Frankreich im August 1572: Der Protestant Henri de Navarre ist nach Paris gekommen, um die Katholikin Marguerite de Valois, Schwester König Charles IX., zu heiraten. Eingefädelt hatte die Hochzeit gegen den Willen von Marguerite ihre Mutter Catherine de Médicis, um den Religionskrieg in Frankreich zu beenden. Andererseits will sie aber auch die uneingeschränkte Macht für ihren Sohn Charles IX. und plant die Ermordung seines engsten Vertrauten, des protestantischen Generals Coligny. Als das Attentat fehlschlägt, laufen ihr die Ereignisse aus der Hand. In der Bartholomäusnacht vom 23./24. August entfesselt die Pariser Bürgermiliz unter Anführung ihres Lieblingssohnes Anjou ein wahres Gemetzel unter den Hugenotten: 2000 bis 10000 Protestanten sollen dem Massaker zum Opfer gefallen sein. Lediglich Henri und sein Vetter können entkommen, werden aber im Louvre gefangengesetzt. Margot, wie Marguerite genannt wird, ereilt dasselbe Schicksal, weil sie sich gegen ihre Mutter und Brüder auf die Seite der Unterdrückten schlägt, nicht so sehr aus Überzeugung, sondern eher aus Leidenschaft, denn in der Batholomäusnacht rettete sie dem protestantischen Musketier La Mole das Leben, mit dem sie, unerkannt, statt mit Henri ihre Hochzeitsnacht verbracht hatte. Nun versuchen sie beide zu fliehen: Henri, um gegen die Katholiken zu Felde zu ziehen, Margot, um ihren Geliebten wiederzutreffen. Der wankelmütige König versucht, sich mit Henri auszusöhnen, während seine Mutter weiter dessen Ermordung plant. Durch einen Zufall gerät das Gift aber in Charles Körper, der nun langsam dahinsiecht. Nach einem gemeinsamen Jagdausflug, auf dem Henri Charles vor einem wildgewordenen Eber rettet, ermöglicht der König seinem Gefangenen die Flucht. Margot bleibt in Paris, um ihrem Geliebten nahe zu sein. Erst als dieser gefangengenommen und hingerichtet wird, Charles in ihren Armen stirbt, und sie die Intrigen ihrer Mutter durchschaut hat, folgt sie Henri, La Moles Haupt "im Gepäck" Patrice Chéreau - er inszenierte u.a. von 1976-1980 in Bayreuth den mittlerweile legendären "Ring der Nibelungen"-Zyklus - hat sich seit 1974 auch immer wieder dem Kino zugewandt, wobei er gleich mit seinem Debütfilm "Das Fleisch der Orchidee"
(fd 19 421) Aufsehen erregte. Sein dritter Spielfilm, "Der verführte Mann"
(fd 25 260), brachte ihm zahlreiche Preise ein, und mit "Die Bartholomäusnacht", seinem sechsten und bisher aufwendigsten Kinofilm, sollte er nun den großen (Publikums-)Wurf landen. Isabelle Adjani und eine bis in die kleinste Nebenrolle illustre Schauspielerschar, gepaart mit der Vorliebe der Franzosen für nationale Heldinnen, verhalfen dem Film zu einer Vorpublizität, die einem nationalen Ereignis gleichkam. Dann aber kam die Ernüchterung beim Festival in Cannes und die Enttäuschung an den Kinokassen. Für den Einsatz außerhalb Frankreichs hat Patrice Chéreau den Film um ca. 17 Minuten gekürzt. Kaum vorstellbar bei der Komplexität der Geschichte, die aus Verständnisgründen das Schneiden ganzer Sequenzen unmöglich macht. So muß Chéreau wohl eine Menge Szenen und Einstellungen kürzen, was den ohnehin rasanten Schnittrhythmus - nicht unbedingt zu seinem Voneil - betonen dürfte. Glücklicherweise gilt das nur für die synchronisierte Fassung, die untertitelte Originalfassung wird in der ursprünglichen Länge von 160 Minuten zu sehen sein.Vielleicht liegt in der Dichte der Handlung, den anfangs verwirrenden Personenkonstellationen, deren Entschlüsselung schon eine genauere Geschichtskenntnis voraussetzen, das Rezeptionsproblem, das "Die Bartholomäusnacht" nicht als üblichen Historienfilm konsumierbar macht. Obwohl Chéreau seinen Film akribisch vorbereitet, auf jedes Detail geachtet hat, um das Zeitkolorit zu treffen, sieht man dem Film die hohen Produktionskosten auf den ersten Blick nicht an. Denn im Vordergrund seiner Inszenierung stehen nicht gemäldeartige Tableaus, die er genüßlich mit der Kamera abfährt oder in ruhigen Totalen präsentiert, Chéreaus Augenmerk liegt ganz auf seinen Schauspielern, ihren Bewegungen und Gesichtern, so daß die Bilder trotz aller Opulenz nicht selten einen Hauch "cinema vérité" atmen. Besonders in den Anfangssequenzen, wenn das Schwarz der Protestanten und die "Leichenblässe" der Mordnacht die Leinwand dominieren, stellt sich ein fast beklemmendes Gefühl des Dabeiseins ein. Die hautnahe Kameraarbeit von Philippe Rousselot, der es schafft, Licht in (damals ja) unbeleuchtete Räume und Straßen zu setzen, ohne daß der Eindruck von "Beleuchtung" entsteht, verstärkt noch den Eindruck der Authentizität. Und doch bleibt Chéreau nicht in der Historie stehen, wirft keinen voyeuristischen Blick auf eine ebenso gewalttätige wie sinnenfrohe Epoche. Die Kamera verweilt weder auf den sexuellen Ausschweifungen noch geht sie bei den Gemetzeln genüßlich ins Detail. Die Bilder vermitteln eher die Stimmung der Ereignisse, als daß sie sie platt bebildern. Dafür vermittelt das differenzierte Spiel der Schauspieler um so mehr jene unerquickliche Mischung aus Fanatismus, religiösem Wahn. rücksichtsloser Fleicheslust, ungestilltem Machthunger, aber auch aufopferungsvoller Liebe.Die Intrigen der Bartholomäusnacht stehen auf einer Stufe mit den Familienmachenschaften des italienischen Großbürgertums in den Filmen von Bertolucci und Visconti oder den Mafia-Strukturen in Coppolas und Scorseses Gangster-Epen. Und wenn Virna Lisi wie ein Todesengel von der Empore blickt, dann wirkt sie wie eine "Patin" im Renaissance-Gewand. Eine dämonisch-beeindruckende Leistung der italienischen Actrice, die Mut zur Häßlichkeit beweist und den allzu schön und glatt wirkenden Star Isabelle Adjani vergessen läßt. Einzig Jean-Hugues Anglade als ihr neurotischer Königssohn vermag da schauspielerisch Paroli zu bieten, während Daniel Auteuil seinen Part allzu "wurstig" hinunterspielt, eine Enttäuschung im ansonsten straff geführten Schauspieler-Ensemble. Nicht zuletzt durch die kraftvoll-lyrische, an geistlichen Chorgesängen orientierte Musik wirkt "Die Bartholomäusnacht" wie eine kongeniale Mischung aus Oper und Kino, hinter deren Schauwerten aber immer wieder der deutliehe Appell an Toleranz und Mitgefühl deutlich wird.