Der Film hat in Amerika lange vor dem Start Furore gemacht - auf Grund der Gage für Jim Carrey. Carrey, die bei weitem sonderbarste Entdeckung auf dem Komödienmarkt, setzte mit 20 Mio. Dollar Gage neue Maßstäbe für die Bezahlung von Filmstars in den USA. Doch der Erfolgsverwöhnte mußte eine erste Schlappe hinnehmen. Man hatte die Tatsache unterschätzt, daß das Publikum von einem Film mit Jim Carrey erwartet, eine Komödie zu sein. Das aber ist "Cable Guy" keineswegs. Carrey spielt den Angestellten einer Firma, i die Anschlüsse fürs Kabelfernsehen legt. Steven möchte so einen Anschluß und hat gehört, daß die Monteure für ein großzügiges Trinkgeld auch die verschlüsselten Programme frei Haus liefern. Als er dem Cable Guy dieses Angebot macht, ist das für diesen der Beginn einer wunderbaren Freundschaft -und für Steven eines Albtraums. Denn dieser Chip ist nicht nur aufdringlich, steht immer wieder vor Stevens Tür und überhäuft ihn mit Geschenken. Er wird, sobald er abgewiesen wird, zu einem unerbittlichen Feind, der das Leben seines Opfers grundlegend zu zerstören weiß. Steven verliert seine Geliebte und seinen Job, die Familie stellt sich gegen ihn, und schließlich landet er im Gefängnis.Insofern folgt der Film sehr genau dem Schema des zeitgenössischen amerikanischen Psychothrillers. Was aber hat ein Komiker wie Jim Carrey darin verloren? Warum hat er nicht längst in einem Horrorfilm wie diesem mitgespielt? Denn seine grotesken körperlichen und mimischen Verrenkungen, seine aggressive, stets auf Konfrontation ausgerichtete Komik, die etwas Verächtliches und Skrupelloses hat - all das scheint erst hier wirklich Sinn zu machen. Ein erster Erklärungsversuch im Film ist ziemlich plakativ, führt aber um so direkter auf die richtige Spur. Chips/Carreys Verhalten wird in einer Rückblende damit erklärt, daß er als Kind von der Mutter vor den Fernseher gesetzt wurde, der als Ersatzbabysitter fungierte - solange, bis der Junge unfähig war, Freundschaften aufzubauen, weshalb jetzt sein Wunsch nach einem Freund um so zwanghafter ist. Das Fernsehen hatte aber noch eine weitere Wirkung: die Grenzen zwischen der televisionären Wirklichkeit und der tatsächlich wahrnehmbaren verwischten vor dem Auge des Jungen. Immer wieder sieht sich auch noch der erwachsene Chip in einer Situation, die er aus dem Fernsehen kennt (oder auch aus dem Kino), und reagiert darauf ganz nach dem Muster jener Szene. Dies charakterisiert zum einen ein Phänomen der globalen Populärkultur, die vom audiovisuellen Überangebot beherrscht wird und im besten Falle spielerisch, im schlimmsten hysterisch darauf reagiert. Es weist aber auch auf den Ursprung von Jim Carreys Komik hin, ein Konglomerat von Stilen und Methoden: angefangen bei Jerry Lewis' körperbetonter Komik, über die groteske Mißachtung jeglicher Sinnzusammenhänge bei den Marx Brothers bis zum variablen Rollenspiel moderner Komiker vom Schlage eines Robin Williams. Die Zeiten aber, in denen solches nur zur fröhlichen Unterhaltung diente, sind, zumindest aus Carreys Sicht, vorbei. Seine Komik ist ein bitteres Psychogramm, ein Zerrbild des postmodernen Konsummenschen, ja ein verzweifelter letzter Versuch des sich auflösenden Individuums, Spuren zu hinterlassen. Und sei es im Leben der anderen.Einmal sagt Chip: "Das Blöde am echten Leben ist, daß es keine Gefahrenmusik gibt." Dabei bedient Regisseur Ben Stiller dessen Wunsch nach gefühlsechter Reproduktion bekannter Szenen so weit wie möglich. Nicht nur die ganze Handlung wirkt wie der tausendste Aufguß eines Thrillers, auch einzelne Szenen, vor allem der Schluß, sind in ihrer Überzeichnung nichts als ein groteskes Abbild dessen, was an Handlungsmustern allseits bekannt ist. Wenn Jim Carrey etwa in der Gefängnisszene - selbst schon ein Zitat -auch noch "12 Uhr nachts - Midnight Express"
(fd 20 936) zitiert, offenbart sich der Charakter eines Meta-Films, der sich nicht als Persiflage versteht, sondern vielmehr als Reflexion über die gespeicherten Bewußtseinsinhalte des Kinopublikums. Aber Stiller, dessen Regiedebüt "Voll das Leben - Reality Bites"
(fd 30 922) ein sich an einen angeblichen Jugendtrend anbiederndes Twenty-something-Movie war, zeigt sich bei aller Ambitioniertheit seines Anliegens der Gesetze des Mediums bewußt genug, um nicht auf bloße Reproduktion zu vertrauen. Die Kulissen mit ihren kühlen Formen und Farben und der Aufnahmestil mit seiner leichten Unterbelichtung halten den Film zusammen und geben ihm ein eigenes Gesicht. Jim Carrey jedenfalls scheint mit diesem Film erst seinen Weg gefunden zu haben.