Sheikh Rehman ist einer der letzten Filmplakate-Maler in Indien. Auch das traditionsreiche Kino „Alfred Talkies“ im Zentrum Mumbais, für das er seine Plakate entwirft und in dem fast nur noch in die Jahre gekommene Bollywood-B-Movies gezeigt werden, ist eines der letzten seiner Art. Die Kinobesitzerin, der Manager, Rehman und dessen Angestellte, sie alle wissen, dass sie sich auf einem „sinkenden Schiff“ befinden. Schon lange lohnt sich der Betrieb nicht mehr, die Einnahmen gehen immer weiter zurück. Die Tage des Kinos am Rand des Rotlichtviertels sind gezählt. Und damit auch die von Rehmans Gewerbe. In seinem Dokumentarfilm schaut das Vater-Sohn-Gespann Georg Heinzen und Florian Heinzen-Ziob Kino und Kunst beim Sterben über die Schulter.
Und doch ist von Tristesse nichts zu spüren. Geräusche einer pulsierenden Metropole wehen von draußen in Rehmans Atelier, in dem der Künstler mit nacktem Oberkörper und zusammengekniffenen Augen die Fortschritte seiner Arbeit auf den großen, aus den Rückseiten von Werbepostern zusammengezimmerten Leinwänden betrachtet. Derb fluchend, schimpfend und frotzelnd kommandiert Rehman seine beiden Gehilfen. Oder er legt selbst Hand an die farbenprächtigen, sorgsam arrangierten Kompositionen. Immer ein Zitat eines alten Bollywood-Heroen auf den Lippen und einen Pinsel, eine Zigarette oder Wasserflasche in der Hand.
Rehman wird als „eine Mischung aus Künstler, Guru, Komödiant und Philosoph“ beschrieben, was ziemlich gut zutrifft. Zumindest vermittelt die Dokumentation diesen Eindruck. Rehman erscheint als charismatischer Meister, der den Film mit seiner Präsenz und einem spitzbübischen Lächeln lässig auf den Schultern trägt. Dennoch wäre es interessant gewesen, seine Angestellten über ihn sprechen zu hören; so bleibt Rehmans Aussage, sie würden ihm seinen rauen Umgangston nicht übelnehmen, unwidersprochen im Raum stehen. Die unverkrampfte, fröhliche Atmosphäre im Atelier scheint ihm Recht zu geben.
An kritischen Rückfragen zeigen die Regisseure generell wenig Interesse. Ihr Film spiegelt eher einen allegorischen Blick auf das Geschehen, die Protagonisten und einen Schauplatz, den die Filmemacher als „vielleicht letzten Ort auf der Welt“ beschreiben, „wo wir noch träumen können“. Zwar hätte „Original Copy“ im „Alfred Talkies“, wo es knallen und „Boom“ machen muss, wie es der Kinomanager Huzefa Bootwala formuliert, normalerweise keine Chance; gleichwohl besteht die dramaturgische Grundidee des Films darin, die Menschen im „Alfred Talkies“ wie Bollywood-Helden zu betrachten. Die Kinobesitzerin Najma Loynmoon konnte den alten Filmpalast von ihrem Großvater nur übernehmen, weil er keine männlichen Erben hatte; den Tod ihrer Tochter schildert sie wie eine Szene aus einem Melodram und sagt, dass sie sich genauso gefühlt habe: als wäre sie in einem Film. Manager Bootwala bricht in Tränen aus, als er zu erklären versucht, wie sehr Najma ihn immer wieder, auch finanziell, unterstützt habe. Über das Kino sagt er aber auch: „Wir tun das, weil wir keine andere Wahl haben.“ Was in einem anderen Kontext fatalistisch, sozialkritisch oder schlicht deprimierend klingen könnte, erhält in „Original Copy“ eine romantische, melancholische Färbung.
Der subtile Einfluss, den die Filmemacher womöglich nur halbbewusst auf ihre Protagonisten ausüben, wird besonders am Vater-Sohn-Thema deutlich. Mehrfach beklagt Rehman, dass seine Söhne seine Arbeit geringschätzen; sie verabscheuten den Geruch der Ölfarbe und würden seine Bilder auf den Müll werfen. Statt in seine Fußstapfen zu treten, arbeiten sie als Programmierer. Es ist unverkennbar, dass Rehman darunter leidet; dass er aber so oft darüber spricht (und nachdenkt), mag auch daran liegen, dass die Filmemacher ihm jene kreativen Familienbande vorleben, die er selbst vermisst. Macht man sich bewusst, dass auch Dokumentarfilm-Protagonisten immer auch Rollen spielen und inszeniert werden, wird sichtbar, dass „Original Copy“ ein märchenhaft schönes, berührendes Refugium kreiert, in dem die Grenzen zwischen Fiktion und Wirklichkeit aufgehoben werden.
Jeden Tag segnet der Filmvorführer diesen besonderen, nahezu heiligen Ort mit Weihrauch. Hier sei, verkündet Loynmoon voller Stolz, noch nie etwas „richtig Schlimmes“ passiert. „Jeder Hund hat seinen Tag“, zitiert Rehman gegen Ende einen seiner Kinohelden, „heute ist meiner.“ Draußen wird das fertige, feierlich signierte Filmplakat über dem Kinoeingang aufgehängt. Nur eine Woche später wird es wieder abgenommen, beige überpinselt und zur Leinwand für das nächste. Es ist, wie Rehman es ausdrückt, „der Film des Lebens“, den Heinzen und Heinzen-Ziob mitschneiden. Diese „Rolle“, sagt er noch, „läuft nie aus“. So gesehen, ist „Original Copy“ nicht nur eine Hommage auf Bollywood und das Kino als Werkstatt der Träume, sondern auch eine Ode an das Leben.