Elisa & Marcela
Biopic | Spanien 2019 | 113 Minuten
Regie: Isabel Coixet
Filmdaten
- Originaltitel
- ELISA Y MARCELA
- Produktionsland
- Spanien
- Produktionsjahr
- 2019
- Produktionsfirma
- Lanube Películas/Axencia Galega das Industrias Culturais/Institut Català de les Empreses Culturals/Rodar y Rodar/ Televisió de Catalunya/Zenit
- Regie
- Isabel Coixet
- Buch
- Isabel Coixet · Narciso de Gabriel
- Kamera
- Jennifer Cox
- Musik
- Sofia Oriana Infante
- Schnitt
- Bernat Aragonés
- Darsteller
- Natalia de Molina (Elisa Sánchez Loriga) · Greta Fernández (Marcela Gracia Ibeas) · Francesc Orella (Marcelas Vater) · Tamar Novas (Andres) · Sara Casasnovas (Ana)
- Länge
- 113 Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Biopic | Drama
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
In ausgefeilten Schwarz-weiß-Bildern komponiertes Historienepos von Isabel Coixet über die erste bekannt gewordene gleichgeschlechtliche Ehe in Spanien, das neben seiner ergreifenden Liebesgeschichte auch von Ressentiments gegen Bildung und Frauenemanzipation erzählt.
Argentinien im Jahre 1925. Eine Dampflokomotive zieht Waggons durch die trockene Landschaft Patagoniens. „Wer bin ich, wo komme ich her? Was ist meine Geschichte?“, fragt eine Frauenstimme aus dem Off, „Wer waren jene Frauen, deren Namen man immer nur mit gedämpfter Stimme erwähnte?“
„Elisa & Marcela“ von Isabel Coixet beginnt am Ende der Welt. Hier trifft die Neuangekommene mit einer Frau zusammen, die sich hierher zurückgezogen hat. Die Frage nach ihrem Verhältnis bleibt zunächst offen, doch schwebt der Wunsch nach einer Aufklärung im Raum: „Du wirst wahrscheinlich einige Sachen von mir wissen wollen...“ – „Alles!“
Mit ausgefeilten Schwarz-weiß-Bildern erzählt „Elisa & Marcela“ von da an eine lange Rückblende von 1898 bis 1925, von der ersten Begegnung zweier jungen Frauen bis zu dem anfangs gezeigten Moment. Elisa (Natalia de Molina) begegnet Marcela (Greta Fernández) zum ersten Mal in der Klosterschule, wo Elisa bei den Nonnen und ihrer Tante lebt, die die Schule leitet. Über dem Spiegel steht in großen Buchstaben: „Deine Eitelkeit ist deine Schwäche“. Elisa glaubt nicht an die Nonnen und die Priester und nicht an die Jungfrau, nicht an den heiligen Geist und auch nicht an Gott. Aber sie hat sich geschickt angepasst.
Bildung ist Emanzipation
Marcela wohnt in kleinbürgerlichen Verhältnissen. Die Mutter, eine eingeschüchterte Hausfrau, wünscht sich für ihre Tochter eine bessere Bildung, doch ihr tyrannischer Ehemann hält davon wenig. „An dieser Schule wirst du das Notwendige lernen. Nicht zu viel, nur das Notwendige!“, befiehlt er seiner Tochter. Bildung, das macht der Film von Anfang an deutlich, ist immer mit Emanzipation verbunden; die konservativ-reaktionäre Aggression, die den beiden Frauen entgegenschlägt, hat viel mit der Bildungsfeindlichkeit der spanischen Gesellschaft Anfang des 20. Jahrhunderts zu tun.
Aus der Freundschaft der Teenager erwächst bald eine leidenschaftliche Liebesbeziehung, doch als Marcelas Eltern Verdacht schöpfen, werden Elisa und Marcela zum ersten Mal getrennt. Sie schicken die Tochter weit weg nach Madrid; nur über Briefe halten die beiden Kontakt. Einige Jahre danach jedoch treffen sie sich wieder, arbeiten als Dorfschullehrerinnen und sind glücklich zusammen, bis ihnen üble Nachrede und gewalttätige Angriffe das Leben unmöglich machen. Elisa verschwindet, und Marcela lässt sich mit einem Waldarbeiter ein, um schwanger zu werden.
Wochen später taucht ein junger Mann auf, der sich als Elisas jüngerer Vetter Mario ausgibt und bei ihr einzieht. Ein Priester in La Coruña verheiratet sie. Das Paar möchte bald nach Argentinien emigrieren, aber die Dorfbewohner geben keine Ruhe. Der aufgebrachte Mob wirft ihre Fensterscheiben ein, ein Arzt soll Marios Geschlechtszugehörigkeit untersuchen. Der Schwindel platzt, und vor den höhnischen Presseschlagzeilen bleibt den Frauen nur die Flucht ins benachbarte Portugal. Auch dort aber sind sie vor den Nachstellungen der spanischen Gesellschaft nicht sicher.
Ein Fall, der Schlagzeilen machte
Isabel Coixets Film beruht auf dem authentischen Fall der ersten bekannt gewordenen gleichgeschlechtlichen Ehe in Spanien. Sie wurde, wenn auch durch die Unwissenheit des Priesters, am 8. Juni 1901 in La Coruña geschlossen (und nie offiziell annulliert); der Fall der beiden Grundschullehrerinnen Elisa Sánchez Loriga und Marcela Gracia Ibeas beherrschte eine Zeit lang die zeitgenössische Presse.
„Elisa & Marcela“ steht in einer Reihe spanischer Filme, die vergessene oder verdrängte Ereignisse wiederentdecken. Am Ende klärt ein Insert auf, dass die gleichgeschlechtliche Ehe in Spanien 2005 legalisiert wurde, was bislang nur in 24 weiteren Staaten der Fall ist. In 72 Ländern werden gleichgeschlechtliche Beziehungen weiterhin strafrechtlich verfolgt; mitunter drohen hohe Haftstrafen oder sogar der Tod. Coixet erzählt die Geschichte der beiden Frauen auch mit Bezug auf die Gegenwart; viele der Ressentiments wie die Bildungsfeindlichkeit oder der Hass auf das Andere finden sich in der gegenwärtigen Spaltung der spanischen Gesellschaft wieder.
Neben seiner politischen Positionierung erzählt „Elisa & Marcela“ aber primär vom Kampf einer Liebe gegen alle Widerstände in einem feindseligen, reaktionär-frauenfeindlichem Umfeld. Die beiden Hauptdarstellerinnen Natalia de Molina und Greta Fernández vermögen dabei auch den Lauf der Zeit wunderbar zu verkörpern, vom Enthusiasmus und der Romantik zweier Schulmädchen bis hin zur emotionalen Reife zweier entschlossener Frauen, die nichts aufhalten kann. Coixet erzählt mit Distanz, in schönen, brillant komponierten und kontrastreich ausgeleuchteten Schwarz-weiß-Bildern, die nur gelegentlich zum Manierismus und zu einer Überästhetisierung tendieren. In der Summe ist „Elisa & Marcela“ ein dicht erzähltes historisches Epos und eine ergreifende Liebesgeschichte. Wenn am Ende die Frage fällt, „War es das wirklich alles wert?“, möchte man einfach nur zustimmend nicken.