Dokumentarfilm | Deutschland 2017 | 92 Minuten

Regie: Toni Schmid

Der Dokumentarfilm blickt hinter die Kulissen der Bayerischen Staatsoper in München und begleitet das Entstehen mehrerer Aufführungen von ersten Ideen über die vielen Gewerke, Orchesterproben und Korrepetitionen bis zur festlichen Premiere. Dabei geht es weniger um einen investigativen als einen beschreibenden Blick auf die künstlerischen Disziplinen, die erst im Zusammenwirken eine Oper zum Erfolg führen. Kenntnisreiche Anekdoten und viele Gespräche werden elegant miteinander verbunden und vermitteln einen umfassenden Einblick in die Funktionsweise des Musiktheaters. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2017
Produktionsfirma
Kick Film/BR
Regie
Toni Schmid
Buch
Toni Schmid
Kamera
Hans Peter Fischer · Roland Wagner · Ralf Richter
Schnitt
Carmen Kirchweger
Länge
92 Minuten
Kinostart
01.06.2017
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Dokumentarfilm
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Heimkino

Die Edition enthält eine Audiodeskription für Sehbehinderte. Die Extras umfassen neben kürzeren Interviews u.a. zwei längere Passagen, die nicht für den Film Verwendung fanden: "Podiumsgespräch mit Zubin Mehta und Sir Peter Jones" (21 Min.) und "Werkstätten der Bayerischen Staatsoper" (9 Min.).

Verleih DVD
EuroVideo (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl. & dt.)
Verleih Blu-ray
EuroVideo (16:9, 2.35:1, dts-HDMA engl. & dt.)
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Beschwingte Einführung ins Musiktheater

Diskussion

Die Oper scheint trotz Klassik Radio oder den Liveübertragungen herausragender Inszenierungen auf 3sat und arte noch immer ein großes Mysterium zu sein. Das mag auch daran liegen, dass man zunächst nicht so ganz versteht, worum es in „Elektra“, „Turandot“ oder „Fidelio“ geht; von Wagner ganz zu schweigen. Regisseur Toni Schmid macht sich in „Ganz große Oper“ die Schwellenangst des Publikums zu eigen und zeigt zu Beginn eine Probensituation mit Sängerin, einem Repetitor am Klavier und einer Schauspiellehrerin, die nichts Besseres zu tun hat, als ihrer Schülerin zu eröffnen, dass eigentlich keiner genau weiß, worum es hier geht. So übertölpelt und unverhofft amüsiert, ist die Aufmerksamkeit des Zuschauers gewonnen, und der Film kann beginnen.

Natürlich wissen alle, worum es hier geht. Nur ist es mitunter nicht so leicht auf den Punkt zu bringen. Das Libretto von „Die Meistersinger von Nürnberg“ oder „Götterdämmerung“ zusammenzufassen, birgt einige Schwierigkeiten. Zunächst einmal verhaspelt man sich, was nicht weiter tragisch ist, Hauptsache, man hat ein Gefühl fürs Sujet. „Ohne Götter hat man ein Leben… mit Göttern hat man ein Schicksal!“, meint die Lehrerin zur Sängerin. Und der Zuschauer hat ein „Aha“-Erlebnis.

„Ganz große Oper“ macht vieles richtig. Nach dem Einstieg dürfen Mitglieder des Bayerischen Staatsorchesters ein wenig herumplänkeln und Klischees über Bratschisten oder Hornisten verfestigen. Natürlich nur die sympathischen, denn dass die Bratschisten eher als Nerds des Orchesters verschrien sind und im Internet ganze Witzeseiten über die angeblichen musikalischen „Schlaftabletten“ existieren, gehört selbstredend nicht hierher.

Ist der Anfang gemacht und das Publikum entkrampft, geht es an die Arbeit. Um ein Werk wie Wagners „Meistersinger“ oder Verdis „Ein Maskenball“ aufzuführen, benötigt man monatelangen Vorlauf. Von den ersten Visionen der Intendanz über Regiekonzepte, Kostümentwürfe und Kulissenschiebereien bis hin zu den interpretatorischen Feinheiten in den Orchesterproben und Korrepetitionen. Sowohl der technische als auch der künstlerische Aufwand ist enorm und verschlingt Unsummen. Doch das Ergebnis kann sich sehen und hören lassen. Denn die Bayerische Staatsoper in München gehört zu den besten und modernsten Häusern. Hier kann man aus dem Vollen schöpfen und produziert Theater auf Weltniveau. Dass Anna Netrebko im Nationaltheater Repertoire-Gast ist, verwundert so wenig wie die Tatsache, dass sich Weltstars wie Jonas Kaufmann und Anja Harteros hier ihre ersten Sporen verdient haben. Beide stehen ausgiebig Rede und Antwort und flankieren den Gang durchs Haus mit Anekdoten, während die Intendanten Sir Peter Jonas (1993-2006) und Nikolaus Bachler (seit 2008) ihr Insiderwissen preisgeben.

Toni Schmid ist im Hauptberuf langjähriger Ministerialdirigent im Bayerischen Kultusministerium. Er kennt „seine“ Staatsoper aus dem Effeff und weiß um die „Türenöffner“. Lediglich den Generalmusikdirektor Kirill Petrenko darf er nur aus der Ferne beobachten. Der hat es nicht so mit den Medien. „Ganz große Oper“ ist kein politischer oder gar investigativer Film. Grundsätzliche Fragen der Finanzierung bleiben außen vor, die chronischen Querelen zwischen den darstellenden und den musikalischen Instanzen reduzieren sich auf Minikonflikte zwischen der „weltfremden“ Regie und dem Leiter der Bühnenwerkstadt über die Betanzbarkeit eines gezimmerten Altars.

Schlimm ist das nicht, denn der Film will die Faszination des Unterfangens „Oper“ vermitteln, die vom ersten Gedanken an eine Inszenierung bis zur Galapremiere reicht und für Normalsterbliche sonst verborgen bleibt. Ein wenig funktioniert der Film wie ein abendfüllender Beitrag für „Die Sendung mit der Maus“. Fundiert, höchst erhellend, unterhaltsam und mit Botschaft. Und die besteht im Staunen. Oper macht Spaß; große Oper ganz besonders.

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