsitz“ und beobachtet aus der Distanz und in ruhigem Montage- Rhythmus das Geschehen, dem er nicht nur urkomischen, sondern auch politischen Hintersinn abgewinnt: „Ihr Schweden ward ja auch im Krieg stille Beobachter“, sagt Isak einmal leicht vorwurfsvoll zu Folke, um ihm dann schnell wieder die Hand zu reichen. Ein wunderbarer Film, der vom (Einfalls-) Reichtum des europäischen Kinos zeugt und durch seine Reduzierung aufs Wesentliche menschlicher Beziehungen zu einem universell verständlichen Kunstwerk wird.

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