Schön ist die Jugendzeit

- | Schweden/Dänemark 1995 | 130 Minuten

Regie: Bo Widerberg

Während des Zweiten Weltkriegs beginnt in Malmö ein 14jähriger Schüler ein Liebesverhältnis mit seiner mehr als zwei Jahrzehnte älteren Lehrerin. Als er ihren Mann kennen- und schätzenlernt, entfremdet er sich allmählich der Geliebten, die zum rächenden Gegenschlag ausholt. Ein behutsam, bei aller Deutlichkeit diskret inszenierter und nuancenreich gespielter Bilderbogen, der sich zu einer intensiven psychologischen Studie über Beginn und Zerfall der Leidenschaft verdichtet. (Videotitel: "Verführung im Klassenzimmer"; Fernsehtitel: "Lehrstunden der Liebe")
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Filmdaten

Originaltitel
LUST OCH FÄGRING STOR
Produktionsland
Schweden/Dänemark
Produktionsjahr
1995
Produktionsfirma
Per Holst Film/Danish Film Institute/Nordic Film & TV-Fund/Svenska Filminstitut/Egmont Film/TV 2/Sveriges Television
Regie
Bo Widerberg
Buch
Bo Widerberg
Kamera
Morten Bruus
Schnitt
Bo Widerberg
Darsteller
Johan Widerberg (Stig) · Marika Lagercrantz (Viola) · Tomas von Brömssen (Frank) · Karin Huldt (Lisbet) · Björn Kjellman (Sigge)
Länge
130 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
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Heimkino

Verleih DVD
Studio Hamburg (16:9, 1.78:1, DD2.0 swe./dt.)
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Diskussion
Der Titel ist ironisch gemeint. Der Schauplatz: Malmö im neutralen Schweden während des Zweiten Weltkrieges, 1943. Stig, ein ansehnlicher Fünfzehnjähriger, begehrt seine schöne Lehrerin, die ihn auch. Das leidenschaftliche Verhältnis wird nach einiger Zeit vom Ehemann der jungen Frau entdeckt, einem traurig-bizarren und wehrlosen Vertreter für Damenunterwäsche. Als der Junge diesen Mann schätzen lernt und sich seiner Pädagogin entzieht, läßt sie ihn am Ende des Schuljahres durchfallen und vernichtet alle Spuren des Zusammenseins. Enttäuschte und Verletzte bleiben zurück: die Lehrerin, die unter der Zurückweisung so sehr leidet, daß sie zum rächenden Gegenschlag ausholt, der Junge, der öffentlich gedemütigt wird - und überdies seinen Bruder in einem gesunkenen U-Boot verliert - der Ehemann, der sich bis zur Empfindungslosigkeit betrinkt, weil ihn Schuldgefühle plagen (hatte er doch seine Frau wenige Tage nach der Hochzeit betrogen) und sein ökonomisches Fiasko. Dennoch ist er rührend, ein Musikliebhaber, der die Welt nicht versteht, in der deutsche Musik und deutsche Wehrmacht nebeneinander existieren. Keine Pubertätskomödie, obwohl es viele komische Elemente und burleske Szenen gibt: ein Quietschentchen gegen Schnarcher, eine Kuckucksuhr, die hausgebrannten Alkohol ausspuckt, Liebesspiele im kastenförmigen Turngerät, während die Schülerinnen über diesen Bock hinweghüpfen.

Der Junge ist sympathisch mitfühlend, vielleicht später einmal ein aufrechter Mann, zu Beginn ahnungslos und dann Entdecker, das heißt ungefestigt, untreu. Er tappt mit schwerem Schritt ins Männerleben. Wißbegier und sexuellen Hunger kann die 30jährige Frau stillen, doch bald will er ihrer Umklammerung entrinnen. Sie hinter dem Lehrerpult und er in der Klasse zeigen glücklich verwirrte Gesichter, müssen verheimlichen, was sie bewegt und sich doch füreinander offenbaren. Schöne Beobachtungen einer Kamera, die oft nah an die Gesichter herangeht, das kleinste Zucken registriert, die Schauspieler zu außerordentlicher Exaktheit zwingt. Dramaturgisch bleibt manches sonderbar: daß kein anderer in dieser Jungenklasse, die das künftige Leben kribbelig herbeisehnt, etwas von diesen Reizwellen verspürt, keiner im Umfeld die Affäre bemerkt, ist verwunderlich. Die Lehrerin erscheint als interessantere Figur im Vergleich zum jungen Helden, der, wer weiß, autobiografische Züge zeigt: Vereinsamt und verödet in einer Ehe, in der sie den schuldbewußten Ehemann abstraft und fernhält, mit ihrer Sanktion sich also selbst trifft. Einst vielleicht verwöhnte höhere Tochter, die nun in der kleinbürgerlichen Existenz zu verkommen droht, gibt sie sich zunehmend hemmungslos der Liebe zu dem Jungen hin. Seine Abwehr erlebt sie als typischen Verrat. Er tauscht die Lehrzeit, die Sensationen des Lebens, gegen still-solidarische Männerkumpanei mit dem Ehemann. Nachdem sie ihm noch einmal mit einer abgebrochenen Flasche als Waffe zur Liebesumarmung gezwungen hat - eine starke und berührende Szene, weil ihre Verzweiflung und Not und seine allenfalls mitleidige Einwilligung so eklatant voneinander abstechen - verwandelt sie sich zur erbarmungslosen Rächerin. Die erstaunlich verschiedenen Gesichter der Lagercrantz: von der hübschen, bebrillt-intellektuellen Lehrerin zur erregten, ungeniert drängenden Liebenden zur straff frisierten, ungnädigen Gouvernante, einer blaustrümpfigen Exekutorin.

Eine Art Passionsspiel für drei Personen, alle anderen bleiben am Rande. Liebe oder besser: Leidenschaft wird nach einer kurzen Zeit glücklicher Aufregungen, aufgeregten Glücks erlebt als bitteres Brot. Bo Widerberg verschränkt einen unterhaltsamen Bilderbogen aus den 40er Jahren, gleichsam familiäre Erinnerungen, mit einer intensiven psychologischen Studie über Beginn und Zerfall des Begehrens, über die erschreckende Ungleichzeitigkeit zwischen Menschen, die in ihr Leben gerade erst hineintaumeln und denen, für die es sich schon wie eine endlose Tundra hinzieht. Der Krieg tritt kaum in Erscheinung. Ganz da draußen sterben die Leute.

Viele Menschen in einer normalen Abendvorstellung in Köln waren offenbar entschlossen, gutgelaunt zu sein - fast überrascht und verlegen reagierten sie auf die bittere Desillusionierung.
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