Sich von aller Welt verlassen zu fühlen, zählt zu den menschlichen Urängsten. Das Alleinsein ist dann besonders grauenhaft, wenn die Abwesenheit von Menschen keine „natürliche“ ist, sondern wenn einem eine Leerstelle bewusst wird, wenn ein Ort, der bevölkert sein sollte, ohne Menschen bleibt. „Where is everybody?“, fragte schon der Protagonist der von Robert Stevens inszenierten ersten Folge des Fernsehserien-Klassikers „Twilight Zone“ am 2.10.1959, als er allein durch eine menschenleere Stadt irrte, was dem Zuschauer nachhaltigen Schauder über den Rücken jagte.
Die Vorstellung, ungewollt allein in einem riesigen Areal zu sein, kann einen in den Wahnsinn treiben. Mit solcher Paranoia spielt der Drehbuchautor Jon Spaihts, wenn er den Protagonisten Jim Preston genau dieses Horrorszenario erleben lässt. Preston wacht als Einziger während einer auf 120 Jahre angelegten interstellaren Reise zu einem fernen Planeten zu früh aus dem Hyperschlaf auf, insgesamt 90 Jahre zu früh. Dabei gaukelt die Bordelektronik der „Avalon“ dem verstörten Passagier zunächst den Normalfall vor. Demzufolge sollen alle 5.000 Kolonisten an Bord vier Monate vor Ankunft auf dem Siedlerplaneten „Homestead II“ aufgeweckt werden, damit sie sich aneinander gewöhnen und alle Annehmlichkeiten des durchs All cruisenden Luxusgleiters in vollen Zügen genießen können.
Doch nur Preston bewegt sich durch Kinos, Kantinen und andere mehr oder minder opulent ausgestattete Räumlichkeiten. Was er zunächst nicht weiß: Eine Fehlfunktion während eines Asteroidenschauers hat nur ihn aus dem Schlaf geweckt; die übrigen gläsernen Boxen sind weiter mit sedierten Menschen gefüllt, die Führungscrew befindet sich in einem abgetrennten, unzugänglichen Raum. Eine Nachricht zur Erde würde Jahrzehnte benötigen, von der Antwort ganz zu schweigen.
Was macht man in einer solch verzweifelten Situation? Auf den Tod warten? Andere Reisende aus dem Kokon wecken? Nach über einem Jahr selbstzerfleischender Gedankenspiele entscheidet sich Preston, die Kammer der blonden Aurora Dunn zu öffnen – nicht ohne sich zu versprechen, ihr nie zu verraten, welche Schuld er damit auf sich lädt. So gesellt sich zu Prestons auswegloser Situation ein sein Gewissen belastendes Geheimnis – das irgendwann zwangsläufig gelüftet wird.
Diese dramaturgische Konstruktion ist so schlicht wie zielführend. Mühelos wird sie von den beiden glänzenden Darstellern getragen, denen man solches nicht unbesehen zugetraut hätte. Während man von Jennifer Lawrence weiß, dass sie mehr kann als nur den Bogen zu spannen, ist Chris Pratt, der Star-Lord in „Guardians of the Galaxy“
(fd 42 540) die eigentliche Überraschung: Sein Mienenspiel zwischen Angst, Hoffnung, Verzweiflung, Begehrlichkeit und Wut macht den Film auch dort glaubwürdig, wo das Drehbuch die beiden Protagonisten allzu übertriebenes Superheldentum zumutet – und das in einem prinzipiell unheroischen, audiovisuell kraftvollen und fast schon dystopischen Film.
Wenn sich in Folge des ersten Computerfehlers allmählich eine unselige Kettenreaktion in Gang setzt, die das Raumschiff zu zerstören droht, gelingt Regisseur Morten Tyldum ein spektakulärer Abgesang auf die Technikgläubigkeit der Menschheit, die ihr Schicksal in Jahrhunderte überdauernde Schaltkreise gelegt hat. Solche fast schon philosophische Kritik an der Scheinperfektion verliert sich erst gegen Ende, wenn Bombast und Melodram die schrecklich-leise Zweisamkeit verdrängen. Dennoch ist das Zwei-Personen-Weltall-Drama (in dem nur noch der durch nichts aus der Ruhe zu bringende Michael Sheen als Android eine katalysatorische Funktion innehat) intensiv genug, um den Science-Fiction-Lärm zu überstehen.