Spätestens seit Claude Chabrols frühen Filmen weiß man, dass nichts auf der Leinwand verführerischer wirken kann als eine gute Mahlzeit. Zwischen Gabriel Axels „Babettes Fest“
(fd 27 217), Ang Lees „Eat Drink Man Woman“
(fd 30 959) und Stanley Tuccis „Big Night“
(fd 32 503) sind die Koch- und Gaumenfreuden im Kino bis in die exotischsten Bereiche ausgekostet worden. Innerhalb dieser cinematografischen Esskultur gebührt Jon Favreaus „Kiss the Cook“ ein Ehrenplatz, so gaumenkitzelnd versteht er es, Mahlzeiten unterschiedlichen Geschmacks und Anspruchs vor unseren hungrigen Augen anzurichten.
Wer nicht tief in die Vergangenheit des 1966 geborenen Regisseurs zurücklotet, hätte Favreau diesen Film kaum zugetraut. Sein Name ist zu eng verbunden mit auftrumpfenden Hollywood-Produktionen wie den beiden ersten „Iron Man“-Filmen und dem zu Unrecht von der Kritik abgekanzelten „Cowboys & Aliens“
(fd 40 597), als dass man ihn noch mit einer kleinen, sehr persönlichen Komödie wie „Kiss the Cook“ in Verbindung bringen würde. Doch Favreau hat hier getan, was jedem arrivierten Franchise-Regisseur guttun könnte, nämlich zu seinen bescheidenen Wurzeln zurückzukehren. Heutige Kinobesucher erinnern sich vermutlich kaum noch daran, dass der junge Favreau einst als Stand-Up-Komiker und als Drehbuchautor des damaligen Independent-Hits „Swingers“
(fd 32 672) angefangen hat. Die Geschichte, die er in „Kiss the Cook“ erzählt, könnte in vielerlei Hinsicht seine eigene sein, würde man den erfolgreichen Küchenchef und dessen Frustrationen in Gedanken einmal mit dem umschwärmten Filmemacher austauschen.
Favreaus Alter Ego in „Kiss the Cook“, das er auch selbst spielt, heißt Carl Casper und arbeitet schon jahrelang in einem schicken Restaurant in Los Angeles. Carls Ambitionen sind unter der Fuchtel eines wenig risikofreudigen, allein dem Geld nachjagenden Eigentümers (ein genüsslich seine Rolle auskostender Dustin Hoffman) fast ganz zum Erliegen gekommen. Als ihm auch noch untersagt wird, für einen einflussreichen Restaurant-Kritiker ein unkonventionelles Menü zu kochen, schmeißt er den gutbezahlten Job hin, fliegt in seine Heimatstadt Miami und fängt mit einem ausrangierten Food Truck noch einmal von vorne an. Mit von der Partie ist neben einem loyalen Souschef Carls kleiner Sohn, den er in seiner Arbeitswut und nach der Scheidung von seiner immer noch sympathisierenden Frau allzu sehr vernachlässigt hat. Das clevere Söhnchen, auf beständiger Suche nach des Vaters Aufmerksamkeit und Liebe, macht sich rasch unentbehrlich und verhilft dem bald für seine Cubano-Sandwiches beliebten Food Truck über Twitter zum herbeigesehnten Erfolg. Grund genug, um mit dem mobilen Geschäft quer durch den Süden der USA nach Los Angeles zurückzukehren.
„Kiss the Cook“ ist weit entfernt von einem perfekten Film. Favreau packt ein bisschen zu viel in die kleinformatige Story hinein: das nur noch auf wirtschaftlichen Erfolg bedachte Restaurant-Geschäft, den überall in Amerika grassierenden Erfolg der Food Trucks, die Tyrannei der Restaurant-Kritiker, die Allgegenwärtigkeit der Social Media, die Vernachlässigung des Privatlebens, die Freuden eines funktionierenden Vater-Sohn-Verhältnisses. Er kann auch nicht verhindern, dass die letztendlich alle Handlungsstränge einigende Flucht in ein konventionelles Road Movie den Zuschauer etwas unbefriedigt aus dem Kino entlässt. Aber was den Film trotz all seiner Schwächen zu einer kleinen Perle macht und auch Tage später noch in der Erinnerung haftet, sind seine Figuren, sein Temperament, seine Musikalität und die immer wieder überbordende Spontaneität. Favreau entlässt sein Publikum mit dem kulinarischen Genuss eines simplen kubanischen Sandwichs, in dessen liebevoller Zubereitung der ganze Stolz eines von seiner Kunst überzeugten Kochs steckt.