Animation | USA 2021 | 95 Minuten

Regie: Dash Shaw

In den späten 1960er-Jahren fängt eine Zoowärterin Fabelwesen ein, die von der Öffentlichkeit abgelehnt und gefürchtet und von Söldnern und Soldaten gejagt werden, um sie in einem Zoo in Sicherheit zu bringen. Als sich ein junges Hippiepaar jedoch dort Zutritt verschafft, kommt es zu einem Massenausbruch. Der Zeichentrickfilm erzählt eine durchdachte Ökoparabel rund um Artenvielfalt und das Recht aller Lebewesen, vom Menschen nicht aus ihrer Lebenswelt verdrängt zu werden. Visuell umgesetzt ist der Film in einem betont artifiziellen Zeichenstil aus ausgelaufenen Farben und psychedelischen Mustern, der sich stilistisch vor der Hippie-Ära verbeugt. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
CRYPTOZOO
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2021
Produktionsfirma
Fit Via Vi Film Prod.
Regie
Dash Shaw
Buch
Dash Shaw
Musik
John Carroll Kirby
Schnitt
Lance Edmands · Alex Abrahams
Länge
95 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Animation
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Ein psychedelisch anmutender Zeichentrickfilm um eine Welt der Fabelwesen, die von Söldnern und Soldaten gejagt werden.

Diskussion

Eine Liebe unter dem Sternenhimmel währt selten lang. Ein verliebtes Paar durchquert einen nächtlichen Wald; der Mann und die Frau ziehen sich gegenseitig die Kleider aus und lieben sich im Schein des Lagerfeuers. Dabei lösen sich die Umrisse der beiden gezeichneten Menschen in Muster auf. Die Körper zerfallen in ihre Bestandteile: in Flächen, in Linien und in Punkte, die miteinander verbunden ein Firmament aus Tierwesen ergeben. Sternzeichen leuchten über dem Liebespaar. Die Eingangsszene ist eine surreale Idylle, in der bereits alle Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit und zwischen Menschen und Tieren aufgehoben werden. Nach dem interstellaren Orgasmus entdeckt das Paar einen riesigen Zaun. Der Mann klettert darüber, die Frau folgt ihm. Auf einer Lichtung erblickt er ein Einhorn: „There is magic here!“ Plötzlich rast das Einhorn auf den Mann zu und durchbohrt seine Brust. Blut strömt aus der offenen Wunde.

Superwaffe oder Supergau

Schon ist klar, dass der Zeichentrickfilm „Cryptozoo“ von Dash Shaw kein Märchenfilm für Kinder ist. Shaw, Regisseur und Zeichner in Personalunion, entwirft zwar eine fantastische Welt aus Fabelwesen, den sogenannten „Cryptids“, aber die Kopplung an das reale Weltgeschehen legt die brutale Essenz der Geschichte offen. Amerika Ende der 1960er-Jahre: Die westliche Weltmacht ist im Krieg in Vietnam und die Jugend protestiert dagegen vor dem Kapitol. Die Cryptids, Mischwesen aus Tier- und Menschengestalt, werden zu diesem Zeitpunkt gefürchtet und gejagt. Söldner versprechen sich von ihnen eine Menge Geld auf dem Schwarzmarkt und das US-Militär wiederum eine neue Art der Superwaffe. Die soziale Außenseiterstellung der Cryptids erinnert ein wenig an die Mutanten in Marvels „X-Men“-Universum. Genau wie dort haben die Wesen Kräfte, die konstruktive sowie destruktive Auswirkungen haben können. Das Unberechenbare flößt den Menschen Angst ein – und im Fall der Eingangsszene bewahrheitet sie sich sogar.

Um die Bevölkerung zu beruhigen, wurde in Amerika ein Zoo eingerichtet: der Cryptozoo. Die Gründer nennen den Ort Heiligtum, auch wenn er aussieht wie eine Mischung aus Shopping Mall und Freizeitpark. Hier können die ausgegrenzten Cryptids sorgenfrei leben, während Besucher:innen die fremden Wesen beäugen und bestaunen. Es geht darum, Angstbarrieren abzubauen. Lauren ist eine Zoowärterin, die sich weltweit für die Rettung der Cryptids einsetzt. In grünem Regenmantel und mit Sonnenbrille reist sie um die Welt und rettet unter anderem die mädchenhaften Gorgone Phoebe, die ihre Schlangenhaare unter einer Mütze versteckt, und einen Jungen, dem der Kopf fehlt, der das Gesicht dafür auf seiner Brust trägt.

Beide junge Cryptids sind zuerst skeptisch gegenüber Lauren. Zu oft haben sich die Menschen als fies und brutal herausgestellt. Doch Lauren ist es ernst, sie will Hilfe zurückgeben. In ihrer Kindheit hat ein Baku, ein elefantenähnliches Wesen, mit seinem Rüssel ihre Albträume weggesaugt. Lauren hofft, die Menschheit von den positiven Eigenschaften der Cryptids zu überzeugen.

Lauren in the Sky with Diamonds

Der Zeichentrickfilm ist eine Öko-Parabel rund um Diversität, die keineswegs naiv wirkt. Die Fabelwesen sind in der fiktiven Welt Teil der Natur. Das heißt, sie können Schaden anrichten, Menschen töten oder Städte zerstören. Sie können aber auch heilen, Albträume absorbieren und Träume freisetzen. An einer Stelle verteidigt jemand die Wesen: „Without dreams there can be no future.“

Der Film ist stilistisch eine Hommage an die Hippie-Bewegung und ihre optimistische Aufbruchsstimmung mit dem nachträglichen Wissen über zukünftige Rückschläge. Optisch lösen sich die Szenerien immer wieder in psychedelischen Mustern auf. Der Drogenrausch ist nicht weit weg vom Träumen. Im Zeichenstil lassen sich Bleistiftschraffuren erkennen. Eingefärbte Flächen, Körper und Gegenstände verschwimmen miteinander wie gebatikte Kleidungsstücke.

Die Bewegungen der Menschen und der Cryptids sind abgehackt und ruckartig: Der künstliche Eindruck der Zeichnungen wird nie verschleiert, sondern explizit ausgestellt. Als ob Dash Shaw dem Publikum sagen möchte: Die Utopie existiert nur auf dem Papier – doch es lohnt sich, künstlerisch zu träumen, um der Verwirklichung der Utopie ein Stück weit näher zu kommen.

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