Hanna und Yann hat es erwischt. In einem kleinen Café in Paris. Ein Blickwechsel nur, und schon ist es um beide geschehen. Sie haben den einen, die eine getroffen. Was für ein Wunder die Liebe doch ist. Irgendwann aber muss Hanna zurück nach Wien, wo sie im Kinderschutzzentrum arbeitet. Ein traumatisiertes Mädchen aus Tschetschenien liegt der jungen Psychotherapeutin besonders am Herzen. Zugleich aber sehnt sie sich nach dem großen, zärtlichen Deutsch-Rumänen, der ihr „lettres filmées“, träumerische Filmcollagen, aufs Handy schickt und ihr damit ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Plötzlich steht er vor ihr, ist ihrem Rufen gefolgt, hat Job, Musikband und Freunde zurückgelassen. „Ich kann ohne dich nicht leben!“ Ein wunderbar klingender Liebesbeweis.
Wie aus diesem „Ich kann ohne dich nicht“ eine Drohung, ja sogar eine Bedrohung wird, davon erzählt die österreichische Regisseurin Andrina Mračnikar in ihrem Spielfilmdebüt. Was als Romanze beginnt, entwickelt sich bald zum beklemmenden Psychodrama mit Thriller-Touch. Yann erträgt es nicht, dass seine Geliebte zur Arbeit geht, anstatt bei ihm im Bett zu bleiben, dass sie sich mit ihrem Ex-Freund Goran zur Aussprache trifft, während er zuhause kocht. Überall wittert er Lügen, Verrat, Betrug. Dass Hanna ein Leben vor ihm hatte, ein Liebesleben gar, ist ihm unerträglich, und so wird aus dem sanft Verliebten ein rasend Besessener. Er forciert die Trennung, kann aber nicht loslassen. Weiterhin schickt er ihr Handyfilme, aber nun verstören sie mit Bildern von verwesenden Tieren, offenen Wunden, dem berühmten Schnitt durchs Auge aus Luis Buñuels „Ein andalusischer Hund“ – und immer wieder mit Aufnahmen von Hanna – im Schwimmbad, bei einem Konzert, sogar schlafend in ihrem Bett. Beobachtet er sie? Folgt er ihr? War das nicht sein Gesicht dort hinten?
Yann wird zum Phantom, und die zunehmende Unsicherheit, die Hanna ergreift, überträgt sich bald auch auf den Zuschauer. Geschickt sind die Handyfilme so in die Handlung montiert, dass man selbst oft nicht weiß, welchen Film man gerade sieht. Während Hanna (Alice Dwyer) greifbar ist, einen Beruf, eine Wohnung, Kollegen, Freunde und ein Leben hat, scheint Yann (Sabin Tambrea) aus dem Nichts zu kommen. Plötzlich taucht er auf, sein schmales, maskenhaft schönes Gesicht wirkt wie aus einer Zwischenzeit. Und so verliert die junge Frau zunehmend die Bodenhaftung, wird von Angst und Verfolgungswahn gepackt. Sie tappt wortwörtlich im Dunkeln, bewegt sich durch nächtliche Straßen, in finsteren Räumen, lichtlosen Fluren; immer scheint dort jemand zu lauern. Oder sollte das alles nur Einbildung sein? Bis auch Hanna das Misstrauen übermannt und sie zu Yanns Wiedergängerin wird. Plötzlich wittert auch sie überall Lügen, Verrat, Betrug; irgendwann ist auch sie davon überzeugt, dass weder ihre Freundin Marie noch ihr Verflossener Goran die Wahrheit sagen, und versteht jedes Wort, jede Geste als persönlichen Frontalangriff.