Mit „Moonlight“ und einem „Oscar“-Gewinn trat vor zwei Jahren ein bis dahin fast unbekannter schwarzer Regisseur in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit aller ernsthaft Filminteressierten: Barry Jenkins. Sein jüngster Film „Beale Street“ ist wie „Moonlight“ eine Reflexion über das Leben der afroamerikanischen Bevölkerung in den USA.
Diesmal jedoch ist der Stil des Films noch stärker von Mitgefühl und Zärtlichkeit geprägt, und voller poetischer Wärme. Dennoch bleibt die Wut über die realitätsnahen Umstände, die das nach einer Romanvorlage von James Baldwin erzählte Schicksal eines jungen Paares vorantreiben, stets gegenwärtig. Sie nistet sich wie ein böser Tagtraum im Bewusstsein des Publikums ein, ohne dass der Erzählfluss der Liebesgeschichte, um die es hier geht, dadurch überwältigt würde.
Der Bildhauer und seine Geliebte
Die Handlung spielt sich im New Yorker West Village der frühen 1970er-Jahre ab und erzählt von dem 22-jährigen Alonzo, genannt Fonny, einem hoffnungsvoll in die Zukunft blickenden Bildhauer, und seiner drei Jahre jüngeren Verlobten Tish. Es ist eine romantische Story, die Jenkins auf bedächtige, man könnte fast sagen altmodische Weise erzählt, würde die Inszenierung nicht schon bald beginnen, durch Rückblenden Lebensumstände und Gewohnheiten als kleine, allmählich immer wichtiger werdende Widerhaken in die Geschichte einzufügen.
Wenn schließlich die Realität der von rassistischen Vorurteilen beherrschten Umwelt in die aufblühende Liebe von Fonny und Tish einbricht, dann demonstriert die Art und Weise, wie Jenkins damit umgeht, dass hier ein hochsensibler Filmemacher am Werk war, der es nicht nötig hat, mit der Faust auf den Tisch zu schlagen. Stattdessen gestatten ihm das Vertrauen auf die Darsteller und auf die Glaubhaftigkeit der Dialoge, den ausdrucksvollen lyrischen Stil beizubehalten, den er zu Anfang angeschlagen hat.
Ein bemerkenswert anderer Weg
Die Manipulationen eines weißen Polizeioffiziers führen dazu, dass Fonny unter falschem Verdacht wegen einer Vergewaltigung ins Gefängnis gesperrt wird und die schwangere Tish im Kreis ihrer Familien zurückbleibt, wo sie den höchst gegensätzlichen Reaktionen der aufgeregten Verwandtschaft ausgesetzt ist. Hier kommt der Film etwas ins Schwanken und nähert sich in einigen Szenen einer allzu vertrauten Dramaturgie, fängt sich aber rechtzeitig wieder, bevor die Story zu Ende kommt.
Etliche Filme der vergangenen Jahre haben das Publikum daran gewöhnt, Geschichten über rassistisches Denken und Handeln mit zornigen Darstellungen gleichzusetzen, deren formales Repertoire zu großen Teilen dem klassischen Polizei- und Actionfilm entliehen ist. Jenkins schlägt einen bemerkenswert anderen Weg ein.
Auch als sich die Geschichte von Fonny und Tish zuspitzt, lässt er sich nicht zu demagogischen Szenen verleiten. Dass sein in der Vergangenheit spielendes Drama die Befindlichkeiten der US-amerikanischen Gegenwart und ihre Wurzeln trotzdem genau spiegelt, liegt an der Klugheit, mit der er die Romanze mit Informationen über die gesellschaftliche Realität durchsetzt und die Konsequenzen für das junge Paar eher an deren Reaktionen als an aufmüpfigen Aktionen verdeutlicht.
Wie in den besten Fassbinder-Filmen
Bis zum Schluss weicht Jenkins nicht ab von seinem gestalterischen Prinzip langer Einstellungen, des stetigen Blickkontakts und der direkt in die Kamera (und damit an den Zuschauer) gesprochenen Dialoge ab. Die Intimität, mit der die Liebesgeschichte erzählt wird, bleibt auch in den Familien- und Gefängnisszenen erhalten. Wie in den besten Fassbinder-Filmen schwenkt die Kamera in einem langen, zentralen Gespräch zwischen den Gesichtern von Fonny und einem gerade aus dem Gefängnis entlassenen Freund hin und her, ohne Ablenkung, in unaufdringlicher, äußerster Konzentration auf die allzu vertraut klingenden Ungerechtigkeiten, die das System tagtäglich produziert.
Dieser Stil mag durchaus von dem zugrundeliegenden, im Jahr 1974 erschienenen Roman von James Baldwin inspiriert worden sein, doch er ist in einem hohen Maße filmisch und für einen Film mit diesem Thema ziemlich ungewöhnlich.