Ein Winternachtstraum

Komödie | Großbritannien 1994 | 98 Minuten

Regie: Kenneth Branagh

Ein von Selbstzweifeln geplagter arbeitsloser Schauspieler beschließt, sich selbst als Hamlet zu inszenieren und stellt für dieses Unterfangen eine Truppe ebenfalls enttäuschter Kollegen zusammen. In einer ausgedienten Kirche soll dann nach drei Wochen Proben zu Weihnachten die Premiere stattfinden. Eine von einem ausgelassen aufspielenden Darsteller-Ensemble vorgetragene "Liebeserklärung an das Theater", die trotz ihrer komödiantischen Grundstimmung auch die ernsten Seiten des Schauspielerdaseins beleuchtet. Präzise in der Charakterzeichnung, stilsicher inszeniert und ausgezeichnet fotografiert, gestattet der Film einen nachdenklich-ironischen Blick hinter die Kulissen. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
IN THE BLEAK MIDWINTER
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
1994
Produktionsfirma
Castle Rock/Turner
Regie
Kenneth Branagh
Buch
Kenneth Branagh
Kamera
Roger Lanser
Musik
Jimmy Yuill
Schnitt
Neil Farrell
Darsteller
Michael Maloney (Joe Harper) · Joan Collins (Margaretta D'Arcy) · Julia Sawalha (Nina Raymond) · Richard Briers (Henry Wakefield) · John Sessions (Terry Du Bois)
Länge
98 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Komödie
Externe Links
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Diskussion
Auch wenn sich Kenneth Branagh, Shakespeare-Regisseur und Schauspieler, mittlerweile im Film genauso heimisch fühlt wie auf der Bühne, zeugen seine Filme trotz aller optischen Raffinessen immer wieder von seiner Liebe zum Theater. Nach großen Hollywood- Produktionen kehrt er gern auf die übersichtlichen Sets kleiner persönlicher Geschichten zurück. So war es mit "Peter's Friends", so ist es jetzt mit "Ein Winternachtstraum". Der unter Depressionen leidende Joe engagiert sechs mehr oder weniger erfolglose Schauspieler, um mit ihnen (und sich in der Hauptrolle) ein "Weihnachtsstück" zu inszenieren. Da es nicht die x-te Version beliebter Weihnachtsmärchen sein soll, wagt er sich an eine höchst eigenwillige Bearbeitung von Shakespeares "Hamlet". In dem abgelegenen Ort mit dem bezeichnenden Namen "Hope" hat er eine ausgediente Kirche gemietet, die der bunt zusammengewürfelten Truppe drei Wochen als Proben- und Wohnraum dient, und in der am Heiligabend die Premiere steigen soll. Die kurze Vorbereitungszeit schweißt die Gruppe zwar zu einer Gemeinschaft zusammen, deckt aber auch schonungslos ihre kleinen und großen (persönlichen) Probleme auf: der Zyniker Tom will auf keinen Fall mit "Tunten" zusammenarbeiten und schließt dann doch mit seinem homosexuellen Kollegen Terry Freundschaft; Terry wiederum wünscht sich nichts mehr als die Anerkennung seines erwachsenen Sohnes; das unsichere "Muttersöhnchen" Carnforth stürzt sich mit Haut und Haaren in den Schoß der "Schauspieler-Familie". Der großspurige Vernon möchte am liebsten auch Regie führen und kommt mit so seltsamen Vorschlägen, wie seinem Pollonius eine Cyrano-de-Bergerac-Nase anzukleben; Tom dagegen nimmt in seiner Introvertiertheit das Leben und die Schauspielerei viel zu ernst, und die extrem kurzsichtige Nina, die ihren Schminktopf schon mal mit dem Mayonaisenglas verwechselt, stürzt sich mit kindlicher Begeisterung auf ihre Ophelia-Rolle. Komplettiert wird die Truppe durch Joes Schwester Molly, die als Mädchen für alles fungiert, und die Kostüm- und Bühnenbildnerin Fadge, deren originellste Idee ist, ohne Bühnenbild zu spielen. Das Zusammenleben in der Kirche wird zum Mikrokosmos des Lebens schlechthin: man liebt sich, streitet sich, Vorurteile werden ab-, Beziehungen aufgebaut. Ab und an schneit Joes Agentin Margaretta wie ein Stück Realität in diese abgehobene, unwirkliche Welt und bringt mit ihrem Geschäftssinn beinahe das Unternehmen zu Fall; denn kurz vor der Premiere verschafft sie ihrem Klienten ein Hollywood-Engagement. Die Truppe entschließt sich, dennoch weiterzumachen, Molly springt als Hamlet ein. Aber als sie am ausverkauften Premierenabend textringend auf der Bühne kniet, löst sich aus dem Theaternebel plötzlich eine Figur: Joe läßt seine Freunde doch nicht im Stich, und gemeinsam spielen sie sich ins Happy-End, das für manche noch einige Überraschungen bereithält.

Filme über das Theatermachen hatten schon immer ihren Reiz, ob sie nun als Boulevard-Komödie angelegt sind wie "Alles nur Theater" (fd 29 429), als zeitkritische Persiflage wie "Bullets over Broadway" (fd 31 301) oder als sezierender Blick auf die Probenarbeit wie "Vanya - 42. Strasse" (fd 31 302). Kenneth Branaghs Inszenierung liegt genau in der Mitte dieser "Vorbilder". Zum einen nimmt er die Sinn-Krisen seiner um Selbstbewußtsein und Bestätigung ringenden Protagonisten ernst, zum anderen scheut er sich auch nicht, dem "Affen Zucker zu geben", um die Exaltiertheit der Schauspielerzunft vorzuführen: Umwerfend komisch (und "entlarvend") das Casting in Margarettas Büro, wo man auf plastische Weise schon mit den Figuren der Handlung konfrontiert wird. Aber immer legt Branagh über die liebevoll-ironische Charakterisierung seiner skurrilen Personen einen Hauch von Poesie und Nostalgie, die sich auch in dem Lied, das dem den Woody-Allen-Filmen nachempfundenen Titelvorspann unterlegt ist, widerspiegelt: "Why must the show go on?" Diese Liebeserklärung an das Theater fällt auch deshalb so überzeugend aus, weil Branagh Schauspieler zur Verfügung standen, die ihre Rollen zu leben scheinen, und die mit ihrer Spielfreude selbst Darstellerinnen wie die Hollywood-Altdiva Joan Collins mitzureißen verstehen. Michael Maloney ist zwar der "Star" der Truppe (und des Films), aber Branaghs einfühlsame Regie nimmt ihn immer so weit zurück, daß er die anderen nie an die Wand spielt. Eine großartige Ensembleleistung, eingefangen von einer genau beobachtenden, auf jeden grellen Effekt verzichtenden Schwarz-Weiß-Kamera.
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