Poetischer Reise- und Essayfilm über den französischen Musiker Raymond Borremans, der ab Ende der 1920er-Jahre bis zu seinem Tod 1988 an einer Enzyklopädie Westafrikas arbeitete, die mit dem Buchstaben „N“ abbrach. Der rauschhafte Film forscht nach den Gründen für das Großprojekt und seinem Scheitern und zieht originelle Querverweise zwischen westlichem Denken und afrikanischer Imagination. Das auch visuell und musikalisch reizvolle Experiment legt in seiner komplexen Konstruktion ein wiederholtes Sehen nahe.
- Sehenswert ab 16.
N - Der Wahn der Vernunft
Dokumentarfilm | Belgien/Deutschland/Niederlande 2014 | 102 Minuten
Regie: Peter Krüger
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Filmdaten
- Originaltitel
- N - THE MADNESS OF REASON
- Produktionsland
- Belgien/Deutschland/Niederlande
- Produktionsjahr
- 2014
- Produktionsfirma
- Inti Films/Blinker Filmprod./Cobra Films/Dieptescherpte/Mollywood/ZDF-ARTE
- Regie
- Peter Krüger
- Buch
- Peter Krüger
- Kamera
- Rimvydas Leipus
- Musik
- Walter Hus
- Schnitt
- Nico Leunen
- Darsteller
- Wendyam Sawadogo (afrikanische Frau) · Vieux Farka Touré · Hamadoun Kassogue
- Länge
- 102 Minuten
- Kinostart
- 26.03.2015
- Pädagogische Empfehlung
- - Sehenswert ab 16.
- Genre
- Dokumentarfilm | Filmessay
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Poetischer Reise- und Essayfilm
Diskussion
Faszination Afrika? Phantom Afrika? Wie bekommt man die fremde(n) Kultur(en) in den Griff? Durch das Sammeln von Daten, Erzählungen und Mythen? Durch das Vermessen der sich ständig ändernden Welt, in der auf den Feldern neue Tänze getanzt werden und die Waisen auf die Stimme des Sandes zu hören gelernt haben?
In einem rauschhaft poetischen Reise- und Essayfilm „N – Der Wahn der Vernunft“ erinnert der belgische Filmemacher Peter Krüger an das titanische Projekt des französischen Musikers Raymond Borremans, der sich Ende der 1920er-Jahre entschloss, in Westafrika zu leben, und Zeit seines Lebens an einer Enzyklopädie des Kontinents arbeitete. Das Projekt blieb unvollendet – Borremans starb 1988 – und endete beim Buchstaben „N“. - „N“ wie „Natur“ oder „Nation“. Aber auch „N“ wie in „uNabhängig“, denn Borremans musste seine Enzyklopädie dem politischen Wandel anpassen und entschied sich für eine Zuordnung nach den neu gegründeten Staaten: Elfenbeinküste, Senegal, Mali, Burkina Faso und Guinea.
Nach seinem Tod, so die narrative Vorgabe des Films, wurde Borremans verflucht, als Geist unter den Menschen zu wandeln. Der Schauspieler Michael Lonsdale verleiht dem Geist Borremansʼ eine Stimme, spricht jedoch einen Text, der vom nigerianischen Schriftsteller Ben Okri stammt, und tritt damit in einen Dialog mit einer afrikanischen Frau. In dieser originellen, komplexen und nicht unironischen Konstellation, die sich allerdings eher durch das Begleitmaterial zum Film als durch den Film selbst erschließt, fragt Krüger nach möglichen Gründen für das Projekt Enzyklopädie und sein Scheitern.
„N – Der Wahn der Vernunft“ ist kein Biopic über das Leben eines mysteriösen und selbsternannten Forschers, der mit seinem mobilen Kino von Dorf zu Dorf fuhr und das „Wissen der Ältesten“ sammelte, um es zu katalogisieren, sondern er „handelt“ eher von der Begegnung des westlichen Denkens mit der afrikanischen Realität und der afrikanischen Imagination. Hat Borremans zu viel gesehen? Resultierte das Projekt der Enzyklopädie aus der Angst, etwas nicht intellektuell in den Griff zu bekommen?
Dass der Film beständig voller Sounds, Rhythmen und Musik u.a. von Vieux Farka Touré ist, die eine weitere durchgängige Tonspur etablieren, hängt damit zusammen, dass er auch eine Reflexion über die Spannung zwischen Wort und Bild, dem Sichtbaren und Unsichtbaren, zwischen der Geschichte und der Gegenwart ist. Diesem Fluss kann man mit einer Enzyklopädie nicht habhaft werden. Krügers Film ist von einem Reichtum an der Grenze zur Entropie, aber gleichzeitig so faszinierend, dass man ihn gerne wiederholt sieht. Er lohnt die Anstrengung im besten Sinne und erinnert in den seinen gelungendsten Momenten an die Faszination, die einmal bei Chris Markers „Sans Soleil“ (fd 24 435) in den Bann schlug.
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