Mit seinem Debütfilm "Dark Star" (1974, fd 21 122) eroberte sich John Carpenter gleich eine Fan-Gemeinde. Es folgten mit dem die Mediengewalt-Diskussion anheizenden "modernen Western" "Assault - Anschlag bei Nacht"
(fd 21 142), dem das Horrorfilm-Genre neu belebenden "Halloween"
(fd 22 083) und dem definitiven Endzeitmovie "Die Klapperschlange"
(fd 23 077) weitere unabhängig produzierte Filme, die John Carpenter den Ruf eines Kultregisseurs eintrugen. Mit den Produktionsbedingungen der großen Studios kam Carpenter nicht zurecht. Alle vier zwischen 1982 und 1986 entstandenen Big-Budget-Produktionen (u.a. "Christine", fd 24 485) erfüllten nicht die Erwartungen der Produzenten, und so wandte sich Carpenter mit "Die Fürsten der Dunkelheit"
(fd 26 819) und "Sie leben"
(fd 27 599) wieder dem Independent-Bereich zu. Als seine Firma in Schwierigkeiten geriet, versuchte er es noch einmal bei den Majors, aber "Jagd auf einen Unsichtbaren"
(fd 29 807) zeigte ihn nur als routiniert arbeitenden "Erfüllungsgehilfen" des Komiker-Stars Chevy Chase.Mit "Die Mächte des Wahnsinns" knüpft Carpenter inhaltlich an "Sie leben" an. Hier wie da geht es ihm um eine populäre Bebilderung der schon von Horkheimer und Adorno vertretenen Theorie der "autoritären Kultur". Waren es in "Sie leben" hauptsächlich die audiovisuellen Medien, die den Menschen manipulierten, so sind es in "Die Mächte des Wahnsinns" die geschriebenen Worte. Ähnlich wie in der Stephen-King-Verfilmung "Stark"
(fd 30 254) geht es um einen Horror-Schriftsteller, der die (bösen) Mächte, die er rief, nicht mehr los wird. Nur daß Carpenter noch einen Schritt weiter geht und, auf seinen Lieblingsautor H. P. Lovecraft anspielend, von der Machtergreifung der Phantasie über die gesamte Menschheit erzählt.Der zum Zyniker gewordene Versicherungsdetektiv John Trent erhält den Auftrag, den verschwundenen Horror-Erfolgsautor Sutter Cane zu suchen. Der Verleger fürchtet Millionenverluste, wenn das Manuskript nicht bald eintrifft, die Leser-Fans drehen schon durch. Trent glaubt zwar an einen Publicity-Gag des Verlages, macht sich aber an die Arbeit. Beim Lesen von Canes Büchern entdeckt er, daß alle Geschichten in einem Ort namens Hobb's End spielen. Da dieser nirgends zu finden ist, kommt Trent auf die Idee, die Umschläge von Canes Büchern wie ein Puzzle zusammenzulegen - und erhält auf der nun sichtbaren Landkarte den Hinweis, daß Hobb's End irgendwo in New Hamphire liegen muß. Gemeinsam mit der Lektorin Linda Styles macht er sich auf die Suche. In der Nacht wird es plötzlich in Sekundenschnelle hell, und sie stehen vor dem Ortsschild von Hobb's End. Alles sieht so aus, wie in den Büchern beschrieben, und die merkwürdigen Kreaturen, auf die Trent und Styles treffen, handeln genauso wie die in dem noch unveröffentlichten Roman. Aber Trent hält alles immer noch für eine perfekt inszenierte Show. Linda sucht den in einer Kirche residierenden Cane auf, der - von einer blubbernden Holztür noch aufgehaltenen - geheimnisvollen Mächten gezwungen wird, deren Phantasien vom Ende der Welt niederzuschreiben. Cane ist eine willenlose Figur seines Romans geworden. In heller Aufregung versuchen John und Linda zu fliehen, aber alle Wege führen zurück nach Hobb's End. Cane beauftragt Trent, den Roman zu seinem Verleger zu bringen. Trent weigert sich und kann in letzter Sekunde dem aus der Tür brechenden Monster entkommen. Aber das Manuskript verfolgt ihn: es liegt in seinem Motel, obwohl niemand weiß, daß er da wohnt: die Polizei nimmt seine Anzeige nicht entgegen, weil es einen Ort namensHobb's End nicht gibt, und als er das Manuskript schließlich verbrennt, erfährt er vom Verleger, daß das Buch längst erschienen und sogar schon verfilmt worden ist. Trent, der Realität und Fiktion nicht mehr unterscheiden kann, landet in einer Nervenheilanstalt, wo sich der Geheimdienstmitarbeiter Dr. Wren von ihm Antworten auf die Frage erwartet, warum das Land im Chaos zugrunde geht.Man könnte fast meinen, Carpenter wolle es den Wissenschaftlern einmal heimzahlen, die immer noch gegen besseres Wissen behaupten, die Wirkung von Mediengewalt lasse sich mit der Katharsis-Theorie erklären:Aggressionen bauen sich demnach schon während ihres medialen Erlebens ab, und man "verläßt" geläutert das Medium. Carpenters Film stützt dagegen mit schon klaustrophobischer Vehemenz die wahrscheinlichere Stimulationsthese, die Mediengewalt als Verstärker latent vorhandener Aggressionen sieht. So zeigen die Leser von Canes Büchern, die, wie im Film hintergründig-süffisant behauptet wird, besser als die von Stephen King sind, nach der Lektüre schwere paranoide Reaktionen. Die Bücher provozieren eine Welt der Desinformation und -Orientierung: Die Menschen glauben mehr an Canes Bücher als an die Bibel. Carpenter geht in seiner Kulturkritik noch ein Stück weiter, wirft den (mächtigen) Menschen vor, daß sie erst die Umwelt zerstört haben und sich nun anschicken, die Gehirne für ihre Zwecke zu manipulieren. Carpenter verpaßt dem erschreckenden Gedanken noch ein äußeres Horror-Gewand, das genau jene Mittel einsetzt, denen man sich nicht entziehen kann. Der von Carpenter mitkomponierte Soundtrack schneidet mit seinen Ton-Effekten wie Peitschenhiebe ins Fleisch. Trents Albträume werden durch schnelle, harte Schnitte zu einem Schlag in die Magengrube. Und wenn Trent mit Linda durch die Nacht fährt, sie ständig derselben alten Frau auf einem Fahrrad begegnen, die Welten zwischen Traum und Wirklichkeit fließend werden - dann schleicht das Grauen in das Herz des Zuschauers, setzt sich viel tiefer fest, als wenn die Monster-Kreaturen losgelassen werden. Da reißt Carpenter die Schockeffekte nur an, spielt ein wenig mit den Versatzstücken des Genres. Leider vergißt er über dem Bemühen, seine "Botschaft" ans Publikum zu bringen, ein wenig, die Geschichte stringent zu erzählen, nimmt's mit der Logik nicht so genau. Und auch Sam Neill fällt es schwer, differenzierte Schauspielkunst in die doch recht naiv aufgebauten Wortgeplänkel einzubringen. Besonders die Szenen in der Psychiatrie wirken wie eine unfreiwillige Parodie. Julie Carmen geht noch mehr unter, wirkt in einigen Szenen äußerst unvorteilhaft fotografiert und hölzern. Der Auftritt des Altstars Charlton Heston ist nicht mehr und nicht weniger als eine jener üblich gewordenen Cameo-Rollen, und Jürgen Prochnows dämonische Ausstrahlung hält sich in Grenzen. Die Suggestion gelingt Carpenter eher mit seiner Kunst, die ganze Breite des CinemaScope-Formats dramaturgisch auszunützen. Darin ist er immer noch ein Meister.