Selbst in Frankreich holt ihn sein Ruf ein, den er sich in einem iranischen Gefängnis vor seiner Flucht erworben hatte: Hibat ist der Mann, der sich am Geburtstag des Schahs weigerte, ein Stück Kuchen als Geschenk für jeden Häftling anzunehmen. Lieber ertrage er Folter und Isolationshaft. Heute dient ihm die Legende seiner „Heldentat“ als Schlüssel, um sich bei renitenten Jugendlichen der tristen Pariser Vorstadtsiedlung Respekt zu verschaffen.
Was sich zunächst wie ein Politdrama mit abenteuerlicher Flucht aus dem Gefängnis und mühsam errungenem „Happy End“ in der rauen Wirklichkeit anhört, entpuppt sich schnell als liebevoll gezeichnete Familiengeschichte mit ironisch-schwarzhumorigen Zwischentönen. Der autobiografisch gefärbte Film erzählt die Geschichte der Eltern des Regisseurs Kheiron: die von Hibat und Fereshteh Tabib, die 1984 aus dem Iran nach Frankreich flohen. Kheirons Vater saß unter dem Schah-Regime zehn Jahre im Gefängnis und eckte nach der „islamischen Revolution“ mit seinen Drang nach Gerechtigkeit auch mit dem Regime der Mullahs ständig an. Mit seinem 1982 geborenen Sohn Nouchi, wie Kheiron mit bürgerlichem Namen heißt, landeten sie in Pierrefitte-sur-Seine, einer der berühmt-berüchtigten Vorstädte von Paris. Die Familie fasste schnell Fuß in der neuen Heimat: Fereshteh arbeitete in ihrem Beruf als Krankenschwester, Hibat macht das Jura-Examen. Gemeinsam übernahmen sie Jobs in der Sozialstation ihrer multi-ethnischen Siedlung, um Migranten zu unterstützen. Ihr Kampf für Gerechtigkeit dauert an.
In Deutschland ist Kheiron noch ein unbeschriebenes Blatt. In Frankreich dagegen bejubelt das Publikum den Comédien, der Rap mit Stand-up-Comedy verbindet. Mit „Nous trois ou rien“ hat er seinen ersten Film inszeniert, das Drehbuch geschrieben und auch die Hauptrolle übernommen, wofür er sogleich mit einer „César“-Nominierung als „Bester Erstlingsfilm“ belohnt wurde.
Kheiron gelingt die Gratwanderung zwischen Tragödie und Komödie, weil er beides ernst nimmt, obwohl er stets mit ironischem Augenzwinkern bis hin zu bitterbösem Humor erzählt. Nicht von ungefähr fühlt man sich bisweilen an Roberto Benignis „Das Leben ist schön“
(fd 33 422) erinnert, wenngleich es nicht nur um die Historie geht, sondern um einen aktuellen Spiegel der europäischen Integrationsprobleme. Die Reise durch die Familiengeschichte ist trotz aller Rückschläge stets von Hoffnung und einem unerschütterlichen Zusammengehörigkeitsgefühl getragen. Auf diese Weise gelingen aufschlussreiche Blicke ins Familienalbum, etwa mit Hibats Brautwerbung um Fereshteh, bei der schon deutlich wird, wer künftig im Haushalt die „Hosen“ anhat. Auch schauspielerisch trägt Leila Bekhti den Film, ohne den mimisch bisweilen recht eingeschränkt wirkenden Kheiron als Hibat an die Wand zu spielen. Bekhti und Gérard Darmon als ihrem Film-Vater gelingt die berührendste Szene: Als Fereshteh sich nach gelungener Flucht aus Istanbul meldet, spricht sie kein Wort, da das Telefon vermutlich abgehört wird; und ihr Atem und sein Mienenspiel verraten, dass er verstanden hat.
Bei der Charakterisierung des Schahs bedient sich die Inszenierung der Stilmittel der Überzeichnung. Reza Pahlavi erscheint als nicht ernst zu nehmender Operetten-Kaiser (zum Brüllen komisch: Alexandre Astier), bei dessen Auftritten man zugleich stets an seine von den Medien zur „Märchen-Kaiserin“ hochstilisierte Frau Soraya denken muss.
Trotz aller Blödeleien scheint der politische Subtext durch, auch weil die Inszenierung ab und an dokumentarische Schnipsel einfügt. Die Kamera unterstützt dies mit differenzierter Licht- und Farbgestaltung, die sowohl die „bedrückenden“ Innenräume als auch die Landschaftspanoramen kongenial einfängt. Als die Familie dann allerdings im sozialen Brennpunkt landet, bekommt der Film den Touch eines „Sozialmärchens“ mit dezenten Anflügen von Pathos. Von der pessimistisch-aggressiven Atmosphäre, wie sie Mathieu Kassovitz’ „Hass“
(fd 31 571) prägte, ist hier nichts zu spüren. Stattdessen dominiert grenzenloser Optimismus über das Gelingen von Integration.