Museum of the Revolution

Dokumentarfilm | Tschechien/Serbien/Kroatien 2021 | 91 Minuten

Regie: Srdjan Keca

Dokumentarisches Porträt dreier obdachloser Frauen, die sich in der Bauruine des 1961 geplanten und nie fertiggestellten „Museums der Revolution“ in Belgrad eingerichtet haben. Mit kontemplativen Bildern und spielerischem Respekt für die Protagonistinnen reflektiert der Film das Zusammenspiel zwischen Prestigeprojekt und Armutsfalle, Vision und Wirklichkeit und erkundet dabei auch die Seele der serbischen Hauptstadt Belgrad. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
MUZEJ REVOLUCIJE | MUSEUM OF THE REVOLUTION
Produktionsland
Tschechien/Serbien/Kroatien
Produktionsjahr
2021
Produktionsfirma
Uzrok/Restart/Croatian Radiotelevision/Nutprodukce /Al Jazeera Documentary Channel
Regie
Srdjan Keca
Buch
Srdjan Keca
Kamera
Srdjan Keca
Musik
Hrvoje Niksic
Schnitt
Hrvoslava Brkusic · Srdjan Keca
Länge
91 Minuten
Kinostart
01.09.2022
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
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Doku über drei obdachlose Frauen, die sich in Belgrad in den Ruinen des „Museums der Revolution“ eingerichtet haben.

Diskussion

Das „Museum der Revolution“ sollte schon 1981 in Belgrad eröffnet werden. Daraus wurde aber nichts. Heute leben in der Bauruine Obdachlose. Der Dokumentarfilmer Srdjan Keča beobachtet drei von ihnen. Sein Film ist ein intimes Porträt vom Rande der Gesellschaft, ein Abgesang auf verlorene Träume. Am anderen Ufer der Save aber wächst bereits ein neues Prestigeprojekt heran.

1961 träumte der Architekt Vjenčeslav Richter davon, am Zusammenfluss zwischen Save und Donau einen Platz über „die Wahrheit über uns“ zu errichten. Parallel zu den damals in ganz Jugoslawien entstandenen Revolutionsmuseen sollte ein zentraler Ort geschaffen werden, um die Geschichte der Arbeiterbewegungen und der Revolutionen zu erzählen. Als Standort wurde die Flussniederung zwischen dem alten Zentrum der damaligen jugoslawischen Hauptstadt und dem gerade entstehenden Neu-Belgrad gewählt. Ein Bezirk, der bessere Wohnqualität für alle im visionären Architekturdesign der Moderne versprach und heute geringschätzig als „Plattenbausiedlung“ abgewertet wird. Ein Prestigeprojekt des sozialistischen Staates, der als Initiator der Bewegung der Blockfreien erfolgreich Weltpolitik zwischen Ost und West betrieb.

Das Wasser tropft von der Decke

Doch Finanzierungs- und Planungsprobleme verzögerten den Bau. Lediglich das Kellergeschoss wurde errichtet. Heute tropft hier das Wasser von den Decken. In den stickigen Hallen leben die, die es nach der Doktrin des Sozialismus gar nicht mehr hätte geben sollen: die Armen. Menschen wie Mara, Vera oder Milica. Zugewanderte aus irgendwelchen serbischen Dörfern. Sie leben zwischen der Bauruine und der Autobahnbrücke, die das Areal überspannt. Veras Mann Nenad sitzt in Niš im Gefängnis und verlangt nach immer neuen Geldüberweisungen, die sie auf den Straßen von Belgrad mühsam zusammenkratzt. Dort stehen auch Vera und ihre übergewichtige Tochter Milica, die trotz ihrer acht Jahre nicht auf den Mund gefallen ist. Zwischen metallic-glänzenden SUVs, etwas älteren Luxus-Limousinen und Kleinwagen warten sie darauf, dass einer seine Windschutzscheiben putzen lässt.

Keča nähert sich den Protagonistinnen mit großem Respekt und kontemplativer Ruhe. Inmitten des toxischen Gemischs aus krassen materiellen Gegensätzen, patriarchaler Hackordnung und Jeder-ist-sich-selbst-der-Nächste-Mentalität skizziert er das Porträt einer intimen Zweierbeziehung: von Mutter und Tochter, die das Schicksal für immer zur gegenseitigen Solidarität verpflichtet hat. Wenn die Mutter nicht da ist, steht Mara, die Milicas Großmutter sein könnte, mit ihrer Lebenserfahrung dem Mädchen zur Seite. Das klingt nach falscher Romantik, ist es aber nicht – „Museum of the Revolution“ protokolliert eine Überlebensstrategie, keine Aussteigerutopie.

Zwiespältiger Schonraum für Abgehängte

Srdjan Keča konzipierte 2014 eine Video-Installation über den geplatzten Traum vom „Museum der Revolution“ für den serbischen Pavillon auf der Architektur-Biennale in Venedig. Bei den Recherchen lernte er die Bewohner kennen, denen die Bauruine lange als Rückzugsort diente. Eine Enklave zwischen Postsozialismus und Großstadt-Hektik, ein zwiespältiger Schonraum für die Abgehängten bei ihrer Gratwanderung zwischen materiellen und emotionalen Verlustängsten.

Die Kamera ist den Protagonistinnen dicht auf den Fersen und rückt ihnen doch nicht zu sehr auf die Pelle; Sozialdokumentation mischt sich mit „The Tramp“. Die Gesichter, die Keča mit ruhiger Hand filmt, bleiben aus Erfahrung verschlossen. Besser nicht zu viel von sich preisgeben. Geduldig wartet Keča, bis sie sich öffnen; am Ende entwickelt sich ein fast spielerisches Miteinander zwischen Regie und Protagonistinnen, und wenn es doch einmal zu viel wird, schwenkt die Kamera in den Himmel über Belgrad.

Die serbische Hauptstadt spielt eine zweischneidige Rolle in diesem beachtenswerten Dokumentarfilm. Sie ist eine Heimat der Heimatlosen, produziert ständig neue Chancen und Verluste. Einmal träumt Milica davon, ins Dorf zurückzugehen. Sie zur Schule, ihre Mutter zur Arbeit. „Und um zwei Uhr, wenn die Schule vorbei ist, holst du mich ab“.

Glas, Strahl & Beton

Der Mutter-Tochter-Kokon hat nicht gehalten. Heute, erzählt Keča, lebt Milica in einer Adoptivfamilie, was „schmerzlich und befreiend gleichzeitig“ sei. Derweil wächst auf der anderen Seite der Save ein neues Prestigeprojekt in die Höhe. Die „Belgrade Waterfront“ entsteht auf dem Areal des früheren Hauptbahnhofs. Schicke Stahl-Glas-Beton-Wolkenkratzer schießen in den Himmel, die Investoren kommen aus Abu Dhabi, planen mit ihrem „urbanen Revitalisierungsprojekt“ eine „Stadt der Zukunft“. Schon wieder so ein utopisches Versprechen, das baulich aber immerhin weit über sein Fundament hinausgewachsen ist. Wenn auch, glaubt man alteingesessenen Belgradern, auf Kosten der Seele der Stadt und mit viel Korruption.

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